Im Rückblick spricht Henriette Reker auch Enttäuschungen an, die sie in ihren zwei Amtszeiten erleben musste. Sorge macht ihr die Finanzlage der Stadt.
Kölns Oberbürgermeisterin„Die KVB ist in Köln wirklich ein großes Sorgenkind“
Ihre zweite Amtszeit nähert sich dem Ende. Werden Sie noch ein drittes Mal antreten?
Es war immer mein Plan, zwei Amtszeiten zu machen - und dabei wird es auch bleiben. Die großen Parteien haben nun ihre Kandidaten benannt. Respektable Persönlichkeiten für Köln. Deshalb bleibe ich bei meinem Plan, nicht wieder zu kandidieren.
Fällt Ihnen das leicht?
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Meine Lebensvorstellung war immer, nicht so lange im Amt zu bleiben, bis die Anderen einen nicht mehr sehen können, oder man selbst nicht mehr so leistungsfähig ist, wie es das Amt erfordert. Aber ich bin ja Lokalpatriotin und werde sicherlich in dieser Stadt andere Aufgaben finden. Davon bin ich fest überzeugt.
Es gibt aktuell viele Krisen in der Stadt. Welche davon wollen sie jetzt noch anpacken?
Ein Grund dafür, warum ich mir so lange Zeit gelassen habe bei der Entscheidung, ob ich nochmals kandidiere, war die Haushaltssituation der Stadt. Ein Thema, das mich sehr bewegt. Wir leben in einer Zeit multipler Krisen, die uns auch finanziell belasten. Darum habe ich immer massiv darauf hingewiesen, dass wir uns nicht mehr alles leisten können. Die Corona-Krise, die Baukostensteigerungen, die Tariferhöhungen: Das sind alles Entwicklungen, die steckt eine Stadt finanziell nicht so einfach weg. Das hat dazu geführt, dass wir den Haushalt nicht wie ja inzwischen üblich so rechtzeitig einbringen konnten, dass wir am 1. Januar einen gültigen Haushalt hatten. Den Krisen entsprechend weist er tiefe Einschnitte auf, zum Beispiel bei der Förderung von Projekten und Trägern. Die Politik hat zwar noch umgeschichtet. Rund 0,2 Prozent des Etats hat sie anders verteilt, als von der Kämmerei vorgeschlagen. Das ist ihr gutes Recht, auch wenn das zulasten der gesundheitlichen Versorgung geht.
Reicht das, was jetzt passiert ist, um den Haushalt zu stabilisieren?
Es wird eine krisenhafte Finanzsituation bleiben. Es sei denn, es wird endlich eine unbedingt notwendige Reform der Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen erfolgen. Aber bisher wurden wir nur mit immer weiteren Aufgaben bedacht. Sehr viele Städte in Nordrhein-Westfalen müssen mittlerweile ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen. Für Köln wollte ich das unbedingt verhindern. Das kann gelingen.
Dabei ist die Stadt Köln doch gar nicht arm. Sie kontrolliert einen riesigen Konzern, unter anderem Europas größte Binnenrederei, eine Telefongesellschaft die bis Rheinland-Pfalz aktiv ist. Könnte man Teile davon nicht zu Geld machen?
Man kann nicht sagen, der Pleitegeier sei hier gelandet. Deshalb ist es in Köln auch nicht politisch umsetzbar, das Tafelsilber zu verkaufen.
Ist der Haushalt trotz der ganzen Einschnitte sozial gerecht und ausgewogen?
Sie dürfen davon ausgehen, dass ich als ehemalige Sozialdezernentin nicht ohne Not bei denen spare, denen es am schlechtesten geht. Aber es sind auch weiterhin Anstrengungen nötig, um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu behalten. In der Debatte darüber ist es sehr schwer, den Menschen den Unterschied zwischen konsumtiven und investiven Aufgaben zu verdeutlichen. Eine meiner größten Enttäuschung in meiner Amtszeit ist natürlich die Bühnenbaustelle. Und vor dem Hintergrund des Spardrucks ist es den Bürgerinnen und Bürgern schwer zu vermitteln, dass wir hier immer mehr investieren müssen, während wir an anderer Stelle sparen.
Auf der einen Seite reden wir über Kürzungen bei Ausstattungen für Kulturfestivals. Auf der anderen sollen nun zwei neue Fußgänger- und Fahrradbrücken über den Rhein geplant werden. Sind Projekte wie diese Brücken in der jetzigen Phase wirklich notwendig?
