Volle Lager in KölnWie sich bei Justizauktionen Schnäppchen machen lassen
Köln – Die Wurfmesser liegen mit einer Selbstverständlichkeit neben einem aufgeklappten Stempelkissen, als handele es sich um alltägliche Büromaterialien. Der Arbeitsplatz von Dirk Böhle wirkt wie eine Mischung aus Postamt und mafiösem Gemischtwarenlager. In Regalen liegen braune Umschläge und Kartons, aus manchen ragen Schwerter hervor. „Mord verjährt nicht“, sagt er. Böhles Reich ist die Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft Köln.
Für Drogen und Waffen gibt es einen eigenen Raum, extra gut gesichert. Hin und wieder werden die Rauschmittel mit Polizeieskorte zur Vernichtung begleitet. „Einige Waffen nutzt die Polizei für Übungszwecke“, erzählt Böhle. Sein Job ist es aber auch, Diebesware im Internet loszuwerden und die Staatskasse aufzubessern. Was nach halbseidenen Geschäften unter der Ladentheke klingt, ist hochoffiziell. Denn Dirk Böhle ist in Köln verantwortlich für die Internetplattform „justizauktion.de“.
Wer sich durch die Auktionsware klickt, merkt schnell: das Verbrechen ist nicht immer glamourös. Angeboten werden von der Kölner Staatsanwaltschaft „ein paar ungetragene braune Herrenschuhe der Firma Rieker, Größe 42 mit Etikett.“ Das Startgebot von 15 Euro haben sechs Bieter bereits auf 38 Euro getrieben. Für ein Nike-Trikot mit der Aufschrift „Jordan“ wird ebenso ein Besitzer gesucht wie für ein Eau de Toilette von „Gucci“. Und dann sind da noch zehn Drucker, HP Laserjet 600 Modell M 602. Sie gehörten zur Ausstattung der Staatsanwaltschaft. Aber da stehen jetzt neue Modelle.
Zwei Wochen dauert jede Online-Auktion
Jedes Jahr werden allein in Köln Waren im Wert von rund 60.000 Euro versteigert. „Es sind Dinge, die sich keinem Besitzer zuordnen lassen. Denn das mutmaßliche Diebesgut soll nicht an die Beschuldigten gehen“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Manchmal würden die Erlöse auch mit Verfahrenskosten verrechnet, erklärt er. Vor allem, wenn ansonsten der Staat auf den Kosten sitzenbliebe. Zwei Wochen dauert jede Online-Auktion, alles, was mehr als 500 Euro einbringt, muss von den neuen Eigentümern abgeholt werden. „Aus Versicherungsgründen“, sagt Böhle.
Die Auktion ist eine Gemeinschafts-Plattform der Staatsanwaltschaften aus Deutschland und Österreich. Der Zoll betreibt eigene Auktionen. Erst seit 2006 finden die Versteigerungen digital statt, bis dahin konnten Interessenten nur vor Ort bieten. Die Staatsanwaltschaft aus dem rheinland-pfälzischen Grünstadt versucht mit einem Thermomix TM6 die Staatskasse aufzubessern, aus Bayern kommt eine riesige Kreissäge, Startgebot 3500 Euro, und die Kollegen in Stade versuchen einen „Diamantring Christ Solitaire“ mit 585er Gelbgold loszuwerden.
Wert wird von Gutachtern vorab ermittelt
„Schmuck geht immer“, hat Dirk Böhle festgestellt. Mitunter seien sogar Schnäppchen zu machen, allerdings wird der Wert der Stücke immer von Gutachtern ermittelt. Vor einigen Jahren hat die Kölner Staatsanwaltschaft einst eine seltene Luxusuhr von Rolex angeboten – beschlagnahmt von der Wirtschaftsabteilung. Eine Rarität. Das Startgebot von 16 000 Euro wurde mehr als verdoppelt. Letztlich sicherte sich ein Bieter aus Mailand für 34 000 Euro den Zuschlag. Die Uhr kam er mit dem Flugzeug abholen.
Gleich neben der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft befindet sich das Lager des Landgerichts. Hier werden die Auktionen noch klassisch in einem Gerichtssaal durchgeführt. „Vor allem Fahrräder werden hier angeboten“, sagt Böhle, aber auch andere Dinge, für die sich bei der Online-Auktion kein Abnehmer gefunden hat. Das Lager ist voll, denn wegen der Corona-Pandemie konnte dieses Jahr noch keine Versteigerung stattfinden. Nur Autos werden in Köln nicht versteigert. „Es gibt keine Möglichkeit, motorisierte Fahrzeuge hier zu lagern“, sagt Böhle. In anderen Städten werden auch mal beschlagnahmte Autos versteigert. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg versuchte unlängst, einen hochmotorisierten Mercedes AMG GT 63 S loszuwerden. Das Startgebot lag bei 50 000 Euro – ein echtes Schnäppchen. Die Geschichten, die hinter den Asservaten stecken, kennen Dirk Böhle und seine Kollegen nie. „Die Akte kennen wir nicht“, sagt Böhle. Und die Entscheidung, was unter den Hammer kommt, treffen die Dezernenten der einzelnen Abteilungen.
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Regelmäßig werden auch ausgediente Computer der Justizbehörden versteigert. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer beruhigt alle, die nun ein Datenleck vermuten würden. „Die Festplatten werden selbstverständlich vorher ausgebaut“, erklärt er und lächelt. Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg versucht gerade ihre alten Laufwerke von Fujitsu Esprimo P510 loszuwerden. Für 30 Euro. So billig kommt bei der Justiz selten jemand davon.