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Nicht mehr lustigKann es sein, dass die nächste Karnevalssession ausfällt?

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Der Rosenmontagszug 2020.

  1. So richtig traut es sich noch keiner auszusprechen: Aber kann es sein, dass die nächste Karnevalssession komplett ausfällt?
  2. Das Festkomitee wappnet sich für den Fall der Fälle.

Köln – Der Enthusiasmus war dem Anlass entsprechend groß, als beim Rosenmontagszug auf dem letzten Wagen das Motto für die kommende Session enthüllt wurde. „Nur zesamme sin mer Fastelovend“ soll es ab dem 11. November heißen, wenn die fünfte Jahreszeit anbricht. Das klingt nach alle oder keiner, nach verschworener Gemeinschaft, nach ausschweifenden Partys, gerammelt vollen Kneipen, in denen das Wasser an den Scheiben kondensiert und schunkelnden Massen in den Sitzungssälen. Dann kam Corona. Och, wat wor das fröher schön doch en Colonia.

Am Freitag hat das Festkomitee einen Newsletter an die Karnevalsvereine verschickt, in dem allerlei Szenarien durchgespielt werden, unter anderem auch ein Ausfall des Sitzungskarnevals. „Wir müssen für jede Veranstaltung einen Plan B in der Schublade haben“, empfiehlt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. Das Festkomitee rät den Vereinen, Veranstaltungsstrukturen zu prüfen. „Das ist sinnvoll und notwendig“, so Kuckelkorn. Hinter den Kulissen laufen Gespräche mit den Betreibern der großen Säle, um Ausstiegsszenarien durchzuspielen. Selten haben Vorstände die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ so gründlich gelesen wie dieser Tage.Festkomitee empfiehlt

„Plan B“ für jede Veranstaltung

Bei den Blauen Funken beginnt nach Ostern normalerweise der Vorverkauf für die Sitzungen, Partys und Bälle. „Wir haben die Situation juristisch prüfen lassen und tendieren zu einem normalen Verkaufsbeginn“, sagt Präsident Björn Griesemann. Für den 6. Juni hat das Korps, das sein 150-jähriges Bestehen feiert, einen Biwak mit Musik und Kirmes rund um den Sachsenturm geplant. Eine Absage gibt es noch nicht, doch mit einer Genehmigung durch die Stadt rechnet niemand.

In Düsseldorf hatten die Karnevalisten im Februar einen Wagen gebaut, auf dem das Karnevalsvirus seinem grimmig schauenden Corona-Kollegen frech und siegesgewiss eine lange Nase macht. Wenn sich die Lage entspannt, könnten die Düsseldorfer den Wagen gleich nochmal mitfahren lassen. Doch die Skepsis ist berechtigt. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Karneval nächste Session stattfinden soll“, hatte Sänger Peter Brings Freitag im Rundschau-Interview geäußert. Planbarkeit ist nicht leicht in einer Zeit, in der die Bundesregierung die Lage im Zweiwochen-Rhythmus beurteilt.

Täglich sitzen die Virologen des Landes zur Visite bei Lanz, Maischberger und Illner. Sobald in den Talk-Shows das Thema auf Großveranstaltungen kommt, legen sie die Stirn in tiefe Falten. Fußballspiele? Großkonzerte? Wohl nicht mehr in diesem Jahr, lautet die einhellige Meinung. Nach einer Karnevalssitzung, nach einem Rosenmontagszug hat sich noch niemand getraut zu fragen. Die inzwischen legendäre Kappensitzung aus Heinsberg hat gezeigt, wie dynamisch der Karneval auch epidemiologisch wirken kann – auf erschütternde Weise.

Stunksitzung

55 Veranstaltungen hat die Stunksitzung für die kommende Session geplant. Losgehen soll es schon am 1. Dezember, so früh wie noch nie. Erstmal hatte der Vorverkauf für die Dezembertermine schon während der letzten Session begonnen. Doch nun ist das Interesse erloschen.

