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Wetterpilz-Fan im Interview„Köln ist die Kulturhauptstadt der Wetterpilze weltweit“

Lesezeit 6 Minuten
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Klaus Herda ist IT-Entwickler und Fan der Wetterpilze in Grünanlagen. 

Köln – Der Wetterpilz bei ihm im Sülzer Beethovenpark habe nur ein Flachdach, sagte Klaus Herda am Telefon. Also treffen wir uns am Raderthaler Robinienweg im Grüngürtel, wo ein „richtiger“ Wetterpilz steht.

Was spricht gegen Flachdach-Wetterpilze?

Die repräsentieren eher den Bauhaus-Stil unter den Pilzen. Wunderbare Architektur, aber Wetterpilze mit dem klassischen Spitzdach sind mir lieber.

Wo verläuft die Grenze vom Wetterpilz zum bloßen Unterstand?

Das ist eine Gefühlsgrenze. Sonnenschirme gelten nicht, und genauso wenig Pavillons mit außen verlaufenden Säulen.

Viereckige Dächer wären für Sie ebenso inakzeptabel?

Na ja, mittlerweile bin ich toleranter geworden. Weltweit herrscht bei den Wetterpilzen ein faszinierender Formenreichtum.

Schirmling, Schwammerl, Wetterpilz: Diese Bauten haben viele Bezeichnungen.

Aber „Wetterpilz“ war mir immer am geläufigsten. Eine andere Assoziation als „Pilz“ kann man doch gar nicht haben! Und „Wetter“ steht für die große Natur, in der die Pilze normalerweise zu finden sind.

Zur Person

Klaus Herda wurde 1967 in Hürth geboren, wo er auch aufwuchs. Nach einem Chemiestudium machte er seinen Abschluss als EDV-Entwickler. Diesen Beruf übt er bis heute aus. Er war früh im Umweltschutz aktiv und spielte in jungen Jahren Bass in verschiedenen Bands.

Anlässlich des Silvesterlaufs am 31. Dezember 2011 in der Merheimer Heide entdeckte er seine Leidenschaft für Wetterpilze. „Das Myzel ist seitdem gewachsen“, sagt er. Heutzutage hat er weltweit über 1200 dieser Unterstände archiviert und ein internationales Netzwerk von Sammlern aufgebaut. Seine umfangreiche Website informiert ausführlich über die Geschichte der Wetterpilze.

Klaus Herda ist verheiratet und wohnt in Sülz.

Welchem Pilz ähnelt der Wetterpilz?

Am ehesten dem Pfifferling. Wir sitzen hier ja sogar unter einem Exemplar, das sich farblich annähert. Gerne werden die Dächer auch rot mit weißen Punkten gestrichen, dann sind wir beim Fliegenpilz.

Ist Pilzragout Ihr Lieblingsessen oder ein Sakrileg?

Man kann nicht essen, was man liebt! (lacht) Man brät ja auch nicht sein Haustier.

Die Vorbilder der Wetterpilze kommen aus der Südsee, liest man auf Ihrer Website.

Die Form brachten im 18. Jahrhundert die großen Entdecker mit nach Europa. An den Stränden Tahitis standen diese pilzförmigen Unterstände, die dann europäische Gärten als exotische Details bereicherten.

Wetterpilze gibt es fast überall. Warum sind sie dennoch eine deutsche Eigenart?

Ich vermute, dass das mit unserer Geschichte der Gartenkultur zu tun hat. Ein Gegenbeispiel: Von Nordamerika sagt man ja, es sei kulturlos, und dementsprechend findet man dort auch viel weniger Wetterpilze.

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Hier steht er vor einem Exemplar am Robinienweg in Raderthal. F

Kultur bemisst sich an der Zahl der Wetterpilze, ich verstehe. Spielt Köln eine eigene Rolle in der Wetterpilzwelt?

Auf jeden Fall! Köln ist die Weltwetterpilzkulturhauptstadt. Hier zählen wir 32 Wetterpilze, das ist global die höchste Dichte. Und auch die Verwendung von Beton gibt es in dieser Häufung nirgendwo anders.

Warum stellen Portugiesen, Finnen und Bulgaren keine Wetterpilze auf? Sind das besonders kulturlose Nationen?

Ich habe dort noch keine kartiert. Wegen der Sprachbarriere konnte ich keine Kontakte zu dortigen Sammlern herstellen.

Welche Pilze sind Ihre exotischsten?

Eindeutig die armenischen Bushaltestellenpilze! Die stehen irgendwo in der Pampa, sind total runtergerockt, und die Schirme bestehen aus verbeultem Blech. Die würde ich gern mal drei Wochen mit dem Rad abfahren. Gerade heute in Zeiten des Krieges kommt mir auch oft der Wetterpilz von St. Petersburg in den Sinn. Der stammt von 1796 und ist damit der älteste überhaupt in seiner ursprünglichen Form.

