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Kölner Buchgestalterin im Interview„Das Cover sagt durchaus einiges über ein Buch“

Lesezeit 7 Minuten
Ulla Brümmer

Leben und leben lassen wäre der Titel des Buches, das Ulla Brümmer selbst schreiben würde.

Im Restaurant des Museums Ludwig ist noch wenig los an diesem Vormittag. Nach dem Interview ist Ulla Brümmer hier zum Essen verabredet: mit einer alten Kollegin und ihrem Nachfolger bei Kiepenheuer & Witsch.

Sie sind in den 1960ern in Ehrenfeld aufgewachsen. War das damals eher ein gefährliches Pflaster oder ein Dorf?

Gefährlich war es nicht. Ich erinnere mich an Frauen, die mit Hunden und einem Kissen im Fenster lagen und von da aus ein Schwätzchen hielten. An jeder Hausecke lag ein kleiner Laden. Bei uns gab es einen Bäcker, einen Metzger, einen Frisör und ein Geschäft für Haushaltsgeräte.

Dönerbuden existierten noch nicht, nehme ich an.

Nein, aber dafür Herrenausstatter und ein Damenhutgeschäft auf der Venloer Straße. Solche Läden vermisse ich durchaus, aber Ehrenfeld war damals weder jung noch sehr lebendig. In dieser Hinsicht gefällt es mir heute viel besser.

Ihre Eltern haben orthopädische Schuhe verkauft. Auch selbst hergestellt?

Ja. Meine Mutter war vorn im Laden, und mein Vater arbeitete hinten in der Werkstatt. Ich habe ihm immer gern zugesehen, wenn er mit seinem dicken Bleistift Entwürfe skizzierte. Und den Geruch von Leder liebe ich noch heute.

Wie kommt man vom orthopädischen Leder zum Ledereinband?

Mich hat früh die Kunst gefesselt, also habe ich Kunst- und Textilgestaltung studiert. Nach zwei Jahren als Kunstlehrerin bin ich dann zunächst in der Werbung gelandet.

Wofür haben Sie damals geworben?

Zum Beispiel für Kabel von Felten & Guilleaume. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Es macht mir mehr Freude, Produkte zu bewerben und zu gestalten, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe: Bücher. Und dann habe ich mich bei KiWi beworben.

Sie waren 36 Jahre lang bei Kiepenheuer & Witsch für die Buchcover zuständig. Wie haben Sie sich am letzten Arbeitstag gefühlt?

Wehmütig und fröhlich zugleich. Ich habe meine Arbeit immer sehr geliebt und darüber auch viele Freundschaften geschlossen. Nicht zuletzt habe ich auf der Buchmesse in Leipzig 1990 meinen Mann kennengelernt. All diese Texte, die ich sonst nie gelesen hätte, all die unterschiedlichen Autorinnen und Autoren und Themen: Eigentlich war meine Arbeit ein 36-jähriges, immer anregendes und bereicherndes Studium.

Fassen Sie Bücher seit Ihrem Ausstieg überhaupt noch an?

Oh ja, die bleiben meine große Leidenschaft. Zur Zeit lese ich unter anderem einen italienischen Roman: Gianfranco Calligarich, „Der letzte Sommer in der Stadt“.

Sie reisen auch gern. Inwiefern ist Reisen mehr als „Mal woanders sein“?

Reisen öffnet Fenster im Kopf. Man wird bereichert und ändert seinen Blickwinkel − nicht zuletzt auf sich selbst.

Mögen Sie Reisebücher?

Am liebsten die mit persönlichen Erfahrungen, ja.

Reisebücher können aber auch das eigene Entdecken verhindern.

Das stimmt. Das Tollste ist tatsächlich, etwas für sich selbst zu entdecken – ein Museum oder einen Park, der in keinem Reiseführer steht und von niemandem empfohlen wurde. Solche Momente machen mich glücklich.

Welche professionelle Denkmaschine startet, wenn Sie ein Buch in die Hand nehmen?

Als erstes interessiert mich natürlich das Cover. Wie ist es gestaltet, was möchten Verlag und Autorin oder Autor damit sagen? Im Job war es genau umgekehrt, dort habe ich zuerst die Manuskripte gelesen und dann überlegt, in welche Richtung das Cover gehen könnte. Ich kaufe auch immer wieder gern Bücher nach Covern, die mich ansprechen. Sie müssen halt gut gemacht und außergewöhnlich sein, kein Plagiat vom Plagiat.

Zur Person

Ulla Brümmer wurde 1957 in Köln geboren. Ihre Eltern betrieben ein Geschäft für orthopädische Schuhe, das heute ihr Bruder leitet. Nach dem Abitur studierte sie Kunst- und Textilgestaltung. Zwei Jahre arbeitete sie als Lehrerin, um dann zu einer Werbeagentur zu wechseln.

1985 bewarb sie sich beim Verlag Kiepenheuer & Witsch als Werbeassistentin. Ab 1988 war sie die Abteilungsleiterin für Werbung und Covergestaltung verantwortlich für Anzeigen, Plakate und Umschläge. Nach 36 Jahren schied sie 2021 aus. Ulla Brümmer wohnt mit ihrem Mann noch immer im familiären Haus in Ehrenfeld.

Gibt es Autoren, die nichts weiter als einen weißen Einband mit schwarzer Schrift wollen?

