Wildwest-Schießerei in Köln vor Gericht„Ein Zufall, dass es keine Toten gab“
Köln/Hagen – Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob sprach im Januar 2019 von „Wildwest in Köln“ und zeigte sich entsetzt über die monatelangen Machtkämpfe der Rocker, die sie auf den Straßen der Stadt austrugen. Es wurden Schüsse auf Lokale abgefeuert, Führungsmitglieder gingen in der Innenstadt aufeinanderlos und auf einer vielbefahrenen Rheinbrücke wurde ein Auto von einem angeblichen Rockermitglied beschossen. In diesem Fall wurde ein 21-Jähriger von Projektilen getroffen – er hatte aber mit dem Rockermilieu nichts zutun und geriet in die Fehde der Banden. Seit Donnerstag müssen sich nun mutmaßliche Führungsmitglieder in der Rockerszene auf der Anklagebank vor dem Hagener Landgericht verantworten.
Machtposition sollte durch Anschläge ausgebaut werden
Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den Angeklagten unter anderem um den „National Vice-President“ der „Federation West Central“ und den „National Vice-President Europe“. Gemeinsam mit weiteren Angeklagten sollen sie Anfang 2018 beschlossen haben, die Machtposition der „Bandidos“ im Kölner Raum und Ruhrgebiet auszubauen. Dafür seien Waffen organisiert und konkrete Anschlagsziele vorgegeben worden. Eines dieser Ziele war laut Anklage das Fahrzeug eines Mitglieds der „Hells Angels“. Tatsächlich war auf dessen Auto am 8. Dezember 2018 auf der Zoobrücke das Feuer eröffnet worden – doch es war diesmal kein Mitglied der verfeindeten „Hells Angels“ am Steuer. Am Tattag hatte sich ein 21-Jähriger den VW ausgeliehen – er wurde getroffen und lebensgefährlich verletzt. Ein Beifahrer (16) kam bei dem Angriff wie durch ein Wunder ohne Verletzungen davon. Ein Mitglied der „Bandidos“ (27) ist in diesem Zusammenhang bereits vom Landgericht Köln zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
Ein weiterer Attentatsversuch passierte am 4. Januar 2019. Nachdem es bereits am Nachmittag am Kölner Hauptbahnhof zu einer Schießerei zwischen dem Präsidenten des „Bandidos MC Köln“ und einem Mitglied der „Hells Angels“ gekommen war, waren bei einer mutmaßlichen Vergeltungsaktion am selben Abend 14 Schüsse auf die Tür eines Lokals in Buchheim abgegeben worden, das dem Vater eines Mitglieds der „Hells Angels“ gehört haben soll. Kölns Kripochef Stephan Becker sagte im Januar 2019: „Es ist ein glücklicher Zufall, dass es keine Todesopfer gegeben hat“. Bei den Schießereien in der Öffentlichkeit sei das Leben von unbeteiligten Menschen gefährdet worden. Die Gefahr für die Bevölkerung sei den Schützen „völlig egal“, betonte Polizeipräsident Jacob.
Strenge Auflagen beim Prozess
Beim Prozessauftakt, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfand, machten die Angeklagten keine Angaben. Die Verteidiger griffen die Anklageschrift hart an. Im Namen seiner Kollegen warf Verteidiger Lars Brögeler der Staatsanwaltschaft vor, eine „bloße Aneinanderreihung von Vermutungen und Spekulationen“ vorgelegt zu haben, die jeder Grundlage entbehre. Der Prozess ist bis März 2021 terminiert. Vorgesehen sind derzeit 35 Verhandlungstage.