Vicki Tobar ist aus New York angereist, um die Ausstellung „Schalom & Alaaf“ im NS-Dok zu besuchen.
Schau „Schalom & Alaaf“Amerikanerin entdeckt in Kölner NS-Dok die Geschichte ihres Opas
Anfang der 50er-Jahre war Vicki Tobar noch ein kleines Kind. Trotzdem erinnert sich die herzliche Amerikanerin an die regelmäßigen Wochenendbesuche bei ihrem Großvater im New Yorker Stadtteil Washington Heights. „There were always Kaffee and Kuchen“, sagt sie verschmitzt es gab immer Kaffee und Kuchen. Viele aus Deutschland geflüchtete Jüdinnen und Juden bauten sich damals in New York neue Leben auf und ihr Großvater, ein bekannter Kölner Bühnenkünstler und Karnevalist, war mittendrin. „Er hatte immer viele Menschen um sich, es wurde immer viel gelacht.“
Die Enkelin, die heute 72 Jahre alt ist, erzählt dies während ihres Besuchs im Kölner NS-Dokumentationszentrum. Mitten in der aktuellen Ausstellung „Schalom und Alaaf“ in der es um Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval geht und die noch bis Sonntag zu sehen ist hängen sechs große Aufhänger über ihren Großvater. „Ich kam nach Köln, um diese Ausstellung zu sehen“, erklärt die New Yorkerin. „Ich habe vorher Bilder gesehen, aber nicht erwartet, dass es hier so viel über ihn zu sehen gibt. Es ist überwältigend, aber auf eine gute Art.“
Auf den Tafeln sind Fotos ihres Großvaters zu sehen, kurze Texte berichten aus seinem Leben und Wirken im Kölner Karneval und seiner Flucht vor den Nazis in die USA. „Er war der bekannteste jüdische Karnevalskünstler vor 1933“, sagt Aaron Knappstein, Mitkurator der Ausstellung und Präsident des Karnevalsvereins Kölsche Kippa Köpp. Er führt Vicki Tobar persönlich durch die Ausstellung und berichtet zum Beispiel, dass Tobar bereits drei Monate nach seiner Ankunft in New York wieder einen Karnevalsabend auf die Beine stellte. Viele weitere würden folgen, auch während in Europa der Holocaust tobte und die Nazis seine Geschwister und Mutter ermordeten. „Ich habe noch Programmhefte von solchen Abenden, die er geschrieben hat“, erzählt Vicki Tobar.
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Es ist nicht ihr erster Besuch in der Heimat ihres Großvaters. Als Kind war sie schon einmal mit ihren mittlerweile verstorbenen Eltern Theo Tobar und Autilia Audrey in der Domstadt. „Es tut mir leid, dass meine Eltern die Ausstellung nicht mehr sehen können. Sie haben ihn verehrt. Sie hätten das hier sehr gemocht“, sagt sie. Hans David Tobar selbst, der bis 1956 lebte, kehrte nach seiner Emigration nie wieder nach Deutschland zurück.
Als Erwachsene ist es Vicki Tobars dritte Reise nach Köln. Schon zur Verlegung der Stolpersteine für ihre Vorfahren 2019 reiste sie an, auch zu einer Verleihung des Hans-David-Tobar-Preises vor zwei Jahren (beides siehe Kasten). „Ich kam immer, um meinen Großvater zu würdigen“, betont sie. Vor zwei Jahren erlebte sie auch die Sessionseröffnung am Elften Elften. „Das war toll!“
Vicki Tobar hat keine Geschwister und auch keine Kinder, außer ihr trägt niemand mehr den Familiennamen. „Die Tobars enden hier“, sagt die Sozialarbeiterin in Rente. Das künstlerische Gen ihres Großvaters wird trotzdem weiterleben, betont sie: Ihre Cousine Lisa Ho, die auch schon mehrfach in Köln zu Besuch war, hat mehrere Kinder und eines davon ist die Schauspielerin Jackie Geary.
Zur Geschichte
Hans David Tobar wurde 1888 in Köln geboren. Schon als Jugendlicher etablierte er sich auf den Bühnen in Köln und der Region, vor allem im Karneval. Er war unter anderem Schauspieler, Büttenredner, Krätzjesänger und Moderator und schrieb ganze Sitzungsprogramme. Er war Mitglied der Roten Funken, ab 1922 Ehrensenator. Auch beim jüdischen Karnevalsverein Kleiner Kölner Klub, dem Vorgänger der Kölsche Kippa Köpp vun 2017, war er aktiv. Im Ersten Weltkrieg war er Sanitätssoldat. Aus seiner ersten Ehe, mit Ursel Schulames Dyrektorowitsch, entstanden Sohn Theo (1924) und Tochter Lilo (1926).
Die Familie verbrachte die Sommer auf Norderney, wo er die Karnevalsgesellschaft „Zoppejröns“ (Suppengrün) gründete. Mit der Machtübernahme der Nazis wurde er ausgegrenzt und erhielt Auftrittsverbote. Viele Freunde wandten sich von ihm ab. Kurz nach Kriegsbeginn emigrierte die Familie nach New York. Dort ging sein Wirken weiter. Er starb 1956.
Die Kölner Karnevalsgesellschaft StattGarde Colonia Ahoj vergibt seit 2014 in unregelmäßigen Abständen den Hans-David-Tobar-Preis. 2019 verlegte der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine für das Ehepaar Tobar und deren Kinder an der Meister-Gerhard-Straße 5 im Kwartier Latäng. 2023 nahmen die Roten Funken ihn posthum wieder als Mitglied auf, nachdem sie ihn 1923 herausgeworfen hatten, weil er während der Hyperinflation, wie viele andere, seine Mitgliedsbeiträge nicht mehr zahlen konnte.