Weihnachten unter Terrorbedrohung. Die Sicherheitslage in Köln ist ernst. Warum die Gläubigen trotzdem in den Dom kommen und was Kardinal Woelki dazu sagt.
Terroralarm im Dom"Jetzt auf die Messe verzichten? Dann hätten die Terroristen ein Ziel erreicht"
Nach Weihnachten ist vor Silvester. Was normalerweise eine Binsenweisheit ist, beschreibt in diesem Jahr die Sicherheitslage in Köln. Der Dom ist seit vergangenem Samstagabend eine Hochsicherheitszone. Und auch wenn die Polizei sich am zweiten Weihnachtstag noch nicht zu ihrem weiteren Vorgehen äußern will, weil noch zahlreiche Video-Konferenzen und Lagebesprechungen anberaumt seien: Es ist gar nicht anders denkbar, als dass die engmaschige Überwachung der weltberühmten Kathedrale bis ins neue Jahr hinein aufrecht erhalten wird. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, hat eine Splittergruppe der Terrororganisation „Islamischer Staat“ den Dom vor allem im Hinblick auf Silvester ins Visier genommen. Die Terrorandrohung ist so konkret in Ort und Zeit, wie es das für Köln so noch nicht gegeben hat. Deshalb ist das Domkapitel auch schon einen Schritt weiter als die Kölner Polizei: Bis auf weiteres werde der Dom nur zu Messen und Beichten geöffnet, gibt das höchste Gremium der Hohen Domkirche bekannt.
Als der Dompropst die Warnung bekommt, muss er erstmal schlucken
Die schlechte Nachricht kommt wenige Stunden vor der „Frohen Botschaft“. „Ich wurde im Laufe des Samstagnachmittags von der Bedrohung informiert“, sagt Dompropst Guido Assmann zur Rundschau. Und ja, er habe erst einmal kräftig schlucken müssen. Der Dom ganz konkret im Visier von Terroristen und das zu Weihnachten. Wenig später gibt die Kölner Polizei eine Mitteilung heraus – mehr erst einmal nicht. Was fast schon lapidar wirkt, ob des Inhalts. Es gebe einen Sicherheitshinweis für den Dom. Kripochef Michael Esser führt dazu aus: „Auch wenn sich der Hinweis auf Silvester bezieht, werden wir bereits heute Abend alles für die Sicherheit der Dombesucher an Heiligabend in die Wege leiten.“ Es braucht nicht lange, dann liegen erste Medienberichte vor, die konkretisieren, was die Polizei nur andeutet. Neben der Terrorwarnung für den Kölner Dom gab es wohl auch Bedrohungen für den Wiener Stephansdom und für Madrid. Neben kirchlichen Gebäuden sollen auch Vergnügungsstätten genannt worden sein. Ersten Berichten zufolge kam es zu Festnahmen in Österreich und im Saarland.
Von nun an fährt in Köln eine Maschinerie hoch, die selbst in dieser an Sicherheitslagen nicht armen Stadt ihres Gleichen sucht. Während im Dom das Friedenslicht aus Bethlehem leuchtet, bringen sich vor dem Dom Polizeieinheiten aus Köln und Region in Position, um apokalyptische Zustände zu verhindern.
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Nach dem letzten Abendgottesdienst am Samstag wird der Dom geschlossen. Über ein Dutzend Spürhunde durchstreifen stundenlang die Kathedrale. Von der obersten Spitze bis in die Tiefe der Fundamente machen sie sich auf die Suche nach Sprengstoff oder versteckten Waffen. Danach wird das monumentale Bauwerk versiegelt und überwacht. Als am Morgen des Heiligabends der Reigen der Messen beginnt, kann der Dom nur noch durch das Westportal betreten werden. Polizisten in Doppelreihe sichern den Eingang ab. Touristen werden abgewiesen. Gottesdienstbesucher müssen sich im Eingangsbereich einer Visitation unterziehen. Taschen und Rucksäcke dürfen nicht mitgebracht werden. Immer wieder „marschieren“ Gruppen von Einsatzkräften geschlossen in das Gotteshaus, um die Kollegen bei der Visitation abzulösen, oder um am Rande der Gottesdienste die gut besetzten Kirchenbänke im Blick zu behalten.
