Ramsch, Prostitution, VerelendungEigelstein wird sein Schmuddel-Image nicht los
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Köln – „Ein schweres Thema“, seufzt Angelika Dederichs, wenn man sie auf die Entwicklung des Eigelsteins anspricht. Das Weinhaus Vogel „von 1889“ ist mit dem kölschen Boor so etwas wie die letzte Bastion der urkölschen Tradition. „Richtig Mist, dass jetzt auch Kämpgen weg ist“, meint die Weinhaus-Wirtin zum steten Niedergang des alteingesessenen Einzelhandels.
Die Veränderungen – leider nicht zum Positiven – fielen schon sehr stark auf. „Es kommt nichts Vernünftiges nach, nur noch Ramsch“, beklagt auch Rewe-Geschäftsführer Uwe Ridders: Dönerbuden, Handyläden, Spielhallen, Brautmode und Schmuck für eine vorwiegend türkische Kundschaft.
Dazu die Prostitution. Früher spielte sie sich in den Kneipen ab, heute davor und auf den Bürgersteigen, beobachtet nicht nur Ridders.
Im Gegensatz zu anderen Veedelszentren wie Severinstraße, Venloer Straße oder Neusser Straße, die sich längst im Aufwind befinden, ist es dem Eigelstein bis heute nicht gelungen, sein Schmuddel-Image loszuwerden. Die Prostitution habe sogar wieder zugenommen, meinen Anlieger.
Doch es sind längst nicht nur die „Damen“, die das Erscheinungsbild beeinträchtigen, wenn sie mit Zuhältern oder Kunden Zoff haben und krakeelen, zugedröhnt über die Straße torkeln oder Männer selbst in Begleitung ihrer Ehefrauen ansprechen, wie Dr. Wilhelm Siepe, kommissarischer Vorsitzender vom „Bürgerverein Eigelstein“, berichtet.
Gegröle und Schlägereien gehörten zum Alltag, Eingänge und Torburg-Nischen seien beliebte Pissoirs, und die Bettelei, vor allem von Südosteuropäern, habe massiv zugenommen. Unter Vordächern von Geschäften nächtigen Betrunkene, zerschlagene Bierflaschen, triste, verschmierte Fassaden und illegale Sperrmüll-Halden zeugen von Verwahrlosung der Einkaufsstraße in Bahnhofsnähe. Auch die Ladendiebstähle seien bei ihm mehr geworden, beklagt der Rewe-Chef.
„Schöne Geschäfte“ müssen her
Um den Eigelstein aufzuwerten, müssten dringend ein paar „schöne Geschäfte“ her, für Bekleidung und Schuhe vor allem, meint nicht nur Gastronomin Dederichs, sondern auch die Geschäftsführerin eines Optikers.
Zumindest der Bereich zwischen Torburg und Ebertplatz, sagt Vereinsvorsitzender und Hausarzt Dr. Siepe, habe sich durch den Platz mit ansprechender Gastronomie „gut gemacht“. Den meisten Handlungsbedarf sieht er in der „Anbahnungszone“ zwischen Weidengasse bis zum Bahndamm.
Doch mit mehr Polizeipräsenz ist es aus Sicht des Bürgervereins nicht getan. Die Häuser, so Siepe, seien vorwiegend in der Hand von Eigentümern, die keinen Bezug zum Veedel haben. Das Sagen hätten Erbengemeinschaften und Verwaltungsgesellschaften, die lediglich auf die Renditen schauten und nicht auf das Erscheinungsbild der Straße. Ein Teil der Häuser sei inzwischen in ausländischem Besitz, dementsprechend auch viele Handelsflächen im Erdgeschoss.
Endlich eine Aufwertung erhoffen sich Anwohner, Geschäftsleute und Gastronomen, wenn die Althoff-Gruppe auf dem Gaffel-Gelände, unweit des Luxus-Hotel Savoy, ein weiteres Hotel eröffnet.
Zwischen Agnesviertel und Innenstadt
Auch Gisela Ragge, Geschäftsführerin der Savoy Hotel- und Immobiliengesellschaft, begrüßt das Hotelprojekt uneingeschränkt als Bereicherung: „Ein gutes Hotel hat immer Interesse, dass das Umfeld gepflegt und ordentlich ist.“ Ragge, die bereits mehrere Immobilien am Eigelstein erworben hat, verweist auf das Potenzial der Lage. Einerseits sei der Eigelstein das Tor zum Agnesviertel, andererseits befinde er sich ganz nah an der Innenstadt.
Recht und Ordnung
Polizei und Ordnungsamt sind in Zivil und Uniform am Eigelstein unterwegs, vor allem, um Verstöße gegen die Sperrbezirksverordnung zu ahnen.
Denn: Die Straßenprostitution ist in der Innenstadt, also auch am Eigelstein, verboten. Allgemein bekannt ist, dass am Eigelstein vor allem Prostituierte und Zuhälter aus Bulgarien und Rumänien hochaktiv sind.
Der Nachweis von Verstößen wie das Ansprechen potenzieller Kunden auf der Straße gilt als schwierig. Das Ordnungsamt hat 2016 erst zehn Verwarngelder gegen Prostituierte verhängt. Sie verschwinden in Kneipen, sobald sich Streifen nähern.
Gegenüber 2015 (Januar bis April) verzeichnet die Polizei allerdings einen Anstieg an Straftaten von 254 auf 274, darunter Drogendelikte, Diebstähle und Körperverletzung. Die Beschwerden aus der Bevölkerung seien aber nicht mehr geworden, so die Polizei. Ein offenes Geheimnis ist, dass es viel Kriminalität im Dunkelfeld gibt. (KE)
Der Schlüssel für Veränderungen liege bei den Hauseigentümern. „Man muss mit ihnen ins Gespräch kommen und sie stärker in die Pflicht nehmen.“ Eine solche Aufgabe sei aber ehrenamtlich kaum zu leisten, sagt Ragge mit Hinweis auf den hauptamtlichen Veedels-Manager, der sich für die Severinstraße engagiert hat.
Nach Erweiterung des Savoy zum Eigelstein hin hat die Geschäftsführerin der Immobiliengesellschaft jetzt noch das Gebäude Eigelstein 14 erworben. Es soll nach ihren Worten mit Wohnungen aufgestockt werden und im Erdgeschoss ein Ladenlokal mit attraktivem, grünen Innenhof bekommen. Sie möchte damit auch Vorbild sein, so Ragge, in der Hoffnung, bei anderen Hauseigentümern langsam aber sicher das Bewusstsein für mehr Qualität, mehr Begrünung und damit Aufenthaltsqualität am Eigelstein zu schaffen.