AboAbonnieren

PersonalengpässeEltern am Limit – Streik in Kitas schafft zusätzlich Probleme

Lesezeit 4 Minuten
Kita_ dpa Symbol

Symbolbild 

Köln – Irgendwann Anfang März riss die Kette zum ersten Mal vollständig. Ob nun Corona wegen Karneval, ganz normale Erkältungswelle oder sonstige Gründe, müßig darüber zu spekulieren. Fakt ist: Die Kita blieb von einem auf den anderen Tag eine gute Woche lang geschlossen. Seitdem ist kein Regelbetrieb mehr eingekehrt. Nach Möglichkeit später bringen, früher abholen und wenn es irgendwie geht, am besten gar nicht.

Stadt Köln nennt Situation „angespannt“

Wenn dazu noch ein positiver Pool-Test festgestellt wird, bleibt die entsprechende Gruppe zu, bis das Ergebnis der PCR-Tests vorliegt. Dauerzustand seit Wochen.

Das Beispiel aus Nippes steht stellvertretend für viele der knapp 700 Einrichtungen in Köln, seien es die 221 städtischen Kitas oder private. Bei der Stadt versucht man auch gar nicht erst, das Problem klein zu reden. Die Personalsituation in Kölner Kitas sei wie anderswo auch „angespannt“, es fehlt schlicht an Personal. Was dazu führt, dass vereinbarte Leistungen mancherorts kaum noch in vollem Umfang erbracht werden. Wer einen Betreuungsvertrag über 45 Stunden abgeschlossen hat – auch wenn die selten tatsächlich abgerufen werden – wird diese momentan und absehbar nicht überall einlösen können.

Situation zehrt an den Nerven vieler Kölner Eltern

Dabei ist es nicht so, als hätten die Eltern kein Verständnis für die verbliebenen Erzieherinnen und Erzieher, die mittlerweile oft nicht mehr wissen, wohin mit ihren Überstunden. Aber die ständigen Mails „Liebe Eltern, aufgrund von Personalengpässen müssen wir leider...“ zehren an diesem Verständnis. Schließlich müssen berufstätige Eltern ihren Arbeitgebern auch irgendwie erklären, dass gerade mal wieder keine vollständige Betreuung stattfindet und man deshalb früher nach Hause muss. Nach zwei Jahren Pandemie wird auch auf dieser Seite das Stirnrunzeln ausgeprägter.

Mal eben den Nachwuchs bei einem Kita-Freund unterbringen, wenn dessen Eltern Zeit haben, kein Problem. Das grundsätzliche Problem aber bleibt bestehen. Die Stadt versucht gegenzusteuern: So werden etwa Teilzeitkräften kurzfristig – auch von einem Tag auf den anderen – temporäre Stundenerhöhungen für „Springerdienste“ angeboten. In den letzten Jahren wurden in Zusammenarbeit mit den in Köln ansässigen Ausbildungsstätten gut 300 zusätzliche Ausbildungsplätze für Kindertageseinrichtungen geschaffen. Durch die Bereitstellungen von Räumlichkeiten sollen die Ausbildungskapazitäten in Köln weiter „nennenswert“ erhöht werden. Voraussetzung sei dann aber auch die Bereitstellung von ausreichend Lehrpersonal durch das Land, wie die Stadt betont.

Auch hier schlägt der Fachkräftemangel zu

Auch kurzfristige Maßnahmen wie berufsbegleitende Qualifikationen wurden eingerichtet. Die Stadt hat Hauswirtschaftskräfte in den Kitas gefördert, um für Entlastung zu sorgen. Allein: Es reicht nicht. „Der bundesweite Fachkräftemangel trifft die Stadt als Träger von Kindertageseinrichtungen genauso wie andere Träger in Köln auch“, erklärt eine Stadtsprecherin.

Hinter den Kulissen wird ganz offen darüber gesprochen, dass die Situation kurzfristig wohl kaum besser, sondern eher schlechter werde. Eine aktuelle Prognose geht davon aus, dass abhängig vom Ausbauprogramm bis 2025 etwa 1200 bis 1800 Kräfte in Köln fehlen werden. In einigen Stadtteilen ist die Not auch größer als in anderen: Wo viel Homeoffice möglich ist, sind auch die Eltern eher bereit, den Nachwuchs mal zu Hause zu lassen oder früher wieder in Empfang zu nehmen. Wer feste Schichten im Betrieb oder im Außendienst hat, kann sich diesen „Luxus“ nicht leisten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Es ist ein schmaler Grat, keine Risse zwischen Kita-Mitarbeitern und Eltern entstehen zu lassen. Für heute hat Verdi zum dritten Streik innerhalb weniger Wochen aufgerufen, die Eltern müssen erneut ganztägig einspringen. Diesmal im Übrigen am „Girls und Boys Day“. Die städtischen Kitas hatten mit 381 Jugendlichen Termine für ein Praktikum vereinbart, rund 250 mussten abgesagt werden. Der Geduldsfaden fasert aus.

Keine Beitragsreduzierung

Bei dem Streik soll vor allem die Position der Erzieherinnen und Erzieher in den Fokus gerückt werden. Dass diese viel leisten, bestreiten die Eltern keineswegs. Doch auch ihnen geht irgendwann die Luft aus.

Und sie zahlen schließlich auch für die Betreuung. Eine ganze Menge im bundesweiten Vergleich, in Köln kommen ein paar hundert Euro je nach Einkommenslage schnell zusammen. Momentan, so die Stadt, komme eine Beitragsreduzierung allerdings nicht in Betracht. Diese sei erst bei „erheblichem“ Betreuungsausfall gegeben. 2022 sei dies „trotz der sicherlich schwierigen Situation“ noch nicht gegeben.

Kommentar zum Thema: Zu wenig Gegenleistung

Es ist eine verfahrene Lage. Die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas versuchen zu retten, was zu retten ist. Bisweilen mit deutlich mehr Einsatz als sie verpflichtet wären. Andererseits sind auch viele Eltern mittlerweile mit ihren Kräften am Ende. Sie sind auf eine verlässliche Betreuung ihres Nachwuchses angewiesen, und die ist nicht mehr gewährleistet. Nicht jede und jeder hat eine Oma oder einen Opa in der Hinterhand, die Ausfälle kurzfristig kompensieren können.

Wenn sich immer deutlicher zeigt, dass die Personaldecke in den Kitas nicht mehr trägt, ist das ein Systemfehler. Kita-Kinder kommen so wenig überraschend wie Schulkinder. Dazu gibt es Statistiken, Prognosen und Berechnungen für Personal-Schlüssel. Man muss sie aber auch lesen und anwenden. Wenn sich die Lage in den Kommunen so verschärft, dass eine flächendeckende Betreuung gefährdet ist, muss das Land neue Programme auflegen. Gegenseitige Schuldzuweisungen jedenfalls führen nicht weiter. Wer viel Geld für die Betreuung seiner Kinder ausgeben muss, erwartet auch eine entsprechende Gegenleistung. Daran aber hapert es.

koeln@kr-redaktion.de