Die Entscheidung darüber wird die Politik treffen. Wir müssten die Brücken als Stadt bei weitem nicht alleine bezahlen, sondern bekämen Fördergelder. Wir sind gerade auf dem Weg dahin zu verstehen, was die Haushaltslage und die Entwicklung der unvermeidbaren Ausgaben für Köln bedeuten. Ich glaube nicht, dass das Ausmaß der dramatischen Lage schon jeder und jedem klar ist. Vielleicht will man es auch noch nicht sehen.
Ein Thema, bei dem es für viele Bürgerinnen und Bürger offensichtlich ist, dass Köln in der Krise steckt, ist der öffentliche Nahverkehr. Bei den KVB sind in 2024 rund 122.000 Fahrten ausgefallen. Der Vorstand wirkt kopf- und ratlos. Was muss aus ihrer Sicht passieren?
Die KVB ist wirklich ein großes Sorgenkind. Ich habe mich schon, als ich noch nicht Oberbürgermeisterin war, darüber gewundert, dass sich die KVB im Stadtwerkekonzern dadurch ausgezeichnet hat, Defizite auszuweisen, die so niedrig wie möglich waren. Dabei geht es doch darum, in die die Mobilitätswende zu investieren. Damit hat das Unternehmen zu spät begonnen. Dazu kommt der Mangel an Fahrerinnen und Fahrern.
Haben Sie denn wenigstens den Eindruck, dass es eine Wende zum Besseren bei den KVB gibt?
Ja, ich glaube, der Ernst der Stunde wurde erkannt. Ich kann nur hoffen, dass im Aufsichtsrat die Einsicht gewachsen ist, die Probleme anders anzugehen.
Sie führen äußere Umstände für den Zustand der KVB an: Investitionsstau und Fahrermangel. Sehen Sie auch Defizite in der Struktur des Betriebs?
Ja. Ich erwarte von dem Management Anstrengungen zur Überwindung der Krise.
Ein Projekt, um die KVB flottzumachen, ist die Ost-West-Achse. Seit dem Antrag, eine Variante für eine oberirdische Ertüchtigung und für einen Stadtbahntunnel zu erarbeiten, sind nun über sechs Jahre ohne eine Entscheidung vergangenen. Hätte nicht schon längst beschlossen werden müssen?
Es könnte sein, dass es nun eine Mehrheit für eine Lösung gibt.
Sie haben sich bereits enttäuscht gezeigt über den Verlauf der Bühnensanierung. Trauen Sie sich mittlerweile, einen Tag der Fertigstellung zu nennen?
Der Fertigstellung ja, der Eröffnung nicht.
Wann sind die Bühnen fertig gestellt?
Ende des Jahres. Ich hoffe es sehr, dass ich das noch im Amt erlebe. Aber ich werde es nicht darauf anlegen. Wie gesagt: Ich bin über den Verlauf sehr enttäuscht. Ich habe zu lange darauf vertraut, dass Zeitpläne eingehalten werden. Ich habe mit den Verantwortlichen gesprochen, ich habe den Verwaltungsvorstand einbezogen – und dann ging es doch wieder schief.
Was macht sie hoffnungsfroh, dass es unter dem jetzigen Projektmanager Jürgen Volm besser läuft?
Ich habe Professor Volm sehr deutlich gefragt: Warum soll ich Ihnen jetzt glauben? Auf der Opernbaustelle habe ich gesehen, wie methodisch, wie strukturiert er vorgeht. Damit hat er mich überzeugt.
Die nächste Kulturbaustelle steht vor der Tür: Das Wallraf-Richartz-Museum muss 2026 für 18 Monate schließen. Man hat bald das Gefühl, dass in Köln mehr Museen geschlossen als geöffnet sind.
Es ist tatsächlich eine schwierige Situation für die Museen. Allerdings können wir die Lage beispielsweise des Römisch-Germanischen Museums nicht mit der des Wallraf-Richartz-Museums vergleichen. Das Römisch-Germanische mussten wir schließen, weil wir sonst keine Betriebserlaubnis mehr bekommen hätten. Diese Schließung ist sozusagen verordnet worden. Beim Wallraf entscheiden wir im Rahmen unseres Instandsetzungsplans selber über den Zeitpunkt einer Schließung. Das ist nicht schön, aber nicht zu ändern. Auch andere Museen in anderen Städten müssen instandgesetzt werden.