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Sind Wetterpilze männlich?

Eindeutig! Zum einen wegen des grammatischen Artikels, aber auch wegen der phallischen Form.

Und wie sieht es bei den Wetterpilzsammlern aus?

Das hält sich die Waage. Mich schreiben auch sehr viele Frauen an, die liebevoll und detailliert Aufzeichnungen von weiteren Wetterpilzen machen. Meiner Erfahrung nach geht es Frauen mehr um die Ästhetik, männlichen Sammlern eher um das Abenteuer und die Entdeckung. Deshalb sind die auch vorzugsweise allein unterwegs, während Frauen mit ihren Freundinnen losfahren.

Geben Sie Ihren Lieblingen Namen, so à la Karl-Heinz, Claude und Kevin?

Etwas Französisches gefiele mir gut. Aber nein, ich nummeriere die durch.

Von Ost nach West oder von Nord nach Süd?

Nach Posteingang. (lacht) Der hier am Robinienweg hat sogar noch eine einstellige Nummer, insgesamt bin ich inzwischen bei rund 1200.

Was halten Ihre Freunde und Familie von Ihrem Spleen?

Am Anfang hielten mich natürlich alle für verrückt. Aber inzwischen sind sie durchaus stolz darauf, dass ich etwas für Kultur, Kunst und menschliches Miteinander tue. Vor Kurzem habe ich etwa mit einem Rentner aus dem tiefsten Sachsen telefoniert. Da ging es eigentlich um eine Postkarte von 1908 mit einem Wetterpilz drauf, aber letztlich hat er mir dann stundenlang von seiner Heimat erzählt.

Sie haben seit Ihrer Initialzündung 2011 ein internationales Wetterpilz-Netzwerk aufgebaut. Läuft das alles digital?

Spannend ist es immer, andere Sammler vor Ort zu treffen. Man weiß nach ein paar Mails oder Telefonaten ja eigentlich gar nicht, was da für ein Mensch auf einen wartet. Die heißen dann meistens Ralf, Dieter oder Bernd, was ja irgendwie langweilig klingt …

Besten Dank!

Oh, das war mir jetzt gar nicht bewusst! (lacht) Pardon!

Kein Problem. Klaus klingt auch nicht viel aufregender. Im Grunde ähneln diese Treffen also einem Blind Date.

Genau. Und sehr oft lernt man dabei eben interessante Menschen kennen, die mit ihrem Wissen der Wetterpilz-Forschung einen großen Dienst erweisen. Die Recherche zu Wetterpilzen ist enorm schwierig, weil es dazu kaum Aufzeichnungen gibt.

Ein echtes Versäumnis der Historiker! Der letzte Kölner Wetterpilz wurde 1978 am Fühlinger See aufgestellt. Warum endete seinerzeit diese glorreiche Ära?

Das geschah im Rahmen der Rekultivierung des See-Areals. Ich denke, es gibt keine neuen Wetterpilze, weil seitdem auch keine größeren Grünanlagen geschaffen wurden.

Sie haben sich schon als Schüler im Naturschutz engagiert.

Ich komme ja aus Hürth. Wir haben zum Beispiel in Fischenich die damals kanalisierte Flurflosse renaturiert. Das ist ein Bächlein, das die Ville in Richtung Köln hinunterfließt.

Ihr Geld verdienen Sie aber nicht mit den Wetterpilzen?

Nein, ich bin IT-Entwickler. Vorher habe ich Chemie studiert, um damit letztlich erfolgreich zu scheitern. Parallel habe ich als Bassist in einer Art Rock- und einer Punk-Band gespielt.

Sind Sie als Rock’n’Roller mit psychedelischen Pilzen in Kontakt gekommen?

Nein, wir haben uns eher an das einschlägige Kraut aus Holland gehalten.

Welchem Kölner Wetterpilz geht es zurzeit schlecht?

Schwer haben es alle Wetterpilze mit einem Holzstamm. Der in der Westhovener Aue, direkt am Rhein, ist zum Beispiel 2019 umgeknickt und seither nicht ersetzt worden. Sinnvoll wäre es, die Stämme am Sockel mit Stahl zu stabilisieren.

Ihre Leidenschaft begann während des Silvesterlaufs 2011 in der Merheimer Heide.

Wo ein ganz toller, auch toll gelegener Wetterpilz steht!

Besuchen Sie ihn manchmal und trinken eine Flasche Kölsch drunter?

Kein Kölsch, natürlich ein Pils! – Der musste jetzt sein.