AboAbonnieren

Prozess gestartetFotograf soll Kinder-Fotomodels sexuelle Gewalt angetan haben

Lesezeit 3 Minuten
Prozess gegen Fotografen 310522

Ein 53 Jahre alter Fotograf muss sich vor dem Landgericht wegen Kindesmissbrauchs verantworten.

Köln – Auf den Auslöser eines Fotoapparats zu drücken ist die Profession des Angeklagten. Saal 7 des Kölner Justizzentrums entpuppte sich insofern am Dienstag als verkehrte Welt für den 53-Jährigen.

Denn als der Mann um 9.23 Uhr von zwei Justizwachtmeistern aus dem Zellentrakt im Keller des Gerichtsgebäudes zum Prozess vorgeführt wird, wird er von zahlreichen Pressefotografen und Kamerateams in den Fokus genommen, was er durchaus stoisch über sich ergehen lässt. Bei der Personalienfeststellung durch das Gericht sagt der seit über neun Monaten in Untersuchungshaft sitzende Mann, er sei „freiberuflicher Fotograf und Regisseur“.

Mutmaßlicher Tatzeitraum umfasst fast zwei Jahrzehnte

In Fachkreisen gilt er als Spezialist für Kindermode-Fotos, der ein besonderes Auge für die Komplexität und Widersprüchlichkeit der modernen Kindheit habe. Bilder des 53-Jährigen sind unter anderem im New York Times-Magazine, Life, Vogue, Stern und dem Zeit-Magazin erschienen. Laut Medienberichten soll der Mann auch Fotokampagnen gegen sexuellen Kindesmissbrauch geschossen haben.

Seinen privilegierten Kontakt zu Kindern soll der 53-Jährige aber nahezu zwei Jahrzehnte lang auf kriminelle Weise genutzt haben. Laut Anklage soll er seine minderjährigen Opfer selbst sexuell ausgebeutet haben, so wird es dem Fotografen seit Dienstag vor dem Landgericht vorgeworfen.

Konkret wirft ihm die Staatsanwaltschaft vierfachen sexuellen und zwölffachen schweren sexuellen Missbrauch von sechs Kindern vor. Da die mutmaßlichen Opfer zum Teil geschlafen haben sollen, gilt dies juristisch als Missbrauch Widerstandsunfähiger.

Tatort spannt sich über halben Globus

Als Tatzeitraum benennt die Anklage das Frühjahr 1999 bis Sommer 2017 oder 2018. Opfer, so die Staatsanwaltschaft, seien sechs Jungs unter 14 Jahren, die allesamt als Kindermodels für den 53-Jährigen tätig gewesen seien.

Die Tatorte spannen sich um den halben Globus: Neben einer Penthouse-Wohnung im Stadtteil Sülz, zählt der Staatsanwalt Reisen auf die Malediven, ins „Disney-World“ in Orlando im US-Bundesstaat Florida und nach Gran Canaria auf.

Eine Tat soll sich in einem Hotel in Italien zugetragen haben, als sich der Fotograf mit zwei Kinder-Fotomodels auf dem Weg zu einem Fotoshooting auf der Mittelmeerinsel Sardinien befunden habe. Bei einigen Reisen sollen Mütter der betroffenen Kinder mitgereist sein. Mit ihnen habe der Angeklagte in „familienähnlichen Zusammenschlüssen“ gelebt, sagte der Ankläger.

Bezüge zu Kinderpornografie werden vorgeworfen

Gegenüber seinen mutmaßlichen Opfern habe der Beschuldigte „die Rolle eines erwachsenen Freundes“ oder gar eine „Vaterrolle“ eingenommen und diese dann ausgenutzt.

Ein weiterer Anklagepunkt lautet auf Besitz von Kinderpornografie. Bei einer Hausdurchsuchung im Juni 2021 sollen Ermittler eine kinderpornografische Darstellung auf einem Cloud-Speicher des Angeklagten sichergestellt haben. Im Vergleich zu anderen Prozessen wegen Besitz von Kinderpornografie — bei denen Beschuldigten nicht selten tausende, zehntausende oder gar hunderttausende Videos und Fotos speichern — eine geradezu verschwindend geringe Menge.

Die Verteidigung des Angeklagte erklärte, dass der Mandant sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern werde. In einem Eröffnungsplädoyer warf Verteidiger Prof. Ulrich Sommer der Polizei „Voreingenommenheit“ bei den Ermittlungen vor. So habe ein Beamter in einem Vermerk festgehalten: „Der Beschuldigte ist pädokriminell.“ Die Ermittlungen seien nicht ergebnisoffen geführt worden.

Knapp 30 Verhandlungstage sind terminiert

Ferner sei das Ermittlungsverfahren durch Aussagen von Müttern ehemaliger Kinder-Fotomodels, die mit ihrer Zuneigung beim Angeklagten „abgeblitzt“ seien, ebenso „manipuliert und korrumpiert“ worden, wie von ehemaligen, im Streit ausgeschiedenen Mitarbeitern des 53-Jährigen.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Das Gericht wird in den nächsten Verhandlungstagen sehr viel Arbeit haben“, sagte er. Schon vor Prozessbeginn hatte die Verteidigung auf Nachfrage schriftlich erklärt sie sei „optimistisch“, dem Gericht „die wahren Tatsachen näher bringen zu können“.

Der Prozess ist bis September mit knapp 30 Verhandlungstagen terminiert. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.