Stefan Löcher ist Geschäftsführer der Lanxess-Arena.
Im Interview spricht er über Einnahmeverluste, die Arbeit hinter den Kulissen und Ängste vor Großveranstaltungen.
Er versucht, sich darauf zu konzentrieren, aus der Krise gestärkt hervorzugehen.
Köln – Arena-Chef Stefan Löcher spricht im Interview über Einnahmeverluste, die Arbeit hinter den Kulissen und Ängste vor Großveranstaltungen.
Sitzen Sie noch mit Anzug und Krawatte im Büro oder haben Sie den Dresscode schon gelockert?
Löcher: Ich trage zwar noch Anzug, aber dazu Sportschuhe und keine Krawatte mehr, was untypisch ist. Aber es gibt ja kaum noch Termine. Ich bin noch jeden Tag im Büro und habe noch genauso viel Arbeit wie vor der Corona-Krise. Wir haben hier Einzelbüros geschaffen, viele Mitarbeiter kommen auch noch ins Büro, diese Entscheidung habe ich jedem überlassen. Aber ich muss mich mit unliebsamen Themen beschäftigen, zum Beispiel Gespräche über Kurzarbeit führen. Denn wir haben 450 Mitarbeiter, von denen viele im Gastronomie-Bereich tätig sind. Es gibt Schöneres. Und hier ist der Wahnsinn losgebrochen durch die Verlegung zahlreicher Veranstaltungen. Hier gehen täglich hunderte Mails hin und her, um das zu schaffen.
Eigentümer der Lanxess-Arena und der kleinen Trainingshalle ist seit 2015 die Junson Capital Company Limited aus Hongkong. Zeitgleich hatte ein Kölner Immobilienfonds das Technische Rathaus und ein Parkhaus an die Mirae Asset Global Investments Group aus Südkorea verkauft.
Im weltweiten Vergleich hat die Lanxess-Arena im Jahr 2019 Platz drei der meistbesuchten Hallen erreicht. Rund zwei Millionen Tickets wurden verkauft, der Gesamtumsatz lag bei gut 56 Millionen Euro. Lediglich „The SSE Hydro“ in Glasgow sowie der legendäre New Yorker „Madison Square Garden“ waren noch besser besucht.Die Halle war 1998 eröffnet worden, die Baukosten lagen bei 153 Millionen Euro. (tho)
Und es ist eher nicht anzunehmen, dass die Arena als erstes wieder geöffnet wird, wenn sich die Lage beruhigen sollte.Davon ist auszugehen. Gedanklich befassen wir uns deshalb auch schon mit der Verlegung von Konzerten und Veranstaltungen, die im Mai und Juni geplant sind. So etwas lässt sich nicht ein oder zwei Wochen vorher regeln. Wirtschaftlich ist das für uns dramatisch. Es steigt die Gefahr, dass wir dieses Jahr in die Verlustzone geraten.
Sie haben Fixkosten von 30 Millionen Euro im Jahr zu stemmen. Wie viele Ausfälle können Sie sich noch leisten?
Wenn der Mai wegfällt, wäre das schon der Fall. Dann wird es kriminell. Für uns gilt Ähnliches wie für kleine Betriebe: Vier Wochen lassen sich kompensieren, nach acht Wochen ist der Laden zu. Nun werden wir nicht schließen, aber das lässt sich dann nicht mehr ausgleichen. Wir leiden unter einem behördlich verordneten Totalausfall.
Nennen Sie bitte mal ein Beispiel. Was ist alles nötig, um ein Konzert zu verschieben?
Es gibt Tage im kommenden Jahr, für die drei oder vier Veranstaltungs-Optionen bestehen. Bei internationalen Künstlern gibt es einen vorgegebenen Zeitraum, in dem sie sich in Europa oder in Deutschland aufhalten. Und dann muss ein Termin passen, sonst ist man raus. Wir telefonieren am laufenden Band mit den Tour-Veranstaltern und mit deren örtlichen Agenturen. Für manche Künstler werden verschiedene Tournee-Abläufe geplant – der Plan mit den wenigsten Terminproblemen gewinnt. Es ist ein Verlege-Wahnsinn. Langsam gehen uns auch die Termine aus, denn viele Veranstalter peilen März und April 2021 an, da geraten wir an unsere Grenzen, weil wir auch die Playoff-Termine der Eishockey-Liga freihalten müssen.
Können Sie die Zeit für Renovierungen in der Arena nutzen?
Ja, es tut sich einiges. Wir bauen die Logen um, die Sitze werden weiter ausgetauscht, wir haben eine neue Homepage, einen neuen Online-Shop und ein neues Newsletter-Programm. Wir arbeiten an vielen Projekten.
Sie sind ein Macher-Typ, der eher zwölf als acht Stunden am Tag arbeitet. Wie ist dieser erzwungene Leerlauf für Sie?
Eine gute Frage. Ich habe zwei Tage gebraucht, um zu verarbeiten, dass unser mühsam gebautes Veranstaltungs-Gebilde in sich zusammenfällt. Anfangs wollte ich Flagge zeigen und die Mitarbeiter motivieren, um Ängste zu nehmen. Diese Facette sollte man auch in der Politik oder den Medien nicht unterschätzen. Ängste greifen auch Immunsysteme an. Und: Wirtschaft steht meiner Ansicht nach nicht nur für Profit, sondern auch für Gesundheit und Wohlbefinden. Menschen kommunizieren, Menschen haben ein geregeltes Einkommen. Da muss man die Balance im Auge behalten.
Können Sie selbst denn noch ruhig schlafen?
Grundsätzlich bin ich ein positiver Typ. Elf Jahre lang befanden wir uns am Rande der Insolvenz, das haben wir überstanden. Aber auch ich muss auf mich aufpassen. Nachrichten schaue ich nur noch in der Zusammenfassung. Neben der Zahl der Infizierten würde mich auch mal die Zahl derjenigen interessieren, die Corona überstanden haben und wieder gesund sind. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, dass wir aus der Krise gestärkt hervorgehen. Auch wenn das schwer ist.
Können Sie der Krise persönlich etwas Gutes abgewinnen?
Meine Kinder sind zu Hause, das ist durchaus eine Herausforderung, weil meine Frau auch nicht dauerhaft Homeoffice machen kann. Aber ich genieße die freien Abende, die sonst selten sind. Wir können Spieleabende machen, die Inlineskates anziehen oder gemeinsam einen Film schauen. Das sind sehr schöne Effekte.
Wie lange dauert es, den Arena-Betrieb wieder hochzufahren?
Wir brauchen einen Vorlauf von etwa zwei Wochen. Den Schließungszeitraum muss man im Grunde mal drei oder vier rechnen. Denn momentan werden keine neuen Tourneen geplant. Es ist heftig.
Großveranstaltungen haben momentan den Ruf eines Himmelfahrtskommandos. Haben Sie Sorge, dass sich die Einstellung zu solchen Events grundsätzlich ändern könnte?
Ich hoffe, dass die Menschen vor Freude explodieren, wenn es wieder los geht. Bei einigen Menschen wird unterbewusst sicherlich eine gewisse Verunsicherung hängen bleiben. Aber ich hoffe, dass sich das schnell erledigt.