Offen für VisionenDie Offene Schule Köln feiert zehnten Geburtstag und zieht um
Köln – In unserer Serie „Alles auf Neu“ spricht die Leiterin der Offenen Schule Köln, Vivian Breucker, mit Martina Windrath über Pläne und Herausforderungen.
Sie kommen mit Wanderschuhen zum Interview auf der Schulbaustelle. Neue Wege gehen Sie auch pädagogisch: Die Offene Schule Köln zieht 2022 in diesen Neubau – pünktlich zum 10. Geburtstag der Gesamtschule. Aufgeregt?
Wir freuen uns und sind sehr stolz auf das entstehende neue Schulgebäude hier auf dem Sürther Feld. Dabei achten wir sehr darauf, dass auch die Schülerinnen und Schüler in möglichst vielen Bereichen mitbestimmen. Gemeinsames Lernen an realen Aufgaben ist uns ein großes Anliegen.
OSK setzt auf Miteinander und Vielfalt
Das Offene trägt Ihre Gesamtschule nicht nur im Namen.
Genau. Wir haben hier keine Klassen, sondern Lernlandschaften, ein flexibles Raumsystem mit Clustern. Da haben die jungen Menschen mit überlegt, wie die Räume aufgeteilt werden sollten, in Gemeinschaftsbereiche, Leiseräume für stille Arbeit und solche, wo Lehrkräfte oder Lernende zu besonderen Projekten einladen – und daneben gibt es offene Lehr- und Lernbereiche. In der Möbel-AG entwerfen einige schon neues Mobiliar. Es wird einen großen Theaterraum mit Glasfronten geben, und dort drüben ist die Mensa, in der Schülerinnen und Schüler unter professioneller Begleitung ihr Essen selber kochen.
Die Jugendlichen kochen selbst?
Ja, mit Unterstützung einer Person vom Fach und einer pädagogischen Fachkraft. Das Konzept orientiert sich immer auch an unseren Leitlinien, es entsteht in enger Absprache mit der ganzen professionellen Schulgemeinschaft. Für die Mensa wurde eigens eine schuleigene Firma gegründet.
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Gibt es demnächst öfter Currywurst mit Fritten?
Naja, eine auch ökologisch ausgewogene Lösung ist gefragt. Eigenverantwortlich getroffene Entscheidungen müssen immer mit unserem Bildungsziel abgeglichen werden, auf der Grundlage der Lehrpläne.
Was ist das Bildungsziel?
Ziel ist es, allen an Schule Beteiligten eine Entwicklung zu selbstständigen, kritikfähigen, wertebewussten, verantwortungsvollen, empathischen und medienmündigen Menschen zu ermöglichen. Sie werden darin unterstützt, ein erfülltes nachhaltiges Leben in Gemeinschaft und sozialer Verantwortung zu führen. Die OSK setzt auf Miteinander und Vielfalt, fördert individuell und praxisnah mit dem Ziel, die Kinder zum bestmöglichen Abschluss zu führen.
„Es erfordert auch ein Umdenken von Erwachsenen“
Klingt gut. Aber Sie sind noch nicht am Ziel?!
Die OSK entwickelt sich ständig weiter. Durch die Coronazeit ergab sich zum Beispiel mehr Raum zum Experimentieren mit neuen, digitalen Konzepten. Außerdem möchten wir die Diversität noch weiter ausbauen. Inklusion meint ja nicht allein eine mögliche Behinderung, auch zum Beispiel Sprachbarrieren oder prekäre familiäre Verhältnisse. Wir möchten dazu beitragen, dass Verschiedenheit normal ist. Die Frage ist zum Beispiel, wie wir alle auch im Bereich der gymnasialen Oberstufe noch besser mitnehmen.
Gibt es Hürden, reformpädagogisch neue Wege zu gehen?
Es erfordert auch ein Umdenken von Erwachsenen und Neudenken von herkömmlichen Strukturen. Wir haben in unserer Schulgemeinde andere, bessere Voraussetzungen. Wie motiviert sich Eltern sowie Lehrkräfte, sonderpädagogische Kräfte, Inklusionsbegleiter und Begleiterinnen sowie alle weiteren Beteiligten gemeinsam auf den Weg machen, ist beeindruckend und rührt mich sehr. Wir möchten ermöglichen, neue Wege zu gehen, dazu gehören auch Umwege, man muss sich mal irren können, experimentieren.
Schmaler Grat zwischen Bedürfnissen, Vorgaben und Visionen
Wie sieht das denn ganz praktisch aus?
Wir haben zum Beispiel das Projekt Wannabees. Dort beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler damit, wer sie mal sein möchten. Die einen lernen Japanisch, andere wollen Plastik aus dem Meer fischen und denken darüber nach, wie sie das schaffen können. Da leisten wir Unterstützung, aber die jungen Menschen sind die Treiber. Ein Unterstufenprojekt heißt ,Schule woanders’. Dort können sie etwas außerhalb der Schule machen, was ihnen wichtig ist. Eine möchte ihren Bandauftritt planen, ein anderer wollte gerne seinem Onkel im Dönerladen in Hamburg helfen. Da musste er recherchieren, wie teuer der Weg dorthin ist, was er als Mitarbeiter für Aufgaben hat und so weiter. Da geht es auch um Problemlösungskompetenzen und praktische Erfahrungen. Wir hoffen, dass in Zukunft wieder stärker die Öffnung ins Veedel möglich ist. Wir sind auch in engem Kontakt mit unseren Nachbarn, der Gesamtschule Rodenkirchen und der EMA-Grundschule.
Kommen Sie auch persönlich ihrer pädagogischen Vision näher?
Privat habe ich danach gesucht, meine Vision von einer nachhaltigen Veränderung der Gesellschaft umsetzen zu können. Die OSK gibt mir die Möglichkeit dazu. Hier haben viele Menschen tolle Ideen, das macht die Schule auch so besonders. Die große Vision unseres Oberstufenteams wäre ein Abitur nach finnischem Vorbild mit einem hohen Maß an Inklusivität, das ist aber wegen der engen Vorgaben der Prüfungsordnung noch nicht umsetzbar. Es ist ein schmaler Grat, den Bedürfnissen der Kinder nachzukommen, die Vorgaben zu erfüllen und Visionen zu realisieren. Aber wir bleiben dran – oft ist viel mehr möglich als man manchmal denkt.