Hohe Baupreise und Zinsen, Inflation und Lieferengpässe - für viele platzt der Traum vom Eigenheim. Und die Mieten treibt es auch in die Höhe.
Bauen und WohnenVon der Krise sind fast alle Menschen im Kreis Euskirchen betroffen
Wenn die Bedingungen sich gleichsam über Nacht ändern, hat das zuweilen Folgen, die selbst fantasiebegabten Menschen nicht in den Sinn gekommen wären. Etwa wenn die Baustoffpreise steigen. Dann zahlen Baufirmen ihren Kunden schon mal eine Stange Geld dafür, damit sie nicht weiterbauen müssen.
„Sie kaufen sich lieber für 20.000 Euro raus, bevor sie 70.000 Euro Verlust machen“, erläutert der Geschäftsführer des Euskirchener Projektentwicklers F & S concept, Georg Schmiedel: „Das haben wir mehrfach erlebt.“
Mittlerweile hätten sich die Preise wieder nach unten bewegt, so Schmiedel. Einige hätten die Krise auch genutzt, um noch einen schnellen Euro zu machen. „Mitnahmeeffekte“ halt. Ob die Preissenkungen nachhaltig sein werden, wird sich zeigen. Der Euskirchener Bauplaner Jürgen Bohsem traut dem Braten noch nicht so ganz.
„Es ist wie an der Tankstelle“, sagt er: „Da wird der Liter schnell mal um 20 Prozent teurer, dann nach und nach werden die Preise in zwei Schritten um jeweils fünf Prozent gesenkt unter dem Strich bleiben aber zehn Prozent Preissteigerung.“ Bei allen Schwankungen, mittel- und langfristig, gehe der Trend nach oben.
Was in den vergangenen eineinhalb Jahren auf dem Bausektor los war, überrascht selbst Georg Schmiedel. Seit 35 Jahren erschließt F & S concept Baugebiete. Schmiedel, sein Co-Geschäftsführer Jörg Frühauf und ihre Mitarbeiter kennen sich also mit konjunkturellen Schwankungen im Baugewerbe gut aus. Doch das jetzt sei schon außergewöhnlich.
Es geht alles sehr schnell. Für manche zu schnell. Die Redewendung „Kein Stein mehr auf dem anderen“ traf selten so sehr den Nagel auf den Kopf. Kommunen und Vermarkter berichten von Grundstückskäufen, die kurz darauf wieder rückgängig gemacht werden. Die Volksbank Euskirchen vermeldet, dass die Baufinanzierungen Mitte 2022 geradezu eingebrochen seien. Im Kreis Euskirchen wurden im Vorjahr laut IG Bau 1054 neue Wohnungen gebaut. Viel zu wenig, um die Wohnungsnot spürbar einzudämmen. „Es wird wohl noch schlimmer“, so ein Gewerkschaftssprecher.
Experte hält sehr hohe Belastungen für Häuslebauer für möglich
Vervierfachte Bauzinsen innerhalb weniger Monate, rasant gestiegene Baustoffpreise und Lebenshaltungskosten, die beim Einkauf im Discounter stets ungläubige Blicke auf den Kassenzettel verursachen, das alles lässt für manche den Traum von den eigenen vier Wänden platzen – und macht anderen die Suche nach einer für sie bezahlbaren Wohnung zu einem Marathonlauf, nicht selten ohne Zieleinlauf.
Wer bauen will, muss schon ganz gut verdienen und/oder was auf der hohen Kante haben. Noch vor einigen Monaten hatten sich viele, vor allem in größeren Städten, gefragt: Warum horrende Mieten zahlen, wenn sich mit demselben Betrag ein Eigenheim auf dem Land finanzieren lässt? Ist ja auch was für den Lebensabend.
Diese Rechnung, so Georg Schmiedel, gehe so nicht mehr auf. Und wenn sich der Markt nicht bald beruhige, werde sich die Lage noch verschärfen: „Das Einfamilienhaus wird sich dann nur noch die gehobene Mittelschicht leisten können – mit zwei Vollverdienern.“ Denn dann könnten über kurz oder lang aktuell noch unvorstellbare Belastungen von 3000 bis 4000 Euro pro Monat anfallen. Es gibt Leute, die sich das leisten können, es sind aber nicht mehr so viele.
Für viele Menschen platzt in der Baukrise der Traum vom Eigenheim
Kein Wunder, dass nicht wenige dann doch lieber verzichten, bevor der Traum zum Albtraum wird. Zuweilen beeinflusse das auch die Familienplanung, berichtet Schmiedel. Kinder kosten Geld, ein Haus mit Kindern ist größer und somit teurer. In Einzelfällen, so der Euskirchener Projektierer, kämen Paare da schon mal ins Grübeln: Kinderlos in den eigenen vier Wänden oder lieber mit Nachwuchs zur Miete?
