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WeiberfastnachtWarum Kölner Wirte nicht an eine Wende im Kwartier Latäng glauben

Lesezeit 4 Minuten
Karneval auf der Zülpicher Straße.

Gut vorbereitet kommen viele junge Jecke auf die Zülpicher Straße. Darunter leidet der Umsatz in den Kneipen.

Die Stadt kämpft gegen die Massen im Zülpicher Viertel an Weiberfastnacht an. Die Kneipeninhaber glauben jedoch nicht an die Wende auf der Feier-Meile.

Menschenmassen, Urinbäche, Alkoholleichen – Zustände, für die in den vergangenen Jahren vor allem die Zülpicher Straße im „Kwartier Latäng“ bekannt ist. Die Stadt hat reagiert und versucht, mit Absperrungen die Anzahl der Menschen im Feiergebiet zu kontrollieren, hat Ausweichflächen auf der Uniwiese geschaffen, um die Massen zu entzerren. Und ganz neu, sollen mögliche Besucher von der Zülpicher Straße weggelockt werden mit einem attraktiven Musikprogramm auf einer zusätzlichen Bühne am Hohenstaufenring.

Man könnte also sagen, dass die seit Jahren immer wieder formulierte Kritik von Kneipeninhabern der „Zülpi“, endlich etwas an diesen beschriebenen Zuständen zu ändern, bei den Entscheidern der Stadt angekommen ist. Doch viele Kneipenbetreiber lassen ihre Lokale auch in dieser Session wieder zu. Sie haben den Glauben daran verloren, dass es eine zufriedenstellende Lösung gibt. Die Inhaber der Traditionskneipe „Oma Kleinmann“ bieten eine Alternative zum Chaos auf der „Zülpi“ an. Denn das Kleinmann-Team zieht abermals, pünktlich zum Beginn der „tollen Tage“, weiter. Auf dem Boot „Achterdeck“ wird nun ausgelassen, aber weit weg von Saufvolk und Alkoholleichen, mit den Stammgästen auf dem Rhein gefeiert. Wer an Bord kommen will zur „Tod auf dem Nil“-Karnevalsparty, muss ein Ticket haben.

Stammgästen an Karneval dennoch eine Heimat bieten

„Uns tut schon weh, dass wir auf die Einnahmen im Karneval verzichten“, sagt Jürgen Potthoff, Mitinhaber des Traditionslokals „Engelbät“ in der Engelbertstraße, nahe dem Zülpicher Platz. Aber dass man an Weiberfastnacht wieder öffnen werde, sei unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen. Wegen der bereits in den Morgenstunden völlig überfüllten Straßen hätten seine Gäste auch keine Chance, in zumutbarer Weise die Kneipe zu erreichen. „Weiberfastnacht im Engelbät tun wir uns und unseren Stammgästen nicht mehr an.“

Potthoff kritisiert heute noch die Stadt. Jahrelang habe sie den immer größer werdenden Zulauf von Besuchern aus dem Umland an den tollen Tagen weiter verstärkt durch Werbemaßnahmen wie „Feierstadt Köln“. Jetzt versuche man, die Geister, die man rief, wieder in den Griff zu bekommen.

Potthoff glaubt nicht daran, dass die neue Bühne am Hohenstaufenring die Lage auf der Zülpicher Straße entlastet. „Im Gegenteil, es werden damit noch mehr Leute in die Innenstadt gelockt“, ist Potthoff überzeugt. Keiner, der über 16 Jahre alt sei, wolle die aktuelle Situation im Kwartier Latäng weiter haben. Eine Lösung sei aber nicht in Sicht.

Dennoch denkt der Gastwirt über Feier-Angebote rund um Weiberfastnacht nach. „Wir haben dieses Jahr für heute zu einer kleinen ,Loss mer singe'-Party im Engelbät eingeladen“, so Potthoff, „vielleicht öffnen wir dann auch in den kommenden Jahren am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht, um unseren Stammgästen wieder eine Heimat an Karneval zu bieten. Mal sehen.“

Weiberfastnacht im Engelbät tun wir uns und unseren Stammgästen nicht mehr an.
Jürgen Potthoff, Mitinhaber des Engelbät

Trotz der verfahrenen Lage halten einige der Traditionskneipen im Kwartier Latäng auch an Weiberfastnacht die Stellung allerdings nicht ohne eine Portion Sarkasmus. Markus Vogt, Inhaber des gleichnamigen Kwartier Latäng auf der „Zülpi“, hat am vergangenen Samstag einen „Fühlt sich genervt“-Post im Facebook-Auftritt seiner Kneipe veröffentlicht. Darin nimmt er den Verlauf des Weiberfastnacht-Tages einfach vorweg und setzt noch eins drauf, indem er sein Fazit, seinen Frust und seine Kritik an den wahrscheinlichen Geschehnissen mit einer ordentlichen Portion Biss hinzufügt. „Warum nicht einfach vorher erledigen, was ja weitestgehend absehbar ist“, leitet er sein digitales Pamphlet ein.

Wirt schaut sarkastisch in die jecke Glaskugel

Die Kritik, die er äußert, deckt sich in weiten Teilen mit Äußerungen seiner Kollegen in den vergangenen Jahren: Die pünktlich am Donnerstagmorgen einfallenden Massen bereiten den Kneipenteams viel Arbeit, Stress und Ärger, aber wenig Einnahmen. Wer dennoch sein Kneipenangebot an Weiberfastnacht durchzieht, braucht ein dickes Fell oder einen ordentlichen Schluck Frustbewältigungstropfen, oder wie es Markus Vogt ausdrückt: „Das Elend zu verwalten, macht auch Arbeit“, und sich das schön zu trinken, sei dann auch nicht mehr das, was man brauche, um ein sachliches Fazit zu ziehen.

Vogt nennt in seinem Pamphlet die Dinge unverblümt beim Namen: In den ersten Stunden sei die Zülpicher Straße voll mit alkoholmäßig „gut ausgerüsteten Kids“, die Kneipen wie die seine nicht für Getränkbestellungen nutzen, sondern „maximal zum Pinkeln aufsuchen“. Die beschriebenen Maßnahmen der Stadt würden zwar für Entzerrungen der Massen über den Tag bewirken, aber die Kneipen auf der Zülpicher hätten davon herzlich wenig. Ab 12 Uhr sei die „Zülpi“ halb leer.

Erst am Nachmittag gegen 15.30 Uhr, wenn die Zugänge auf der Roonstraße zur Zülpicher und am Barbarossaplatz zur Kyffhäuser Straße wieder geöffnet werden, „fangen die Wirte langsam, ganz langsam wieder an, Geld zu verdienen“. Oder wie Vogt in deftiger Form äußert: „Die ersten sechs bis sieben Stunden waren für'n A...“

Die zusätzliche Bühne auf dem Hohenstaufenring bringt auch nach Meinung von Markus Vogt für die Lage auf der Zülpicher Straße wenig: Die Stadt werde gepflegt ignorieren, dass die zahlreichen Besucher dort nicht aus der Zielgruppe der Uniwiese kamen, sondern letztlich ganz andere Leute vor die Bühne gezogen sind, ist sich Vogt sehr sicher.