Köln – Vertragsabschluss, Urteil, Kündigung, 560-Millionen-Forderung und Untersuchungsausschuss: Als Bundesverkehrsminister hat Andreas Scheuer (CSU) in den vergangenen zwölf Monaten das Desaster um die zunächst geplante und vertraglich vereinbarte, letztlich aber doch geplatzte Pkw-Maut zu verantworten. Am Donnerstagabend stellte er sich im ZDF bei Markus Lanz der Kritik.
Pkw-Maut: Worum geht es?
Kernthema war die geplatzte Pkw-Maut und der daraus folgenden Untersuchungsausschuss des Bundestages. Ziel des geplanten Vorhabens war es, eine Infrastrukturabgabe für die Nutzung von Pkw auf deutschen Autobahnen einzuführen.
Deutsche Nutzer sollten diese Abgabe – so die Pläne des Bundesverkehrsministeriums – allerdings über eine Senkung der KFZ-Steuer kompensiert bekommen. De facto handelte es sich also um eine Maut für Ausländer. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stufte dieses Modell jedoch in seinem Urteil vom 18. Juni 2019 wegen der Ungleichbehandlung von In- und Ausländern als diskriminierend ein und untersagte die Umsetzung.
Pkw-Maut: Was ist das Problem?
Bereits am Abend des 18. Juni veranlasste Verkehrsminister Scheuer die Kündigung der bereits abgeschlossenen Verträge mit den Betreibern CTS Eventim und Kapsch – wegen angeblicher Schlechtleistungen der Betreiber. Es habe erhebliche Mängel an der sogenannten Feinplanungsdokumentation gegeben, so das Ministerium.
Die Maut-Betreiber hingegen fordern vom Bund 560 Millionen Euro, die ihnen nach eigenen Angaben laut Vertragsklausel zustehen. Sie setzen sich zusammen aus dem gesamten entgangenen Gewinn für die Laufzeit von zwölf Jahren und bereits angefallene Kosten für die abgeschlossenen Verträge. Der Bund sieht das naturgemäß anders und will nichts zahlen. Es folgte ein Untersuchungsausschuss, in dem die Hintergründe der Mautaffäre geklärt werden sollen. Die Opposition fordert den Rücktritt Scheuers.
Die Debatte bei Lanz
In seiner Sendung am Donnerstagabend konfrontierten Lanz und Bubrowski den Bundesverkehrsminister mit der Kritik. „Wir weisen alle Forderungen der Betreiberfirmen zurück, weil wir aus gutem Grund gekündigt haben“, beteuerte Scheuer zunächst. Bubrowski richtet sich stattdessen an Scheuer: „Jeder wusste, dass das eine heikle Sache ist. Sie sind ganz bewusst ein Risiko eingegangen, das sich nun realisiert“. Die Journalistin, die für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, führt aus: „Sie haben hoch gepokert und Sie haben verloren.“
Der Hauptkritikpunkt: Scheuer unterzeichnete die Verträge mit den Betreiberfirmen in dem Wissen, dass eine endgültige Entscheidung des EuGH noch aussteht – und diese auch negativ ausfallen kann. „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Niemand wusste, wie dieses Verfahren ausgeht“, so Bubrowski.
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„Da ist schon die Diskriminierung im Namen angelegt – Maut für Ausländer. Wer ein bisschen die Rechtsprechung des EuGH verfolgt, der weiß, dass er ganz stringent gegen Diskriminierung innerhalb des Binnenmarkts vorgeht.“ Scheuer kontert: „Wenn der EuGH positiv entschieden hätte und ich hätte keine Vergabe gemacht, dann hätte ich auch einen Untersuchungsausschuss. Im Bundeshaushalt steht in den nächsten Jahren eine Milliarde Einnahme fix verbucht schon drin – aus dieser Maut.“ Bubrowski widerspricht erneut.
Angesprochen auf den Sinn einer Pkw-Maut wurde die Debatte dann hitziger – zwischen Scheuer und Lanz.
Scheuer: „Ich lasse nicht zu, dass hinter vorgehaltener Hand oder an Rednerpulten alle Repräsentanten der Verkehrspolitik egal welcher Coleur seit Jahren sagen: Das gerechteste wäre – mit der besten ökologischen Lenkungswirkung – eine Pkw-Maut“
Lanz: „Für alle?“
Scheuer: „Für alle!“
Lanz: „Wenn es für alle gewesen wäre, wäre es doch durchgegangen.“Scheuer: „Natürlich wäre es für alle gewesen.“
Lanz: „Herr Scheuer, wir sollten uns nicht gegenseitig Märchen erzählen“ Scheuer: „Ich habe eine andere Rechtsauffassung als der EuGH“
Lanz: „Das ist jetzt das Niveau albanischer Hütchenspieler, was wir jetzt gerade machen“
Scheuer: „Das stimmt nicht“
Lanz: „Sie können sich nicht hinter der Juristerei verstecken bei so einem politischen Ding, das ist der Punkt.“
Scheuer: „Nochmal, das ist Gesetz geworden mit der Unterschrift von zwei Bundespräsidenten. Dass das Urteil anders gekommen ist, habe ich zu akzeptieren und unverzüglich umzusetzen“.
Im Anschluss schaltete sich auch Wissenschaftsjournalist Rangar Yogeshwar in die Debatte ein: „Die größte Zahl der Zuschauer weiß sehr genau, wie das zustande kam. Es war eine Initiative aus Bayern und das Wort Ausländer spielte eine sehr gewichtige Rolle. (…) „Man versucht jetzt in einem Nebel von Verfahrenstechniken, ein Bild nicht klar zu zeichnen. Es ging eigentlich um eine Ausländermaut. Viele haben damals schon gesagt, das wird so nicht gehen.“
Der Abschluss
Zum Abschluss sprach Lanz eine erneute Einladung an Scheuer aus, um beim nächsten Mal über E-Mobilität in Deutschland zu sprechen. Ein Thema, das angesichts der ausschweifenden Maut-Debatte am Donnerstagabend kaum zur Sprache kam. (nal)