Ring leer statt Ring freiBesuch im Sportstudio Baaden, das seit November zu hat
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Köln – Normalerweise gehören angestrengtes Stöhnen und dumpfe Schläge zur Soundkulisse, die jeden Besucher des Sportstudios Baaden beim Eintritt in das Gebäude an der Bonner Straße 478 in Marienburg empfängt – ebenso wie der Geruch zahlreicher schwitzender Körper. Geräusche und Gerüche, die Inhaber René Baaden so schon lange nicht mehr wahrgenommen hat.
Stattdessen dominiert, wenn der Baum von einem Mann seine heiligen Hallen betritt, seit Wochen vor allem quälende Stille. Kein lautes Klappern von Gewichten, kein wuseliges Treiben an der Bar im Eingangsbereich, wo Pokale, Medaillen und Fotografien von den Erfolgen der Vergangenheit erzählen.
Selbst die zum Siegesjubel hochgerissenen Arme Sylvester Stallones in seiner Paraderolle als Rocky Balboa auf der USA-Flagge wirken seltsam grotesk, wenn der Ring darunter ungenutzt im großzügig hereinfallenden Sonnenlicht steht. Normalerweise bereiten sich dort unter anderem auch Profis wie Manuel Charr, der amtierende WBA-Weltmeister im Schwergewichtsboxen, auf ihre nächsten Kämpfe vor. Ring leer statt Ring frei heißt es zurzeit jedoch eher.
„Wirtschaftlich schwierigste Phase“ seit das Eröffnung 1976
Wie sämtliche andere Sportstätten ist auch das Sportstudio Baaden wegen der Covid-19-Pandemie – nach einer kurzen Wiedereröffnungsphase im Sommer – seit dem zweiten Lockdown Anfang November zwangsgeschlossen. Eine Situation, die Baaden so langsam aber sicher an den Rand der Existenzbedrohung drängt. Immerhin spült das zweite Standbein der Familie, der Sicherheitsdienst Baaden International Security, noch ein wenig Geld in die Kassen.
Auf jeden Fall ist es „die wirtschaftlich schwierigste Phase“, seit das Sportstudio Baaden 1976 von René Baadens Vater Gustav gegründet worden war. „Damals waren wir eins der ersten Studios in Nordrhein-Westfalen, das Kampfsport und Fitness in dieser Kombination angeboten hat“, erzählt der Sohn, der vor rund zehn Jahren die Leitung gemeinsam mit seiner Frau übernommen hat. Aufgewachsen in diesem Umfeld schaffte es der 54-Jährige zu mehreren Titeln, wurde etwa fünfmal Deutscher und einmal Europameister im Kickboxen. Acht Jahre lang war er Bundestrainer der World Association of Kickboxing Organizations (WAKO).
Als müsste die Notsituation noch extra unterstrichen werden, öffnet der Kampfsporttrainer während des Gesprächs im Büro einen Brief mit offenen Zahlungsforderungen der GEMA, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. „Wir haben seit Monaten geschlossen, welche Musik soll denn hier bitte im Hintergrund laufen?! Als würde es derzeit nicht schon reichen, wenn wir monatlich GEZ-Gebühren zahlen müssen“, ärgert er sich. Dass er bald, möglicherweise bereits schon im März, wieder öffnen darf, daran will Baaden nicht wirklich glauben. Und selbst wenn: Die Probleme würden dadurch nicht von heute auf morgen verschwinden.
Von staatlichen Hilfen kamen nur Bruchteile an
„Die Leute sind natürlich skeptisch und wollen keine Verträge mehr machen, wir leben aber vor allem von den monatlichen Beiträgen, von irgendwas muss ich doch meine Familie ernähren“, erläutert Baaden. Verdenken kann er es aber niemanden, der sich zurzeit von Verträgen in einem Fitnessstudio abwendet. „Wenn du halt die Erfahrung nach dem ersten Lockdown gemacht hast, wie es nach kurzer Öffnung in den zweiten ging, dann ist es echt schwierig, wieder Fuß zu fassen und die Leute zu überzeugen, sich langfristig zu binden.“
Von Online-Kursen und Trainings via Zoom, wie sie andere Sportstudios seit Corona vermehrt anbieten, hält Baaden nicht viel. Stattdessen hat er sich bereits mit einigen Mitgliedern etwa auf Gutschriften geeinigt, um überhaupt Rechnungen begleichen zu können. Teilweise gibt es auch Einzeltraining im Freien – mit Maske und Abstand natürlich. „Wir sind froh, dass wir hier alle ein beinahe schon familiäres Verhältnis untereinander haben, hier kennt jeder jeden, und man hilft sich gerne“, fügt er hinzu. Von den großmündig versprochenen Hilfen des Staates seien nämlich bislang nur Bruchteile angekommen. Wie lange man so noch durchhalten könne? „Ganz ehrlich: keine Ahnung! Ohne das Überbrückungsgeld auf jeden Fall nicht mehr ewig.“
Es gibt vieles, was er derzeit an politischen Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen kann. Eine klare Linie etwa, die den Mittelstand rettet, fehlt René Baaden. „Einkaufen gehen mit Maske, das geht, da steckst du dich angeblich nicht an, obwohl du teilweise dicht gedrängt neben Fremden am Gemüseregal stehst. Im Restaurant oder eben beim Sport unter den Sicherheitsvorkehrungen dann aber schon. Wir alle haben dabei aber unsere Hausaufgaben gemacht und entsprechende Vorkehrungen getroffen, teilweise richtig viel Geld in die Hand genommen.“
So könnte man doch eine begrenzte Anzahl von Besuchern rein lassen, die dann ohne Probleme den nötigen Abstand halten können. Nicht einen positiven Fall gab es im vergangenen Sommer, sagt er. Und überhaupt: „Sport“, so wundert René Baaden sich, „ist doch gesund und sorgte für ein gestärktes Immunsystem – also das, was wir derzeit am meisten brauchen.“