AboAbonnieren

KrebshilfeKölner Polizist: „Ich weiß, wie der Tod sich anfühlt“

Lesezeit 4 Minuten
Dirk Rohde arbeitet in der Polizeiwache Innenstadt in der Stolkgasse.

Dirk Rohde arbeitet in der Polizeiwache Innenstadt in der Stolkgasse.

Dirk Rohde wird für sein ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Diese zwei Tage wird Dirk Rohde nicht vergessen. Zwei Tage lang überlegte er, wie er sich das Leben nehmen könnte. „Ich wollte, dass die Schmerzen aufhören. Wenn ich damals meine Dienstwaffe zu Hause gehabt hätte, würde ich jetzt hier nicht sitzen“, sagt der 60-Jährige. Er ist froh, noch da zu sein. Heute hilft er selbst Menschen in ihren dunkelsten Tagen. Für sein ehrenamtliches Engagement in der Krebshilfe wird Rohde im November das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Mit einem geschwollenen Lymphknoten fing alles an. 2015 bekam der Kölner Polizeibeamte die Diagnose Zungengrundkrebs, verursacht durch das Humane Papillomvirus (HPV). Was danach folgte, veränderte Rohdes Leben. „Ich habe den Tod gespürt in meiner Therapie. Ich weiß, wie der Tod sich anfühlt, wie der Körper immer schwächer wird“, erinnert er sich an die qualvolle Zeit der Behandlung. Aber Dirk Rohde überlebte.

Zurück in den Polizeidienst

Keine zwei Jahre nach der Diagnose konnte er sogar wieder als Motorradpolizist in der Kölner Innenstadtwache arbeiten. Polizist sei immer sein Traumjob gewesen, erzählt Rhode. Mit 18 ging er auf die Polizeischule, später kurz zum SEK, zur Kripo und dann wieder in den Streifendienst auf dem Motorrad, seit 2006 in der Polizeiwache Innenstadt. Die Kollegen der Dienststelle machten ihm Mut während seiner Krebstherapie, legten ihm eine der neuen blauen Uniformen zurück und sagten: Du schaffst das. „Ich wollte mein altes Leben wieder zurückhaben. Deshalb habe ich ein Jahr lang eisenhart dafür trainiert, wieder fit genug für den Polizeidienst zu werden“, erinnert er sich.

Alles zum Thema Impfung

Und noch etwas wollte er unbedingt: Gutes tun. „Im Krankenbett habe ich zu Gott gebetet und gesagt: Wenn du mich aus der verdammten Nummer hier noch mal rauskommen lässt, verspreche ich dir, werde ich mein Leben ändern, und ich werde Gutes tun.“ Und das tat er. Rohde, von vielen nur „Don“ genannt, gründete in Köln eine Selbsthilfegruppe für den Verein Kopf-Hals-Mund e.V., er rief die Mut machende Facebookseite „Schockdiagnose Krebs und plötzlich ist alles anders“ ins Leben, arbeitet ehrenamtlich als Patientenbetreuer in drei Kölner Krankenhäusern, und bildete sich weiter als „Onkolotse“ und in Partizipativer Gesundheitsforschung.

Wir haben in Deutschland jährlich circa 8000 Neuerkrankungen mit durch HPV-verursachten Krebs. Das wäre vermeidbar, wenn alle die Impfung wahrnehmen würden.
Dirk Rohde

„Ich habe über die Jahre eine große Expertise zum Thema Krebs gewonnen“, sagt Rohde. Er will damit vor allem aufklären über Möglichkeiten der Vorsorge, insbesondere die HPV-Impfung. „Wir haben in Deutschland jährlich circa 8000 Neuerkrankungen mit durch HPV-verursachten Krebs. Das wäre vermeidbar, wenn alle die Impfung wahrnehmen würden.“ Für Vorträge reist er mittlerweile durch die ganze Republik, begleitet Ausstellungen zum Thema und nimmt an Fachkongressen teil.

Im Vordergrund für den 60-Jährigen stehen aber die Menschen. Seit seiner eigenen Erkrankung hat er unzählige Krebskranke in Köln und Umgebung begleitet, spendete Trost, persönlich oder über das Internet. „Ich habe Menschen in Gesprächen davon überzeugen können, sich und das Leben nicht aufzugeben“, sagt der gebürtige Marburger, der in Köln aufgewachsen ist. Besonders engagiert er sich auch für Angehöre von Krebspatienten, darunter auch viele Eltern von zum Teil noch sehr kleinen Kindern, die an Krebs erkrankt sind.

Besuche in Uniform auf der Kinderonkologie

Die ersten Besuche auf der Kinderonkologie seien sehr hart gewesen. „Es ist schwer zu ertragen. Ich habe die ersten Jahre viele Tränen vergossen“, gibt er zu. „Aber dann habe ich gemerkt, was ich den Kindern mit meinen Besuchen geben kann.“ In seiner Polizeiuniform verschenkt er Polizeiteddys, manchmal ist auch sein Motorrad dabei, wie bei den regelmäßigen Besuchen in der Kinderklinik in Maastricht. „Ich kann die Kinder nicht heilen, aber ich kann ihnen eine Freude bereiten, sie ablenken, sie zum Lachen bringen. Und das ist schon wahnsinnig viel.“

Manche Bilder bekommt er dennoch nicht aus seinem Kopf. Etwa das Kleinkind am Medikamententropf, das mit dem Bobbycar über den Flur der Kinderonkologie fährt. Oder die zwei Geschwister, die nebeneinander am Grab ihrer Mutter stehen, die gerade an einem Tumor gestorben ist. „Ich habe mich dennoch aus vollem Herzen für dieses Ehrenamt entschieden“, sagt Rohde. Vorgeschlagen für die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlands - auch Bundesverdienstkreuz genannt - hat ihn ein Kölner Arzt bereits 2020. Nach vier Jahren Prüfzeit wird ihm die Auszeichnung nun am 19. November von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Historischen Rathaus verliehen. Stolz macht Rohde, dass ihn dabei auch Vertreter der Kölner Polizeiführung begleiten werden. „Die Kollegen stehen hinter mir.“