Läden mit GeschichteBehütete Schätze seit Jahrzehnten in Köln
- Pia Diefenthal und Thomas Rüttgers führen das alte Geschäft von Hutmacher Jürgen Eifler weiter.
- In unserer Serie stellen wir Läden mit Geschichte in Köln vor.
Köln – Hutschachteln aus den 1920er Jahren, Zeitungsausschnitte, Nähmaschinen, Holzformen für Hutmacher. „Wir haben alles behalten. Das kann man nicht nachbauen“, sagt Pia Diefenthal (44). Sie führt gemeinsam mit Thomas Rüttgers (47) ein Hutgeschäft an der Kettengasse. Jetzt ist noch ein zweites dazugekommen, nur 300 Meter weiter am Friesenwall 102a. Es ist der ehemalige Laden von Hutmacher Jürgen Eifler, der Anfang des Jahres kurz vor seinem 70. Geburtstag verstorben ist.
„Wir hatten davon gehört“, erzählt Pia Diefenthal. „Wochen später stand plötzlich der Vermieter von Jürgen Eifler bei uns und fragte, ob wir Interesse hätten, Materialien zu kaufen.“
„Hier steckt so viel Hutgeschichte drin“
Die beiden schauten sich das Geschäft von Jürgen Eifler an. Sie nahmen nichts mit. Sie übernahmen den gesamten Laden. „Innerhalb von einer Stunde war klar, wir müssen das einfach machen“, sagt Thomas Rüttgers.
„Hier steckt so viel Hutgeschichte drin“, ergänzt Pia Diefenthal. Drei Monate lang hoben sie die Schätze. Jürgen Eifler hat vieles gesammelt und bewahrt und „er hatte einen sehr erlesenen Geschmack“, sagt Pia Diefenthal. Seit vier Generationen ist ihre Familie in der Hutbranche. Ihr Urgroßvater hat das gleichnamige Unternehmen 1905 gemeinsam mit Geschäftspartnern in Köln gegründet, vor 20 Jahren übernahmen Pia Diefenthal und Thomas Rüttgers.
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Die riesigen Hutschachteln sind auf hohen Regalen verstaut, einige bestehen aus Leder und schützten edle Zylinder oder haben einen Lack-Überzug. Hier und da sind noch Gepäckschildchen aufgeklebt: dreimal Hamburg-Amerika-Linie zum Beispiel
Kuhlen im Boden, wo der Meister stand
Die genauen Daten sind verblasst, aber die alte Schachtel dürfte wohl einer weitgereisten Dame mit einer Vorliebe für ausladende Hüte gehört haben. Wuchtige Musterkoffer wurden ebenfalls mit Aufklebern verziert: Palace Hotel Bruxelles, Palm Beach Hotel Beirut, Hotel el Maghreb Marrakech, Hotel Moskva Beograd – man ist herumgekommen in der Welt, wenn man Hüte dabei hatte.
Thomas Rüttgers hat vorsichtig die abgehängte Decke in den Geschäftsräumen entfernt, die Fußböden aus den 1980er Jahren herausgerissen. Zum Vorschein kamen spektakuläre Stuckverzierungen und der alte hölzerne Dielenboden. Die Verkaufstheke befindet sich offenbar seit Anbeginn an der gleichen Stelle, wie die dunkleren Kuhlen im Fußboden zeigen – sie sind genau dort, wo der Meister immer gestanden haben muss. Lange bevor der Hutmacher Jürgen Eifler in das Haus einzog, war hier schon ein Schuhmacher ansässig: Ein traditionelles Handwerk folgte auf das nächste.
Hutbänder aus den 1950er Jahren
Das Sofa, der Spiegel darüber und die eigene Kollektion sind die einzigen Sachen, die Pia Diefenthal und Thomas Rüttgers mitgebracht haben. Sie führen das Geschäft als Filiale ihres Ladens an der Kettengasse 3, der vor zwei Jahren eröffnet wurde. In der früheren Werkstatt von Jürgen Eifler stapelt sich nun Rohmaterial für Hüte in verschiedensten Formen. In dem „Musterungsbereich“ werden neue Kollektionen erdacht und vorbereitet.
„Die Räume sind sehr inspirierend“, sagt Pia Diefenthal. Auch die Hutbänder, die vermutlich aus den 1950er Jahren stammen und in einer Kommode lagen, kommen nun zum Einsatz. „So etwas wird heute gar nicht mehr hergestellt“, sagt Thomas Rüttgers. Selbst die alten Musterbücher, Bilder, Scheren, Garne und Stecknadeln sind noch da.
80 Arbeitsschritte für einen Filzhut
Der Nebenraum rechts vom Eingang ist und bleibt wie ein Blick in die Vergangenheit. In der Ecke steht ein alter metallener Dämpfer mit Deckel, in dem früher das Material dehnbar gemacht wurde. In den Regalen alte Hutformen aus Holz samt Vorlagen für Krempen: „Eine Kopfbedeckung herzustellen, ist viel komplizierter als zum Beispiel die Herstellung von Bekleidung“, erklärt Pia Diefenthal.
„Alleine für einen Filzhut sind 80 Arbeitsschritte notwendig.“ Dieser Nebenraum wurde wohl schon von Jürgen Eifler komplett als historische Werkstatt eingerichtet und wäre als solche funktionsfähig. Aber Hüte wurden hier schon lange nicht mehr hergestellt.
Das wird wohl auch so bleiben. Diefenthal lässt die Kollektionen für Frauen und Männer nicht in Köln, sondern in verschiedenen europäischen Ländern fertigen. „Eigentlich müsste man hier wirklich ein Museum aufmachen“, überlegt Pia Diefenthal. Vielleicht finde sich eine Modistin, die den Kunden hier das Hutmacher-Handwerk erkläre. „Das zu erhalten, ist etwas sehr Wertvolles.“
Diefenthal 1905, Friesenwall 102a, geöffnet Dienstag und Mittwoch 10 bis 15 Uhr, Donnerstag 14 bis 19 Uhr, Freitag 12 bis 19 Uhr, Samstag 11 bis 19 Uhr, Telefon 0221/95 79 97 85