Köln – Früher konnten die Kunden der Kölner-Verkehrs Betriebe (KVB) noch belustigt darüber staunen, wenn sie auf Bildern aus Tokyo sahen, wie Fahrgäste in überfüllte U-Bahnen gequetscht wurden. Mittlerweile wissen sie, wie sich das anfühlt. Mag die Corona-Pandemie auch eine Verschnaufpause verordnet haben, die überfüllten KVB-Bahnen kommen wieder. „Natürlich kennen wir den Ist-Zustand und wissen um die Beschwerden unserer Kunden, die sich in überfüllte Bahnen quetschen oder am Bahnsteig stehen bleiben müssen“, heißt es in einer Broschüre der KVB dazu. Nun sollen zwei innovative Projekte dafür sorgen, dass zum einen Engpässe noch im bestehenden Netz beseitigt werden können und zum anderem bereits im Vorfeld geklärt werden kann, dass die neuen Bahnen den Anforderungen in Köln genügen.
Gefangen im Flaschenhals
4, 12, 16, 18. Nein, das sind nicht die Zahlen, die einen Lottogewinn versprechen, sondern die bei KVB-Kunden Platzangst auslösen. Unter anderem auf diesen Linien hat die KVB mit Kapazitätsengpässen zu kämpfen (siehe Grafik). Die 16 ist raus. Hier sollen sich die Probleme erledigen, sobald die Nord-Süd Stadtbahn ausgebaut ist und die 16 innerstädtisch in den Tunnel kommt. Die Flaschenhälse der 4, 12 und 18 will der Betrieb mit einer neuen Technik weiten. Denn neue Linien zu bauen, dauert Jahrzehnte. Parallele Buslinien stehen mit den Autos im Stau.
Bahnen wie ein Bausatz
Das Prinzip klingt kinderleicht: Zwei miteinander durchgangsfrei verbundene Bahnen können mit einem Modul für die Mitte bei Bedarf verlängert werden: 132 Hochflurstadtbahnwagen mit einer Länge von jeweils 30 Metern will die KVB anschaffen. Durch eine sogenannte Schnelltrennstelle können jeweils zwei der Bahnen zu einem durchgängigen 60 Meter langen Zug verbunden werden. Zudem ist die Anschaffung von 34 Zwischenmodulen vorgesehen, durch die die gekoppelten Züge auf 70 Meter verlängert werden können.
Aber warum nicht gleich einfach einen 70 Meter langen Zug? Die KVB will die neuen Bahnen auch auf anderen Linien einsetzen können. Dort haben aber längst nicht alle Bahnsteige die erforderliche Länge. Für die 70 Meter lange Bahn braucht es mindestens einen 60 Meter langen Bahnsteig. Davon gibt es einige im Netz der KVB, aber es gibt auch noch 50 Meter lange Bahnsteige. Zwar können Bahnen deutlich länger sein als die Bahnsteige. Jedoch hat das Grenzen. Die Experten sprechen dann vom „gefangenen Raum“. Das ist der Zuginnenbereich, der von der ersten Tür am Ende der Bahnsteigkante bis zum Bahnkopf reicht. Ihn können Fahrgäste nur in eine Richtung verlassen. Das fühlt sich instinktiv beklemmend an. Der Bereich wird gerne gemieden.
Für die Neuen in die Verlängerung
Doch auch auf den Linien 4, 13 und 18 gibt es noch zu kurze Bahnsteige. 21 der insgesamt 73 Haltestellen müssen verlängert werden. Die Betriebshöfe West und Merheim werden für Langbahnen angepasst. Längere Bahnsteige, neue Züge, das kostet: 580 Millionen Euro. 2029 könnte alles umgesetzt sein.
Einblicke in die Zukunft
Die Linien 4, 12 und 18 sind nicht die einzigen, auf denen die KVB mit Kapazitätsengpässen zu kämpfen haben. Allen voran geht es auf der Linie 1 unter herkömmlichen Bedingungen eng zu. Schon lange ist geplant, dort 90-Meter-Bahnen durch die Kopplung von 60 und 30 Meter langen Wagen fahren zu lassen. Auch dort müssen Bahnsteige entsprechend verlängert werden. Die Bahnen sind bestellt, ihre Ausführung wird gerade geplant. Die KVB ist dabei direkt in den Prozess eingebunden – und nicht nur sie, sondern auch ihre Fahrer und die Behindertenverbände. Und zwar über Brillen, die virtuelle Einblicke geben (VR-Brillen) in die geplanten Züge und über ein Rumpfmodell im Stadtbahnmuseum Thielenbruch.
Auf Tuchfühlung mit den neuen Bahnen
Menschen mit Einschränkungen, die sich für ihre Belange organisieren, und KVB-Mitarbeiter mit Einschränkungen können in dem Modell in Thielebruch unter anderem testen, ob Handgriffe für sie sinnvoll angebracht sind. Ermöglichen die Farbkontraste Menschen mit Sehbehinderungen die Orientierung in der Bahn? Bei der Einschätzung hilft die VR-Brille. Die Modelle sind nur rudimentär und geben nicht farbliche Gestaltungen wieder. Über die Brillen können verschiedene Kontraste virtuell erzeugt werden. Die Kunden können so schon heute die KVB-Bahnen der Zukunft betrachten. So können frühzeitig auch Fehler vermieden werden (siehe nächste Seite).
Der Fahrgast spricht ein Wörtchen mit
Wohl im Februar wird ein zwölf Meter langes und zehn Tonnen schweres Modell in dem Museum aufgebaut, das auch für interessierte Kunden zugänglich sein wird, verspricht die KVB.
Die neuen Bahnen: Rot statt weiß
Erschrocken haben sich dem Vernehmen nach KVB-Vorstandsmitglieder, als sie im vergangenen Dezember die erste von 20 beim Hersteller Bombardier georderten Hochflur-Stadtbahnen gesehen haben. Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks fasste es später gegenüber der Rundschau so zusammen: „Zu weiß.“ Und versprach , das werde sich ändern.
Wie die Rundschau nun erfuhr, ist das geschehen. Bei den ersten ausgelieferten Bahnen, die in Köln erst noch in der Testphase unterwegs sind, wurden die Sitzflächen bereits ausgetauscht. „Sie haben nun rote Sitze“, bestätigt ein KVB-Sprecher. „Damit wollen wir für ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild unserer Fahrzeuge sorgen.“ Die noch zu liefernden Stadtbahnen werden von Anfang an mit roten Sitzen ausgestattet sein.
Die 20 Bahnen hatte die KVB im Rahmen einer Sammelbestellung 2015 zusammen mit der Düsseldorfer Rheinbahn geordert. Die Züge werden deutlich weniger Sitzplätze haben als bisherige Modelle. (ngo)