Wirt der Kölner Ubierschänke„Wir verdienen seit einem Jahr nichts“
- An Karneval würde die Ubierschänke in der Südstadt aus allen Nähten platzen. Doch seit einem Jahr herrscht in der traditionsreichen Kneipe so gut wie kein Betrieb.
- Jens Meifert sprach mit Mitbesitzer Detlef Weisweiler (70).
Herr Weisweiler, normalerweise wäre die Ubierschänke die nächsten Tage hoffnungslos überfüllt, Jecke dicht an dicht, nun ist hier Baustelle, nix geht. Wie fühlt sich das an?
Ich bin ja nicht nur Wirt, sondern auch Kölner, der Karneval gehört zum Lebensrhythmus der Stadt. Es ist traurig, wenn dann nichts stattfindet. All die Ersatzangebote im Stream oder Fernsehen, die sind doch Driss. Karneval funktioniert nur live vor Ort, zum Anfassen. Wir waren immer stolz darauf, dass wir hier eine Hochburg etabliert haben. Da fehlt natürlich ein großes Stück.
Im Prinzip können Sie seit einem Jahr nicht mehr arbeiten.
Richtig, aber nicht weil wir schlecht gewirtschaftet haben. Wir konnten uns nicht dagegen wehren. Allein der Karneval macht in der Kneipe einen Monatsumsatz aus. Viele Wirte brauchen das, man kompensiert damit den Urlaub oder Reparaturen. Auch die Zahlung der Mieten sind danach kalkuliert.
Es gibt staatliche Hilfen, aber nicht für ewig. Wie lange werden Sie durchhalten können?
Im ersten Lockdown gab es eine Soforthilfe von 25 000 Euro, davon mussten wir 6800 zurückzahlen. Für den November und Dezember haben wir 75 Prozent des Umsatzes bekommen, das ist schon ganz gut, auch wenn wir auf die Dezemberhilfen immer noch warten. Ab Januar gibt es nun Überbrückungshilfen, damit werden aber nur 90 Prozent der Betriebskosten abgedeckt. Wir haben hier drei fest angestellte Mitarbeiter, die sind alle in Kurzarbeit, dazu zwölf Mini-Jobber, die sind schon alle weg. In der Gastronomie leben die Leute auch vom Trinkgeld, also stocken wir das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent auf. Wenn ich all das zusammen nehme, brauche ich im Monat zwischen 6000 und 8000 Euro.
Wie lange geht das?
Wir kommen bis März hin, danach wird es eng. Da wir vier Eigentümer sind, müsste jeder 2000 Euro im Monat privat hinlegen. Das haben wir schon einmal gemacht, weil die Hilfen zu spät kamen, das Geld haben wir ohnehin schon draufgelegt. Und natürlich ziehen wir als Unternehmer keinen einzigen Cent raus. Wir reden nur über Kostendeckung.
Haben Sie schon mal über eine Mietminderung nachgedacht?
Ja, aber ich glaube, eine Auseinandersetzung darüber mit dem Vermieter würde wenig Erfolg haben. Die Besitzer wissen, dass sie für die Lage der Ubierschänke den Mietpreis verlangen können. In Porz-Urbach würde so ein Laden 800 Euro im Monat kosten, hier sind es ein paar Tausend Euro. Das weiß unser Vermieter, dass wissen auch andere Vermieter. Da gibt es wenig Spielraum für Verhandlungen.
Was glauben Sie, wann können Sie wieder öffnen?
Ich glaube, dass bis Ostern vielleicht der Handel wieder aufmachen darf, die Friseure vermutlich. Und wenn wir ganz viel Glück haben, dürfen wir nach Ostern wieder öffnen, aber nur mit Beschränkungen.
Eine Branche unter Druck
3300
gastronomische Betriebe gibt es in Köln. Der Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) Nordrhein fürchtet, dass ein Drittel die Krise nicht überleben könnte. 50 bis 100 Betriebe haben seit Beginn der Pandemie bereits geschlossen, schätzt der stellvertretende Geschäftsführer des Verbandes, Matthias Johnen.
„Kneipen sterben leise“, sagt er. In den Eckkneipen im Veedel gingen zuerst die Lichter aus.