Was aber, wenn sich Bauwillige zu noch günstigen Zinsen ein Grundstück zugelegt haben, ihnen dann aber die Finanzierung des Gebäudes wegen der gestiegenen Baukosten und -zinsen um die Ohren fliegt? Es gebe zum Glück (noch) nicht so viele Fälle von Bauwilligen, „die zwischen die Fronten geraten“ seien, wie Schmiedel es ausdrückt. Wer hingegen noch nicht mit dem Bau begonnen hat, kann sein Grundstück in der Regel leicht zurückgeben — etwa in Hellenthal. „Die Leute erhalten den Kaufpreis zurück, müssen lediglich die Kosten für den Notar und das Grundbuch übernehmen“, sagt Bürgermeister Rudolf Westerburg.
Andere haben mit dem Verkauf von Grund und Boden sogar ein Schnäppchen gemacht. Innerhalb einer Woche, so erzählt Schmiedel, habe F&S concept 78 Grundstücke für 280 Euro pro Quadratmeter verkauft: „Zwei Monate später standen die ersten Grundstücke dann für 380 Euro in der Zeitung.“
Nachfrage vorhanden, aber kaum noch Bauland im Kreis Euskirchen
Im Kreis Euskirchen mangelt es nämlich an Bauland. Der Verkauf von Grundstücken ist von 2021 auf 2022 um die Hälfte eingebrochen: von 592 auf 293 Kaufverträge. Doch das liegt laut Kreis-Gutachterausschuss nicht an zu geringer Nachfrage, sondern am fehlenden Angebot. „Die Nachfrage nach Baugrund im Kreis Euskirchen ist weiterhin hoch“, stellte Bernd Pützer, Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte beim Kreis, fest: „Das Angebot bleibt aber insgesamt gering.“
50 Grundstücke wechselten laut Kreisgutachtern 2022 in Hellenthal die Besitzer – Kreisrekord! Auch Bürgermeister Rudolf Westerburg kennt Fälle, in denen Käufer einen Rückzieher machen mussten. Vielleicht auch, weil sie sich vertraglich verpflichtet haben, innerhalb von drei Jahren gebaut zu haben? „In begründeten Ausnahmefällen kann die Frist verlängert werden“, beruhigt Westerburg. Wer trotzdem sein Grundstück zurückgeben wolle, werde anständig behandelt. „Zurückgegebene Grundstücke werden von der Gemeinde wieder vermarktet“, so Westerburg.
Fragt man den Stadtplaner der Stadt Mechernich, Thomas Schiefer, wie sich die Nachfrage nach Baugrundstücken in der Stadt entwickele, erntet man ein Schulterzucken: „Das kann ich konkret nicht beantworten, weil wir derzeit keine Grundstücke mehr haben, die wir zum Verkauf anbieten könnten.“
Dabei könnten immer noch Grundstücke verkauft werden, wie Projektierer Schmiedel erklärt: „Hatten wir früher vier Interessenten pro Grundstück sind es heute immer noch zwei.“ Doch wenn es an Bauland mangele, könne diese Nachfrage nicht bedient werden. Und das hat Folgen – nicht nur für potenzielle Häuslebauer. „Die Wohnungsnot nimmt zu“, sagt Schmiedel, „das birgt sozialen Sprengstoff.“
Die Serie: Wie sich die Baukrise auf den Kreis Euskirchen auswirkt
Der Traum vom Eigenheim begleitet nach wie vor viele Menschen. Doch die in die Höhe geschnellten Zinsen und die rasant gestiegenen Preise, Lieferengpässe und Fachkräftemangel lassen für viele in diesen Zeiten genau diesen Traum platzen. Die Zahl derjenigen, die sich ihn noch leisten können, sinkt.
Unterdessen suchen andere händeringend nach einer Wohnung, die sie auch bezahlen können. Einige von ihnen sind auf die Hilfe von Verwandten, Freunden oder gar der Caritas-Wohnungslosenhilfe angewiesen. Und vieles hängt mit vielem zusammen auf dem Wohnungsmarkt.
In der Serie „Vier Wände - Traum oder Albtraum?“ beleuchten wir verschiedene Aspekte dieser Krise, die alle Bürgerinnen und Bürger betrifft. Investoren kommen zu Wort, aber auch Verwaltungen und die, die denen helfen, die in die Obdachlosigkeit rutschten oder kurz davor sind.
Warum schrecken Investoren zurück? Woran hapert es beim geförderten (Sozialen) Wohnungsbau? Wie sieht der Wohnraum der Zukunft aus? Was muss die Kommunalpolitik tun, um die Lage zu verbessern? Die Experten sagen auch, was aus ihrer Sicht geschehen muss, um eins der größten Probleme zu entschärfen.