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„MiQua“-MuseumKölner Juden waren Teil der Gesellschaft und Opfer von Verfolgung

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Spektakulärer Blick in die Vergangenheit: So soll der Rundgang durch die Geschichte der Kölner Juden im „MiQua“-Museum einmal aussehen.

Dem Kölner an und für sich ist ein gesundes historisches Selbstbewusstsein zu eigen: „Vater, Großvater, Römer“. Auch die jüdische Geschichte Kölns führt bis in die Römerzeit zurück, sie beginnt mit dem berühmten Dekret Kaiser Konstantins im Jahre 321 über die Berufung von Juden in den Stadtrat. Ausgewählte jüdische Einwohner konnten für den Dienst – nötigenfalls zwangsweise – verpflichtet werden.

Aus spektakulären Kölner Ausgrabungen wissen wir von den vielfältigen Handelsbeziehungen Kölns in antiker Zeit. Durch den überregionalen Handel kamen Kaufleute und Handwerker unterschiedlichster Herkunft in die Stadt – darunter dürften auch viele Juden eingewandert und geblieben sein.

Jüdisches Viertel bei Ausgrabungen in den 1950ern freigelegt

Die Kontinuität und Tradition jüdischen Lebens in Köln ist für die folgenden Jahrhunderte schwer zu beurteilen. Wenn berühmte Geschichtsschreiber wie Caesarius von Arles oder Gregor von Tours über jüdische Gemeinden in den gallischen und fränkischen Städten wie Narbonne oder Lyon berichten, können wir davon ausgehen, dass auch in Köln weiterhin Juden Teil der Stadtgesellschaft waren.

Otto Doppelfeld legte mit den sensationellen Ausgrabungen des Rathausplatzes in den 1950er Jahren große Teile des mittelalterlichen jüdischen Viertels frei. Schicht über Schicht liegen dort die Wohnhäuser und Gemeindebauten wie Synagoge, Mikwe oder Tanzhaus über dem römischen Erbe der Stadt. Die erhaltene Monumentalmikwe, das Ritualbad, führte bis in 17 Meter Tiefe, um dem biblischen Gebot, lebendiges Wasser zu nutzen, zu entsprechen.

Im frühen 11. Jahrhundert war die jüdische Ansiedlung wohl bewusst in das Stadtzentrum nahe des Domes und der Märkte erfolgt. Die Ausgrabungen, aber auch die Schreinsbücher aus der Pfarrei St. Laurenz, bezeugen die städtebauliche Entwicklung des Viertels über vier Jahrhunderte. Das Verhältnis zwischen Juden und Christen war durch Gesetze, Privilegien und Schutzbriefe geregelt, die der Kaiser, die Städte und die Erzbischöfe erließen - die Juden hatte dafür in der Regel zu bezahlen.

Bereits vor der Französischen Revolution waren Juden in Köln ohne Rechte

Ähnliche Reglements herrschten bei der Berufswahl: Juden wurde die Mitgliedschaft in Handwerkszünften und Handelsgilden zunehmend verwehrt, während man sie etwa durch die Übertragung des Geldhandelsmonopols in bestimmte Berufszweige drängte. Davon zeugt noch heute das Judenprivileg des Erzbischofs Engelbert II. von Falkenburg im Kölner Dom.

Erstaunlicherweise wohnten auch Christen im Jüdischen Viertel, ebenso wie Juden in der übrigen Stadt. Die jüdische Gemeinde, in deren Viertel im 12. Jahrhundert sogar das Rathaus entstand, wurde zur Verteidigung der Kölner Stadtmauer herangezogen. Transferleistungen gab es auch in der Architektur und Kunst, etwa die Tätigkeit der Dombauhütte am Synagogenbau. Und der mit prachtvollem Buchschmuck verzierte Amsterdam Machsor, der im 13. Jahrhundert in Köln entstand, steht für die Blütezeit des jüdischen Kulturschaffens im aschkenasischen Mittelalter.

