KommentarAbsage des klassischen Karnevals ist nur eine halbe Vollbremsung
Köln – Die logische und alternativlose Absage des klassischen Sitzungskarnevals ist nur eine halbe Vollbremsung. Für viele Karnevalsvereine ist sie das Startsignal für eine ungewöhnliche Session mit neuen, pandemie-tauglichen Veranstaltungsformaten. Ohne Bützjer, ohne kontaktfreudiges Schunkeln, ohne ausgelassenes Tanzen und Singen. Die Frage wird sein, wer diesen weitestgehend emotionsabsorbierten Karneval feiern will.
Von Krisen der Weltgeschichte hat sich der Karneval noch nie beeindrucken lassen. Im kriegszerstörten Köln lechzten die Menschen Ende der 1940er Jahre nach Ablenkung und sorgten für überfüllte Säle. Als der Rosenmontagszug 1991 wegen des Irak-Kriegs abgesagt worden war, formierte sich ein bunter Demonstrationszug – die Initialzündung für den Geisterzug, den es bis heute gibt. Wenn die Verantwortlichen gebetsmühlenartig betonen, den Karneval könne man nicht absagen, haben sie recht. Denn Karneval bedeutet im Rheinland eher einen tief in der Seele verankerten Lebenszustand als eine Veranstaltung, die stattfindet oder abgesagt wird.
Eine Chance, sich neu zu erfinden
Auch wenn der Karneval oft stolz auf seine anarchischen Wurzeln ist, müssen Stadt und Polizei zum Sessionsauftakt gemeinsam dafür sorgen, dass Köln nicht zum Sammelbecken von Feierwilligen aus der ganzen Republik wird. Für den organisierten Karneval bietet die Krise die Chance, sich neu zu erfinden und und kreative Formen des Feierns und Zusammenseins zu entwickeln. Nicht selten haben solche Notlösungen dann überlebt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Den Karnevalshochburgen steht in jedem Fall eine historische Session bevor. Das Stadtmuseum plant bereits eine Fotodokumentation, um die einschneidendsten Auswirkungen der Pandemie auf den Karneval festzuhalten. Dieser leicht kitschig-romantische Aspekt der Krise soll nicht den Karneval als Wirtschaftsfaktor vergessen. Bierbrauer, Künstler und Veranstalter werden erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Für sie gibt es keinen Plan B.