Kleine Lokale wie die Ubierschänke (kl. Foto) haben am stärksten unter den Auflagen zu leiden, weil sie in der Regel nur wenige Terrassenplätze haben und meist kein Speiseangebot, das sich für den Außer-Haus-Verkauf eignet.
1500
Betriebe haben laut Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Kurzarbeit angemeldet. Die Gewerkschaft fordert die Einführung eines Mindest-Kurzarbeitergeldes von 1200 Euro im Monat, die Ausmaße des ersten Lockdowns seien längst wieder erreicht.
Vor den Beratungen in Berlin hat der Dehoga einen Vierstufen-Plan zur schrittweisen Öffnung der Gastronomie und Beherbergung vorgelegt.
1
Ab einer Inzidenz von 75 und niedriger sollten Terrassenplätze geöffnet werden.
2
Ab Inzidenz von 50 oder kleiner sieht der Plan die Öffnung der Speisen-Gastronomie vor (Restaurants, Cafés, Eisdielen) vor – unter Einhaltung der erprobten Hygiene-Regeln.
3
In der dritten Stufe (Inzidenz von 35 oder niedriger) dürften auch Kneipen („getränkegeprägte Gastronomie“) und Vinotheken öffnen.
4
Ab Inzidenz von 20 oder niedriger öffnen Clubs oder Diskotheken. (mft)
Die kennen Sie schon. Sie konnten im Frühjahr und Sommer öffnen, aber nur mit strikten Hygiene-Auflagen. So könnte es wiederkommen. Ist das überhaupt eine Perspektive?
Geld verdient haben wir nicht, wir verdienen seit einem Jahr nichts, aber zumindest haben wir nichts draufgelegt. Wir hatten hier immer die ruhigeren Tage, am Montag spielen Gäste Brettspiele, das soll auch so bleiben. Aber dafür war es am Wochenende umso voller, da haben wir unser Geld verdient. Es gab die Konzerte, Matineen, das alles fällt weiter weg. Wir haben keine Speisen für den Außer-Haus-Verkauf, es durften maximal 31 Gäste in die Kneipe. Einige ältere Gäste haben Angst gehabt zu kommen, andere dachten, sie kommen nicht rein. Wenn es dann noch eine Sperrstunde gibt, brauchen wir gar nicht erst aufzumachen. Wir haben schon einiges an Bier wegschütten müssen, im Keller stehen jede Menge Fässer, die im März ablaufen, die müssen auch weg,
Sie haben ein zweites Standbein ...
..mit dem ich auch nichts mehr verdiene. Ich habe einen kleinen Verlag, Kundenzeitschriften habe ich früher gemacht, zuletzt Broschüren und Stadtpläne für die Hotellerie, aber die sind ja auch mehr oder weniger geschlossen.
Wie wird sich die Kölner Kneipenszene verändern?
Man muss sehen, wie viele durchhalten. Wir sind eine kleine Kneipe, wir haben vielleicht etwas weniger Probleme. Aber die Löhne müssen jeden Monat gezahlt werden, und das Geld vom Arbeitsamt kommt mit vier Wochen Verzögerung, das ist ein großes Problem. Es wird Pleiten geben, nicht weil die Wirte nicht mehr wollen, sondern weil sie nicht mehr zahlen können. Ich denke, die ganze Gastronomie-Szene wird sich verändern.
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Je länger es dauert, desto mehr Angst habe ich. Dieses Ungezwungene und Spontane, das enge Zusammenstehen, das wird wohl länger nicht mehr möglich sein. Ich weiß nicht, wie das Leben mit dem Virus wird, niemand weiß es. Die Menschen müssen auch das Geld haben, um auszugehen.
Gibt es noch Kontakt zu den Stammgästen?
Aber ja. Auf der Facebook-Seite, aber auch persönlich, es gibt ja Verbindung den Angestellten, das geht dann hin und her. Man merkt schon, dass viele ihre Kneipe vermissen, den Trubel, den Austausch.
Wenn es endlich wieder losgeht. Wie öffnen Sie? Passiert was Besonderes?
Nein, wir schließen einfach auf. Mehr müssen wir nicht machen, die Leute wollen einfach mal wieder an der Theke stehen. Ganz sicher.