Am Rathaus sollten jüdische Bürger nie wieder wohnen

Neben diesen Zeiten des Miteinanders kam es gleichwohl zu dramatischen Verfolgungen. Während des ersten Kreuzzuges im Jahre 1096, noch einschneidender mit den Pestpogromen der Jahre 1348-1350 wurden die jüdischen Ansiedlungen geplündert und regelrechte Massaker verübt. Davon blieb auch Köln nicht verschont. Habgier, Rachsucht und die Ausübung antisemitischer Hetzjagden, zu denen die Topoi der angeblichen Brunnenvergiftungen und Ritualmorde beitrugen, bildeten die Hauptmotive der christlichen Aggressoren.

Dieselben Motive führten in Köln im Jahre 1424 zur endgültigen Ausweisung der Juden. Bis auf Ausnahmen durfte die Stadt nur noch tagsüber gegen Bezahlung und gesonderte Erlaubnis betreten werden. Erst während der französischen Revolution wurden den jüdischen Einwohnern wieder alle Rechte zugesprochen. Ihr ehemaliges Stadtviertel am Rathaus sollten die Juden allerdings nie wieder bewohnen. Die Synagoge war zur Ratskapelle St. Maria in Jerusalem umgewandelt worden, der übrige Besitz verloren. Nun wurden andere Orte in der Stadt belegt, vor allem das Gemeindezentrum in der Glockengasse, wo 1861 die von Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner geplante neue Synagoge errichtet wurde. Später folgten die Synagogen in der St.-Apernstraße und der Roonstraße.

Während der rasanten Entwicklung Kölns zur rheinischen Handels- und Industriemetropole wuchs auch die jüdische Gemeinde – die neue Verfassung von 1871 garantierte bei vollen Bürgerrechten die Aufnahme der jüdischen Bevölkerung in die Stadtgesellschaft und begünstigte den Aufstieg vieler Juden in die Oberschicht. Sie entwickelten ein reiches religiöses und kulturelles Leben, mit eigenem Schulwesen und lebendiger Vereinskultur.

Der Autor und die „MiQua“

Dr. Thomas Otten ist Archäologe und Denkmalpfleger. Der 54-Jährige Bonner schrieb seine Dissertation über Ausgrabungen unter dem Xantener Dom. Er war zunächst Geschäftsführer im Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, dann Referatsleiter für Bodendenkmalschutz und Bodendenkmalpflege im NRW-Ministerium für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung. 2013 wurde er zum Gründungsdirektor des LVR-Museums „MiQua“ (Jüdisches Museum im Archäologischen Quartie Köln) berufen. Die „MiQua“ soll voraussichtlich 2024 fertig werden, die Kosten belaufen sich nach heutiger Schätzung dann wohl auf 95 Millionen Euro.

Bedeutende Kölner Ausstellungen widmeten sich jüdischer Religion, Kunst und Kultur bis in die Gegenwart, etwa im Rahmen der Werkbund-Ausstellung 1914, 1925 die Jahrtausend-Ausstellung und 1928 die Pressa mit einer Jüdischen Sonderschau. Bereits in dieser Zeit kündigte sich aber das dunkle Kapitel des Holocaust auch in Köln an, dem von ehemals etwa 16 000 Einwohnern jüdischer Religion nur wenige entkommen konnten.

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Dr. Thomas Otten ist Archäologe und Denkmalpfleger.

Sie formieren sich nach dem Krieg in einer kleinen neuen Gemeinde; Auftrieb gab ihnen die von Heinrich Böll 1959 initiierte Germania Judaica, die Bibliothek zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums. Zeitgleich wurde die neue Synagoge in der Roonstraße eingeweiht. Weltweite Beachtung fand 1963 die Monumenta Judaica, die „2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein“ präsentierte.

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Diese Geschichte bis zur Gegenwart zu erzählen, das Erstarken der orthodoxen und der liberalen Gemeinden in Köln zu zeigen, wird die Aufgabe des MiQua sein. In Zusammenarbeit mit den anderen Kölner Museen und dem NS-Dokumentationszentrum präsentiert das Museum künftig 1700 Jahre eines bedeutenden Teils des kulturellen Erbes Kölns und rückt diese in das Bewusstsein der Menschen.