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Serie

20 Jahre nach Bombenanschlag in Köln
Warum das NSU-Mahnmal an der Keupstraße auf sich warten lässt

Lesezeit 4 Minuten
Die Visualisierung zeigt den Standort des NSU-Mahnmals (Mitte) auf einem Platz an der Ecke der geplanten Bebauung an der Keupstraße/Schanzenstraße.

Die Visualisierung zeigt den Standort des NSU-Mahnmals (Mitte) auf einem Platz an der Ecke der geplanten Bebauung an der Keupstraße/Schanzenstraße.

Der Berliner Künstler Ulf Aminde hat bereits 2016 ein Mahnmal zum Gedenken an den Anschlag auf der Keupstraße konzipiert. Bis es realisiert wird, werden aber noch Jahre vergehen.

Dass es 20 Jahre nach dem Nagelbombenattentat auf der Keupstraße noch immer kein Mahnmal für die Opfer gibt, mag für Köln beschämend sein. Es habe aber auch sein Gutes, meint Meral Sahin, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße, die nach dem Anschlag gegründet wurde. „Der Prozess zur Schaffung des Mahnmals hat in der Stadt vieles bewirkt. Dass er so lange dauert, hat dazu geführt, dass sich Menschen mit dem Thema auseinandergesetzt haben, die wir sonst nicht erreicht hätten“, betont Sahin.

In der Öffentlichkeit sei die Frage diskutiert worden, „warum das Mahnmal unbedingt an der Keupstraße, Ecke Schanzenstraße stehen muss“. Mit dieser Debatte sei genau über das geredet worden, was die Menschen auf der Keupstraße umtreibt. Nicht nur die Erinnerung an das schreckliche Attentat, das rechtsextremistische Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) am 9. Juni 2004 verübten. Sondern auch die Erinnerung an die entwürdigende Zeit danach.

Um 15.56 Uhr detonierte eine mit rund 800 Zimmermannsnägeln gespickte Bombe vor dem Friseursalon Özcan an der Keupstraße 29. Der Sprengsatz verletzte 22 Menschen, vier davon schwer. Und hinterließ ein kollektives Trauma. Das wurde noch verstärkt durch die Stigmatisierung, die die Menschen auf der Keupstraße danach erfuhren. Dass die Polizei die Täter lange nur in ihren Reihen gesucht und einen rechtsextremen Hintergrund ausgeschlossen hatte, hinterließ tiefe Wunden.

Ständig zu mahnen, bringt uns nicht weiter. Wir wollen Menschen zum Gedenken und zum Nachdenken anregen.
Meral Sahin, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße

Das geplante Mahnmal für die Opfer des NSU soll diesem Umstand Rechnung tragen. Wobei Meral Sahin lieber von einem Denkmal als einem Mahnmal spricht. „Ständig zu mahnen, bringt uns nicht weiter. Wir wollen Menschen zum Gedenken und zum Nachdenken anregen“, sagt sie. Wichtig sei nicht, dass irgendwo ein Denkmal stehe. Sondern, dass am Ende „der Respekt vor den Menschen in der Keupstraße wirklich da ist und sich so etwas nie wiederholt“.

„Virtuelles Haus“ aus Video-Interviews mit Betroffenen

Wie das Mahnmal aussehen wird, wurde 2016 in einem Wettbewerb entschieden. Zehn Künstler gaben Entwürfe ab, die Jury kürte einstimmig das Konzept von Ulf Aminde aus Berlin zum Sieger. Er will auf der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße eine 30 Zentimeter hohe und 24 mal sechs Meter große Betonplatte gießen zu lassen. Sie ist ein Abbild des Fundaments jenes Hauses, vor dem der Sprengsatz detonierte.

Hinzu kommt eine virtuelle Ebene. Über WLAN können Besucher am Gedenkort auf ihren Smartphones Videos zum Thema anzuschauen. In Interviews sprechen Anwohner der Keupstraße über den Anschlag, das Leben im Viertel, ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Dieses „virtuelle Haus“ ist als Projekt gedacht, das stetig weiter ausgebaut wird. Sein Kunstwerk sei „ein Haus, das von Nazis nicht angegriffen werden kann“, hat Ulf Aminde betont. Gemeinsam mit Filmemacher Daniel Poštrak hat er bereits Video-Interviews mit Betroffenen geführt.

Keupstraße

Die Lage des Mahnmals

Die Standortfrage ist für den Künstler nicht verhandelbar. Das Mahnmal habe er eigens für die Ecke Keupstraße/Schanzenstraße konzipiert. „Es kann nur dort stehen“, so Aminde. Denn Teil des Kunstwerks ist, dass es in der Sichtachse zur Keupstraße steht (siehe Grafik) und direkte Blickbeziehungen zum Anschlagsort erlaubt.

Das Beharren auf diesen einen Standort hat die Umsetzung des Mahnmals stark erschwert. Die früheren Eigentümer der Fläche am ehemaligen Mülheimer Güterbahnhof hatten es abgelehnt, das Mahnmal genau hier zu errichten. Sie wollten dort bauen und kritisierten, die Stadt habe ein Mahnmal auf einer Fläche geplant, die ihr nicht gehört.

Stadt kann Fläche auch bei Weiterverkauf für Denkmal nutzen

2021 wurde das 16.000 Quadratmeter große Grundstück an die Düsseldorfer Gentes-Gruppe verkauft, danach kam Bewegung in die Sache. Gentes stellte 2022 einen Bauantrag für ein Wohn- und Geschäftshaus mit 320 Wohnungen und sicherte der Stadt zu, ihr einen 550 Quadratmeter großen Platz für die Errichtung des NSU-Mahnmals zu übertragen. Das soll jedoch erst nach Abschluss der Bauarbeiten geschehen. „Frühestens 2026“ hatte Gentes-Geschäftsführer Michael Kraus vor 16 Monaten gesagt, doch es dürfte wohl eher später werden.

Zwar habe die Stadt die Baugenehmigung inzwischen erteilt, sagte Kraus der Rundschau. Man befinde sich aber noch in Verhandlungen mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks. Dort plant die Nidya GmbH ein Hotel. Gentes und Nidya klagten jeweils gegen die Baugenehmigung des anderen, so Kraus. Ziel sei, dass beide Projekte nebeneinander funktionieren. „Wir wollen eine nachbarrechtliche Vereinbarung schließen.“

Im Veedel kursieren aber auch Gerüchte, Gentes wolle das Grundstück wieder verkaufen. Die Kölner Stadtverwaltung erklärte auf Anfrage, man gehe „weiterhin davon aus, dass der Investor nun in Bälde auch mit Abriss und Bebauung loslegen wird“. Wie bei allen Bauprojekten könne es aber zu Verzögerungen kommen. Für den Fall eines Grundstücksverkaufs habe sich die Stadt im Grundbuch eine „Dienstbarkeit“ eintragen lassen. Das stelle sicher, dass die Stadt die Fläche auch bei Weiterverkauf des Grundstücks für die Errichtung eines Denkmals nutzen kann.

Beim Birlikte-Festival zum 20. Jahrestag am Sonntag, 9. Juni, findet in der Keupstraße 32 von 12 bis 20 Uhr eine Ausstellung zum Mahnmal statt. Hier wird eine Vorabversion des digitalen Teils präsentiert.