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Lange Haftstrafen in Kölner Rocker-Prozess„Was dort geschah, war ein Massaker“

Lesezeit 3 Minuten

Wegen der tödlichen Schüsse in einer Rockerkneipe vor Gericht: Die drei Angeklagten beim Prozessauftakt.

Köln – 48 Verhandlungstage, zwei Videovernehmungen von Zeugen im Ausland, LKA-Gutachten über die Strukturen im Rockermilieu und schließlich die Schwierigkeiten eines Großverfahrens mit drei Angeklagten, sechs Verteidigern sowie fünf Nebenklägern samt Anwälten in Zeiten der Corona-Pandemie – der Prozess um die tödlichen Schüsse in der Nippeser Kneipe „No Name“ im November 2015 mit einem Toten und drei schwer Verletzten, er hatte allerhand zu bieten. Am Dienstag sind nun die drei Angeklagten (33, 31 und 34) von der 21. Großen Strafkammer am Landgericht schuldig gesprochen worden. Der 33-Jährigen muss wegen mittäterschaftlichen Mordes für zwölf Jahre ins Gefängnis, der 31-Jährige wegen Beihilfe für neun Jahre. Der 34-Jährige wurde wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

„Das, was dann dort geschah, war ein Massaker“

Laut Urteil waren die beiden jüngeren Angeklagten mit mindestens zwei weiteren Mittätern aus der Führungsriege des „C-Town“-Charters der Rockergruppe Hells Angels „wie ein Rollkommando“ zu einer „Strafaktion“ in die Kneipe eingedrungen. „Das, was dann dort geschah, war ein Massaker. Es gibt kein anderes Wort dafür“, sagte der Vorsitzende Richter Dr. Jörg Bern in der Urteilsbegründung und zitierte die Duden-Definition von „Massaker“: „Das Hinmorden unschuldiger, wehrloser Menschen, ein Blutbad“. Der tödliche Schuss, da war sich das Gericht sicher, war dennoch von keinem der Angeklagten abgefeuert worden. Dafür machte das Gericht die beiden flüchtigen Mittäter aus der Führungsriege der Kölner Hells Angels-Sektion verantwortlich. Entweder habe der Bruder des 33-Jährigen, eine Führungsfigur der damaligen Sektion, den tödlichen Schuss abgefeuert. Der Mann sitzt in der Türkei wegen einer tödlichen Schießerei im Gefängnis und war per Videoschalte ins Gefängnis von Izmir als Zeuge gehört worden. Oder aber der damalige Chef der Hells Angels-Sektion – Richter Bern sprach von „el Presidente“, der nach der Tat vermutlich in der Türkei untergetaucht ist – habe die Schüsse abgefeuert.

Kneipe galt als Hells-Angels-Treff

Hintergrund der Tat war laut Urteil ein Einbruch in die Kneipe des 33-Jährigen, die als Hells Angels-Treff galt. Nachdem eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise auf die Täter ausgelobt worden war, kam der 34-Jährige ins Spiel. Er gab den entscheidenden Tipp auf die mutmaßlichen Einbrecher, die Bekannte und Freunde von ihm waren und mit denen er bis kurz vor der Bluttat noch am Tresen im „No Name“ gesessen hatte. An der Tat selbst war er nicht beteiligt. Dennoch: „Sie haben, weil Ihnen die Dollarzeichen in den Augen standen, Ihre Bekannten und Freunde verraten und verkauft“, sagte Bern zu dem 34-Jährigen. Bereits während des Prozesses hatte der 34-Jährige von Hinterbliebenen der Opfer im Gerichtsflur eine handfeste Abreibung erhalten, die nur durch das Eingreifen von Justizwachtmeistern beendet werden konnte. Trotz der erheblichen Straferwartung von fünfeinhalb Jahren beließ das Gericht den Mann, der erst vor kurzem Vater geworden war, auf freiem Fuß. „Wir glauben, dass Sie was gelernt haben und mannhaft ihre Strafe antreten werden“, sagte Bern.

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Den drei Schwerverletzten, die zum Teil bis heute von den erlittenen Schuss und Schlagverletzungen gezeichnet und beeinträchtigt sind, sprach das Gericht Schmerzensgeld und Schadensersatz zwischen 14 000 und 57 500 Euro zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.