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„Bringt die Geiseln nach Hause!“Eindrücke aus Kölns israelischer Partnerstadt Tel Aviv-Yafo

Lesezeit 4 Minuten
In Tel Aviv erinnern an der Dizengoffstraße übergroße Teddys an die von der Hamas entführten israelischen Geiseln.

In Tel Aviv erinnern an der Dizengoffstraße übergroße Teddys an die von der Hamas entführten israelischen Geiseln.

Inmitten des Chaos und der Zerstörung, die der jahrelange Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in Tel Aviv hinterlassen hat, gibt es eine ungewöhnliche Oase der Hoffnung.

Einsam sitzt der große weiße Teddybär auf einer Bank in Tel Aviv. Sein weißes Fell ist voller roter Flecken. Seine Augen sind verbunden. Neben ihm hängt ein Foto eines lächelnden jungen Mannes mit seinem Namen und den Jahreszahlen „1998 – 2023“. Der Mann ist einer der rund 1200 Israelis, die bei dem beispiellosen Massaker der palästinensischen Terror-Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 ermordet wurden.

Es sind Anblicke wie dieser, die in der sonst so lebensfrohen israelischen Metropole immer wieder die grauenvollen Ereignisse vergegenwärtigen. „An der Dizengoffstraße im Stadtzentrum sitzen Dutzende solcher Teddys, die an die Opfer des Anschlags erinnern“, erzählt Monika Möller. Sie ist Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Tel Aviv-Yafo. Vor kurzem ist sie wieder einmal nach Tel Aviv gereist – als Zeichen der Solidarität mit Israel in schwierigen Zeiten.

In Tel Aviv stehen auf dem Platz an der Habima übergroße Sanduhren mit der Botschaft „TIME is running out“. Sie erinnern an die von der Hamas entführten israelischen Geiseln.

In Tel Aviv stehen auf dem Platz an der Habima übergroße Sanduhren mit der Botschaft „TIME is running out“. Sie erinnern an die von der Hamas entführten israelischen Geiseln.

Bereits bei der Ankunft wurde deutlich, dass sich das Land im Kriegszustand befindet. „Der Flughafen war gespenstisch leer, die Duty-Free-Shops waren geschlossen.“ Nur sehr wenige Flüge nach Tel Avviv finden derzeit statt, Touristen kommen praktisch gar keine.

Draußen auf den Straßen habe sich der Autoverkehr zwar wie eh und je gestaut, berichtet Möller. Doch die Spuren des Terrors waren allgegenwärtig. „Überall in der Stadt hängen Plakate mit den Fotos und Namen der verschleppten israelischen Geiseln mit dem Aufruf ,Bring them home now!' – Bringt sie jetzt nach Hause! Angehörige der Entführten machen mit berührenden Aktionen auf deren Schicksal aufmerksam Sie legen Blumen ab, stellen Kerzen auf. Viele Israelis hoffen weiterhin, dass sie ihre Angehörigen wiedersehen werden.“

Die Schüler Rita und Emanuel an der ersten zweisprachigen Grundschule in Tel Aviv.

Die Schüler Rita und Emanuel an der ersten zweisprachigen Grundschule in Tel Aviv.

Rund 240 Geiseln hatten Hamas-Terroristen am 7. Oktober aus Israel entführt – Männer, Frauen und Kinder. 105 von ihnen wurden Ende November freigelassen, im Austausch gegen 240 in Israel inhaftierte Palästinenser. Das israelische Militär begann einen Feldzug gegen die Hamas im Gazastreifen, dem nach Angaben der Hamas bisher 25 000 Menschen zum Opfer fielen. Zurzeit befinden sich noch rund 130 Israelis in der Gewalt der Hamas – wie viele von ihnen noch leben, ist unklar.

In Tel Aviv erinnert am Dizengoffplatz eine Stele mit Fotos von Geiseln an die von der Hamas enführten Israelis.

In Tel Aviv erinnert am Dizengoffplatz eine Stele mit Fotos von Geiseln an die von der Hamas enführten Israelis.