Wie in der gesamten Veranstaltungsbranche sei der Kartenverkauf auf Null zurück gegangen, sagt Stunker Winni Rau. Die Hausband „Köbes Underground“ hatte im Sommer rund 20 Konzerte geplant – alle Termine sind abgesagt. Momentan bleibe nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Bei der jecken Revue im Mülheimer E-Werk sind normalerweise rund 1200 Gäste dabei. Viel enger als auf den langen Biertischreihen kann man nicht sitzen.

„Wir stellen uns auf alles ein“, sagt Rau: eine Absage, Aufführungen mit weniger Publikum und eine halbwegs normale Session.25 Darsteller und Musiker gehören zum Stunksitzung-Ensemble, darunter Präsidentin Biggi Wanninger und „Köbes“-Chef Ecki Pieper. Mit Technikern und Bühnenbauern zählen insgesamt 60 bis 100 Personen zum Team. Die Stunksitzung ist als GmbH organisiert. „Auch wenn die Session nicht stattfinden würde, wären wir nicht am Ende“, sagt Rau. „Wir haben kein Geld von Veranstaltungen geplant, die noch nicht stattgefunden haben.“ (mft)

Der 15. Februar gilt heute als Stunde Null des Coronavirus in Deutschland. In dem Örtchen Gangelt saßen damals gut gelaunt 300 Personen zusammen, tranken und feierten und ließen das Virus kräftig mitschunkeln. Im Gürzenich sind es bei einer der großen Sitzungen 1300 Jecke zu Gast. Sollen also wirklich in wenigen Monaten die Viren vom Rheinland aus zentral durch die Republik geschleudert werden?

Beim Karnevalsverein „Unger uns“ sind die Entwürfe für die Sessionsorden bereits fertig. „Normalerweise wird jetzt bestellt, um günstig einkaufen zu können“, sagt Präsident Udo Beyers. Aber noch bleibt die Schublade zu. Soll der Verein ein Sessionsheft drucken lassen? „Wir haben alle Anzeigenkunden angeschrieben und die Entscheidung vertagt“, meint Beyers. Intern habe man für den Sitzungskarneval diverse Szenarien durchgespielt. Was bedeutet ein Ausfall. Was wäre, wenn nur das halbe Kartenkontingent verkauft werden könnte? Würden die Künstler dann auch auf die halbe Gage verzichten?

Mit Schutzmaske zum Zoch?

Karneval ist Maskerade. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass die Menschen allesamt mit Atemschutzmaske am Rosenmontagszug stehen oder mit anderthalb Metern Abstand im Maritim feiern . „Die Verträge für die Sitzungen sind vorigen Sommer abgeschlossen worden. Wir wollen in den kommenden Wochen Gespräche mit dem Festkomitee führen, um für eventuelle Einschränkungen vorbereitet zu sein“, sagt Bernhard Conin, Chef von Kölnkongress. Vorige Session haben knapp 40 Vereine ihre Sitzungen in den fünf großen Sälen des städtischen Tochterunternehmens gefeiert – insgesamt 117 Sitzungen.

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Spätestens zu Sessionsbeginn rollt traditionell die nächste Erkältungswelle durchs Land. Nicht jeder Schnupfen ist Corona, doch in diesen Tagen gilt jedes Husten als verdächtig. „Interessant wird sein, welchen Stellenwert Großveranstaltungen dann bei den Menschen haben“, fragt sich Conin. Schon während der vergangenen Session hat der Verein „Unger uns“ viele Karten für das kommende Jahr verkauft. Aber noch werden Eintrittskarten und Rechnungen nicht an die Käufer verschickt. Die Sorge vor einer Rücksendewelle ist groß.

Beim Festkomitee warten sie nun gespannt auf die Entscheidung, ob das Oktoberfest in München stattfinden darf. Noch im April soll es eine Antwort geben. Es könnte ein Vorentscheid auch für den Karneval sein.Aber Karneval findet nicht nur in den Festsälen statt. „Unsere Aufgabe wird es sein Spaß und Freude zu verbreiten – egal unter welchen Bedingungen“, sagt Björn Griesemann von den Blauen Funken.