Den Fall hatten wir vor einigen Jahren tatsächlich mit Moritz von Uslars „Deutschboden“. Weißes Cover, wenig Schrift: Der Autor wollte mit diesem Erscheinungsbild jede Bevormundung der Leser ausschließen. Es kommt aber immer auch auf den Titel an: Wenn der etwa sehr laut ist, braucht man nicht unbedingt ein lautes Bild dazu.

Die Coverwünsche von Autoren können aber auch problematisch sein, nehme ich an.

In der Regel gibt es aber immer eine Lösung. Es gibt natürlich auch die Fälle, bei denen der Bruder malt oder die Freundin fotografiert. Und das ist dann der Wunsch fürs Cover − manchmal klappt das sogar. Ich habe immer viel mit den Autorinnen und Autoren kommuniziert und bin sehr offen gewesen für Vorschläge. Aber manches passt einfach nicht. Der Buchmarkt folgt eben eigenen Regeln.

Zum Beispiel?

Ein literarisches Cover sollte auf einer anderen Ebene den Inhalt oder das Thema andeuten oder interpretieren, es muss nicht eins zu eins zeigen, worum es geht. Manchmal ist eine elegante Schriftlösung richtig. Gut ist oft auch eine Wort-Bild-Schere, mit der das Cover eine zweite Ebene öffnet.

„Don’t judge a book by its cover“, beurteile ein Buch nie nach seinem Cover, sagt der Engländer. Warum ist der Satz falsch?

Ich halte ihn für richtig! (lacht) Buchcover unterscheiden sich je nach der Zeit und nach der Kultur, in der sie erscheinen. Die französischen, ungarischen oder koreanischen Ausgaben unserer Bücher bei KiWi waren zumeist erstaunlich anders. Von daher: Ja, das Cover sagt durchaus einiges über ein Buch aus − auch über die Zeit, in der es entstand und über die Erwartungshaltung der Leserinnen und Leser.

Welchen Anteil hat das Cover am Erfolg eines Buches?

Bei einigen einen ganz großen und wichtigen Anteil. Bei anderen, zum Beispiel bei erfolgreichen Buchreihen, ist es vielleicht nicht ganz so entscheidend für den Kauf. Aber wer in Buchhandlungen oder online stöbert, entscheidet über seinen ersten Eindruck. In den letzten Jahren ist allerdings auch die Haptik der Bücher wichtiger geworden. Die Papiersorten, die Prägungen und sonstigen Veredelungen sind heute viel aufwendiger als früher.

Liest man die Bücher von besonders nervigen, vielleicht unsympathischen Autoren anders?

Nein, ein guter Text bleibt ein guter Text. Wenn Autorinnen oder Autoren nach manchmal jahrelanger Zeit des Schreibens Vorstellungen mitbringen, die mit der Gestaltung oder der Vermarktung ihres Textes zu tun haben, dann ist es wichtig, das zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen, um dem Buch alle Chancen zu ermöglichen.

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Haben Sie Heinrich Böll, den berühmtesten deutschen KiWi-Autor, noch kennengelernt?

Nein, leider nicht. Er ist am Tag meines Vorstellungstermins am 16. Juli 1985 gestorben. Mein erstes Erwachsenenbuch, aus dem Regal meiner Eltern, war „Das Brot der frühen Jahre“. Danach habe ich viele weitere Bücher von Böll gelesen.

Warum, glauben Sie, liest heutzutage niemand mehr Böll?

Bücher, Autoren, bestimmte Themen erleben immer wieder ihre Renaissancen. Heinrich Böll war ein wichtiger Autor der Nachkriegszeit, er war politisch wegweisend und persönlich engagiert, etwa in der Friedensbewegung. Für mich war er ein Leuchtturm seiner Zeit. Ich glaube, seine Bücher sind nicht verloren, die kommen wieder.

Heinrich Böll war wie der Ex-KiWi-Autor Dieter Wellershoff Kölner. Inwiefern ist Kiepenheuer + Witsch auch ein Kölner Verlag?

Ich denke, am ehesten merkt man das an der Mentalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Offenheit, diese Fähigkeit zur Freude und zum Risiko gleichermaßen scheint mir sehr kölsch zu sein. Bei uns im Verlag ging es immer ausgesprochen familiär zu. Für unsere Autorinnen und Autoren oder für Freunde des Hauses standen die Türen jederzeit offen, da war immer Zeit für ein Gespräch, einen Kaffee oder auch ein Kölsch.

Sie haben jahrzehntelang erfolgreich gearbeitet. An welcher Gabe fehlte es Ihnen?

Es ist mir nicht gelungen, nicht überall mein Herz hineinzustecken. Manchmal gab es diesen kurzen Glücksmoment: Ein Cover liefert den perfekten Auftritt für ein Buch. Aber dann kam irgend etwas dazwischen: Das Haus, der Markt, der Handel intervenierte, und dann musste man leider einen schönen, vielleicht avantgardistischen Entwurf tauschen gegen einen gemäßigteren, durchschnittlicheren. Das ist mir immer sehr schwergefallen.

Was wäre der Name des Buches, das Sie selbst einmal schreiben könnten?

Leben und leben lassen (lacht).

Und was wäre auf dem Cover?

Viel Farbe!