Von der exotischen Tänzerin zur SpioninMata Haris Karriere begann im Kölner Dom-Hotel

Margaretha Geertruida Zelle, besser bekannt als Mata Hari, konnte betörend tanzen und begann ihr Leben als Doppel-Spionin einst im prächtigen Kölner Dom-Hotel.
Copyright: Archiv/dpa
Köln – Mata Hari war bereits eine weltweite Berühmtheit. Ihr Aufenthalt im Kölner Dom-Hotel im Frühjahr 1916 machte sie zur Legende. Hier wurde aus der verruchten Künstlerin und Kurtisane die berüchtigte Spionin.
Das Pariser Publikum war gewiss nicht prüde, aber was es da um die Jahrhundertwende zu sehen bekam, war sensationell. Zu orientalischer Musik und in exotischem Bühnenbild trat eine dunkelhaarige Schönheit auf. „Ihr dunkler Teint, ihre vollen Lippen und glänzenden Augen zeugen von weit entfernten Landen, von sengender Sonne und tropischem Regen“, schwärmten die Zeitungen. „Sie trug ein durchsichtiges weißes Gewand, und eine sonderbare Spange hielt das Tuch um ihre Hüften zusammen. Die Bewegungen wurden immer heftiger, fieberhafter und hingebungsvoller. Dann entledigte sie sich nacheinander aller Schleier, und schließlich löste sie im Zustand der Verzückung ihren Gürtel und fiel ohnmächtig zu Shivas Füßen nieder.“
Mata Hari: Exotischer Name, exotischer Lebenslauf
Mata Hari heißt auf Malaiisch „Auge des Tages“. So exotisch wie ihr Name las sich auch ihr Lebenslauf. „Ich wurde geboren in der heiligen Stadt Jaffnapatnam“, behauptet Mata Hari im Programmheft einer ihrer Aufführungen. „Mein Vater war ein hoch angesehener Brahmane, meine Mutter eine Tempeltänzerin, die mit 14 Jahren bei meiner Entbindung starb. Aufgewachsen bin ich in der Obhut von Tempelpriestern. Sie weihten mich Shiva, und ich wurde in die Mysterien der Liebe und der göttlichen Verehrung eingeführt.“

Das einst prächtige Dom-Hotel: Hier begann Margaretha Geertruida Zelle, bekannt als Mata Hari, ihre Karriere als Doppel-Spionin.
Copyright: Archiv-Fotos: dpa
Wen kümmerte es, dass Mata Hari eigentlich Margaretha Geertruida Zelle hieß und 1876 in Leuwardeen in den Niederlanden zur Welt gekommen war? 1897 war sie mit ihrem 20 Jahre älteren Ehemann, dem Offizier Rudolf MacLeod, nach Niederländisch-Ostindien gezogen und hatte dort auch Tänze gesehen. Das war’s schon.
Zurück in Europa hatte sich das Ehepaar 1902 getrennt. Margaretha landete in Paris, wo sie sich ein neues Leben erfand. Ganz Europa war von dieser völlig neuartigen Künstlerin begeistert. Pro Abend zahlte man Mata Hari 10 000 Francs. Dazu kamen Einnahmen als Mätresse reicher und mächtiger Persönlichkeiten. Doch mit der Zeit verlor sie an Anziehungskraft. Ihre Auftritte wurden von jüngeren Frauen und besseren Tänzerinnen kopiert. Mata Hari benötigte dringend neue Einnahmequellen für ihren luxuriösen Lebensstil.
Erster Weltkrieg: Geheimdienst macht sich Mata Haris Fähigkeiten zunutze
Da brach 1914 der Erste Weltkrieg aus. Dem Deutschen Geheimdienst kam der Gedanke, dass man sich die Fähigkeiten Mata Haris zunutze machen könnte. Die Tänzerin sprach nicht nur fließend Niederländisch, Deutsch, Französisch und Englisch. Sie teilte auch das Bett mit interessanten Persönlichkeiten, darunter französische Militärs und Politiker. Am 20. März 1916 kam es im Dom-Hotel Köln zum Treffen Mata Haris mit Oberst Walter Nicolai, dem Chef des Deutschen Geheimdienstes.
Dieser war vom Vorschlag seiner Untergebenen, die Tänzerin anzuwerben, keineswegs überzeugt. „Das äußere Auftreten ließ nichts zu wünschen übrig“, gab Nicolai zwar zu, zeigte sich aber unbeeindruckt. „Sie bewohnte mit unserem Geld eine Anzahl Zimmer in Begleitung einer Kammerfrau.“