Dass den Geiseln die Zeit davonläuft, verdeutlichen in Tel Aviv große Sanduhren auf dem Platz an der Habima. An der Oper erinnert ein langer gedeckter Tisch, an dem niemand sitzt, an die entführten und getöteten Israelis. Doch trotz all der Schrecken, trotz der ständigen Gefahr von Raketenangriffen geht der Alltag in Tel Aviv weiter. „Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, besuchen Cafés und Restaurants, spazieren am Strand“, erzählt Möller. Sie ist beeindruckt von der Gelassenheit und dem Lebensmut der Israelis. „Ich bewundere, wie die Menschen in Tel Aviv das alles verarbeiten.“ In Gesprächen vor Ort habe sie immer wieder Dankbarkeit für die Unterstützung aus Deutschland und aus Köln erfahren.

Die Schüler Rita und Emanuel mit ihrem Lehrer an der ersten zweisprachigen Grundschule in Tel Aviv.

Die Schüler Rita und Emanuel mit ihrem Lehrer an der ersten zweisprachigen Grundschule in Tel Aviv.

Zwar erscheint eine Lösung des Nahost-Konflikts derzeit weiter weg denn je zuvor. Doch in Tel Aviv wird auch mit Kölner Hilfe an der Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern gearbeitet. Auf Initiative von Oberbürgermeister Norbert Burger hatte die Stadt Köln 1988 ihrer Partnerstadt eine Kita geschenkt. Im Kölner Friedenskindergarten „Cologne Day Care Peace Center“ wachsen seit 36 Jahren israelische und arabische Kinder gemeinsam auf. In der Kita wird hebräisch und arabisch gesprochen, beide Sprachen sind gleichberechtigt.

In Tel Aviv erinnert am Platz vor der Oper ein gedeckter Tisch, an dem niemand sitzt, an die von der Hamas enführten Israelis.

In Tel Aviv erinnert am Platz vor der Oper ein gedeckter Tisch, an dem niemand sitzt, an die von der Hamas enführten Israelis.

Aus dem Kreis der Kita-Eltern wurde 2018 die erste zweisprachige Grundschule in Tel Aviv gegründet. Sie heißt „Kul'na Jachad“, was auf Arabisch und Hebräisch „Gemeinschaft“ bedeutet, und wird derzeit von rund 300 Schülern besucht. Darunter sind auch zwei Kinder aus Berlin, Rita und Emanuel, die zurzeit mit ihren Eltern in Tel Aviv leben. „Die beiden haben mir voller Stolz ihre Schule gezeigt“, erzählt Möller. „Hier lernen alle Kinder Arabisch und Hebräisch. Die Schülerschaft setzt sich wie in der Kita etwa zur Hälfte aus arabischen und jüdischen Kindern zusammen. Auch das Lehrerkollegium ist entsprechend gemischt.“

Nach dem 7. Oktober musste die Schule wegen häufigen Raketenbeschusses sechs Wochen schließen. Als danach der Unterricht wieder aufgenommen wurde, gab es erneut Alarm. Mehrfach mussten die Kinder die Schutzräume aufsuchen, die auf jeder Etage des dreistöckigen Schulgebäudes vorhanden sind. Schulleiter Gidi betont: Trotz des andauernden Kriegszustandes würden Araber und Juden in der Schule weiterhin zusammenhalten und sich für Verständigung einsetzen.


Die Städtepartnerschaft

1979 wurde am 6. August die Partnerschaft zwischen Köln und Tel Aviv ins Leben gerufen. Ziel ist, „ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und eine Vertiefung der menschlichen Beziehungen“ zwischen den Bürgern der beiden Städte. Zuvor hatte ab 1960 ein jährlicher Schüleraustausch zwischen Köln und Tel Aviv die Basis für die Zusammenarbeit gelegt. 1995 gründeten Kölner Bürger den Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Tel Aviv-Yafo. Yafo ist die hebräische Bezeichnung für den arabisch-palästinensisch geprägten Stadtteil Jaffa, der seit der Antike besiedelt ist. Der Verein engagiert sich in vielfältiger Weise für den Austausch mit Tel Aviv. Ab 20. Februar wird seine Arbeit in weiteren Videoclips im Internet präsentiert. (fu)