"Die Engel haben den Hirten zugerufen, fürchtet Euch nicht"
Und die Maschinerie legt noch einen Zahn zu. Am frühen Sonntagnachmittag werden vor dem Dom Drängelgitter in Position gebracht, um des Andrangs zu den großen und beliebten Heiligabend-Messen Herr werden zu können. Fortan kann den Dom nur erreichen, wer eines der beiden Zelte an den Seiten des nun abgezäunten Bereichs durchläuft. In ihnen finden in Zweierreihen die Visitationen der Gottesdienstbesucher statt. Immer wieder kreisen Einsatzwagen um den Dom herum. Nicht nur die Kathedrale, auch ihr Umfeld wird im Blick behalten. Direkt auf der Domplatte stehen rund 20 „Bullis“, mit den Scheinwerfern in Richtung Gotteshaus. Es ist, als ließen nicht nur die Einsatzkräfte, sondern auch noch ihre Einsatzfahrzeuge den Dom fortan nicht mehr aus den Augen.
Lassen sich die Gläubigen von diesem Szenario, von den Wartezeiten und von den Durchsuchungen abschrecken? „Die Engel haben den Hirten zugerufen, fürchtet euch nicht“, antwortet eine ältere Frau auf diese Frage fast schon trotzig und stellt sich in einer Warteschlange an, die sich über die Domplatte schlängelt.
„Es ist schlimm, dass es so weit gekommen ist, aber ich kann es nicht ändern, und ich will versuchen, mich nicht davon beeindrucken zu lassen“, sagt eine weitere Gottesdienstbesucherin zur Rundschau. „Jetzt auf den Besuch der Messe verzichten? Dann hätten die Terroristen doch schon eins ihrer Ziele erreicht“, steuert ein junger Mann bei. Ja, es sei eine bedrückende Situation mit der Polizei vor dem Dom und in der Messe, aber an Heiligabend nicht in den Dom zu gehen, das sei für ihn nicht in Frage gekommen. „So mache ich es doch schon meine Leben lang“, sagt ein Gottesdienstbesucher beim Hinausgehen. Dompropst Assmann bestätigt: „Ich kann nicht feststellen, dass wegen der Umstände deutlich weniger Menschen zu den Messen kommen. Die Gottesdienste sind alle gut besucht.“ Er hatte in einer ersten Mitteilung an die „kölsche Gelassenheit“ appelliert. Der Appell scheint angekommen zu sein.
"Ich danke Ihnen für Ihren Dienst", sagt der Kardinal zu den Polizisten
Normalität so weit wie möglich – so lautet die Parole für die Gottesdienste. „Wir thematisieren die Lage nur in unseren Begrüßungsworten. Man kann ja nicht einfach darüber hinweg gehen. Aber in der Predigt ist das dann kein Thema mehr“, sagt Assmann für sich und die zelebrierenden Priester an diesen Weihnachtstagen. Und so halten es dann auch die Weihbischöfe Rolf Steinhäuser und Ansgar Puff in ihren Messen. Und so hält es auch Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki in der Christmette. „Ich danke Ihnen für Ihren Mut“, wendet er sich an die, die trotz der Bedrohungslage, trotz der Widrigkeiten gekommen sind. Und er richtet auch einige Worte an die Hundertschaften von Polizistinnen und Polizisten, die auf ihr Fest hätten verzichten müssten, um das Fest der anderen abzusichern: „Ich danke Ihnen für Ihren Dienst“, sagt der Kardinal und nimmt dabei die Beamtinnen und Beamten, die im Hintergrund stehen, in den Blick. Auf einigen ihrer Gesichter zeichnet sich ob der persönlich an sie gerichteten Worte ein dankbares Lächeln ab. Aber in nicht wenigen Blicken ist auch Wehmut zu erkennen. Auch der Domdechant Robert Kleine dankt in seiner Messe ausdrücklich den Polizistinnen und Polizisten – und im Dom brandet als „Dankeschön“ tosender Applaus auf. Polizeisprecher Wolfgang Baldes fasst für seine Kolleginnen und Kollegen zusammen, was sie in Kälte und Regen motiviert: „Wenn im hillije Köln unser Dom bedroht wird, dann stehen wir halt parat.“
Der Dom, das Wahrzeichen einer ganzen Stadt, diese Saite schlägt auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker an: „Wir Kölnerinnen und Kölner lassen uns von irren Terroristen nicht einschüchtern. Seit 1248 steht unser Dom stolz im Herzen unserer Stadt und verkörpert auch das Selbstbewusstsein von uns Kölnerinnen und Kölnern.“ Auch sie dankt den Einsatzkräften: „Ich habe vollstes Vertrauen darauf, dass alles unternommen wird, um die Kölnerinnen und Kölner und unseren Dom in den nächsten Tagen zu schützen.“ Und weil in diesem Jahr in Köln auf ein Weihnachten im Ausnahmezustand wohl auch ein Silvester im Ausnahmezustand folgen wird, ergänzt Kölns OB: „Wir stehen im engen Austausch, um zu prüfen, ob wir seitens der Stadt mit Blick auf unsere Kontrollen rund um die Domplatte an Silvester diese Arbeit ebenfalls unterstützen können.“