Ausweisdokumente illustrieren das bewegte Leben von Doppel-Spionin Mata Hari.
Copyright: Archiv-Fotos: dpa
Nicolai wurde von Mata Hari empfangen „in einer Toilette, welche mir zeigte, dass sie wohl meinte, mich ebenso gewinnen zu müssen, wie ihre früheren Geldgeber. Einzelheiten unseres Zusammenseins will ich nicht schildern, kann nur sagen, dass sie in dieser Stunde alle Künste einer ganz großen Kokotte spielen ließ, ein bedauernswerter, gerissener Mensch, ungebildet und dumm. Sie wusste nicht, wer ich war, wusste wohl aber, dass diese Unterredung über ihre Verwendung entscheiden sollte. Sie war enttäuscht, dass sie mich nicht verführen konnte. Letztlich jedoch ließ sich Nicolai überzeugen. Mata Hari wurde in einem einwöchigen Crashkurs zur deutschen Spionin ausgebildet, manche behaupten im Äußeren Festungsring.
Mata Hari spioniert für die Deutsche und die Franzosen
Da trat der französische Geheimdienst an sie heran. Hatte Mata Hari nicht anlässlich eines Gastspiels in Berlin ein Verhältnis mit Kronprinz Wilhelm, dem Sohn des deutschen Kaisers, angefangen? Käme sie wieder an ihn heran? Auch das französische Angebot nahm Mata Hari an. Plötzlich war die Tänzerin als Doppelagentin im Dienst zweier verfeindeter Kriegsmächte. Ob sie wirklich brisante Geheimnisse weiterleitete, ist höchst umstritten.
Schnell jedoch merkten die Franzosen, dass Mata Hari unter dem Decknamen H21 auch bei den Deutschen im Sold stand. Vielleicht war sie sogar überhaupt nur deshalb von französischer Seite angeworben worden, um sie einfacher im Blick behalten zu können. Für die Militärs kam eine Doppelagentin wie gerufen. In der französischen Bevölkerung regte sich gerade Unwille über den Krieg und die enormen Verluste. Nun konnte man behaupten, dass alles besser verlaufen wäre, wenn nicht diese moralisch verkommene Person Geheimnisse verkauft hätte.
Franzosen lassen Mata Hari hinrichten
Mata Hari wurde im 1917 in einem Pariser Luxushotel verhaftet und im Juli nach anderthalbtägigem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Hochverrats verurteilt. Am 15. Oktober 1917, 6.15 Uhr morgens, wurde die 41-Jährige von einem Erschießungskommando hingerichtet.
Das wiederum war für die Kriegspropaganda des Deutschen Reichs ein gefundenes Fressen. Mata Hari sei „Opfer des französischen Kriegswahns“ geworden. Mata Haris Verklärung begann, auf der einen Kriegsseite zum unschuldigen Bauernopfer, auf der anderen zur verschlagenen Superspionin.
Das könnte Sie auch interessieren:
Was die Wahrheit ist? Heute überwiegt die Meinung, dass sie als Sündenbock herhalten musste. „Ich persönlich glaube, dass sie bestimmt sehr gut beobachtet und gemeldet hat, denn sie war eine der klügsten Frauen, die ich je kennengelernt habe“, schreibt andererseits Major Paul von Roepell, der Mata Hari ausgebildet hatte, in einem internen Geheimdienstdokument von 1940: „Spionage zugunsten Deutschlands hat sie bestimmt getrieben, und ich bin der Meinung, dass sie von den Franzosen – leider – zu Recht erschossen wurde...“
Anselm Weyer ist promovierter Germanist, schreibt Architekturführer und beschäftigt sich vielfältig mit der Kölner Stadtgeschichte.