Haben Sie denn auch hier das Vertrauen, dass der Zeitplan eingehalten wird?
Ich bin überzeugt davon, dass Professor Volm auch beim Wallraf-Richartz-Museum als Projektmanager die nötige Struktur schafft und Erfahrung mitbringt. Jedem ist bewusst, dass die Schließung nur so kurz wie möglich andauern darf. Aber ich habe gelernt, keine konkreten Fertigstellungstermine mehr zu benennen.
Inwieweit ist die von Ihnen angestoßene Verwaltungsreform abgeschlossen?
Die Verwaltung ist jetzt gut aufgestellt. Es war meine Motivation, den Zustand der Verwaltung, wie ich sie als Sozialdezernentin kennen gelernt hatte, nicht mehr hinzunehmen. Hier haben sich mittlerweile viele Strukturen verändert. Mit Krisen wie der Corona-Pandemie sind wir auch deshalb so gut fertig geworden, weil die Verwaltung nach der Reform gut funktioniert. Wir arbeiten heute ganz anders als vor der Reform – viel effizienter und vor allem auch serviceorientierter.
Für den Brüsseler Platz gilt ab dem kommenden Monat ein Verweilverbot. Wie sehr schmerzt es Sie, so etwas verordnen zu müssen?
Ich finde das ausgesprochen schwierig. Aber wir folgen hier dem Urteilsspruch des Oberverwaltungsgerichtes. Ich will keine Gerichtsschelte betreiben, dennoch glaube ich, die Richter haben gar keine Vorstellung von den Realitäten am Brüsseler Platz. Ich war schon ein dutzendmal dort und habe mir die Situation angeschaut. Die Menschen treffen sich dort einfach und unterhalten sich. Dass dabei eine Geräuschkulisse entsteht, die für die Anwohner problematisch ist, ist vollkommen klar.
Ab wann verweile ich dort?
Wenn Sie sich nicht mehr bewegen. Also bleiben Sie bitte immer in Bewegung, wenn Sie den Brüsseler Platz passieren (lacht). Die Ordnungsdezernentin Andrea Blome hat aber zugesichert, dass sie den Platz nicht mit Brachialgewalt räumen lassen wird.
Wir erleben eine bundesweite Debatte in der Migrationspolitik. Eine Politik, die letztlich auf den Schultern der Kommune lastet. Kommt Köln bei der Aufnahme von Flüchtigen an Grenzen?
Ja, es muss sich etwas verändern. Wir müssen Wege finden, den Zuzug zu begrenzen. Alleine schon um denen, die hier leben, die Integration zu ermöglichen. Köln ist da am Limit angekommen, auch wenn die Flüchtlingshilfe in dieser Stadt verhältnismäßig gut läuft. Da passiert unheimlich viel ehrenamtlich. Ohne dieses Engagement würde es gar nicht funktionieren. Meine Meinung zur Migrationspolitik hat sich seit 2015 dennoch etwas verändert. Das Asylrecht ist für mich nach wie vor nicht infrage zu stellen. Aber ich sage auch: Wenn wir Menschen aufnehmen, die hier Schutz suchen, dann erwarte ich, dass sie die Regeln einhalten. Und wenn sie Straftaten begehen – da rede ich nicht nur von schweren Straftaten – dann müssen sie ausreisen.
Wir haben kürzlich ein Interview mit dem Kölner Polizeipräsidenten Johannes Hermanns geführt. Er warnte vor eine Crack-Schwämme in Köln und forderte bauliche Veränderungen am Ebertplatz, wo diese Droge vermehrt gehandelt und konsumiert werde. Als der ehemalige Kölner Stadtdirektor Stephan Keller 2017 forderte, die dunklen Zugänge zu dem Platz zuzumauern, haben Sie widersprochen. Sehen Sie das mittlerweile anders?
Bauliche Veränderungen und Zumauern sind zwei verschiedene Dinge. Ich wollte damals für eine Übergangszeit die Belebung des Platzes realisieren, um ihn durch soziale Kontrolle sicherer zu machen. Solange, bis Pläne für eine ebenerdige Platzgestaltung vorliegen. Dann gab es Stimmen, der Platz im Stil des Brutalismus müsse erhalten bleiben. Die Politik richtete ein Begleitgremium ein. So wurde die Planung um Jahre verzögert. In diesen Jahren ist der gesellschaftliche Wandel vorangeschritten. Es sollte uns nun gelingen, Teile des Gesamtplanes vorzuziehen, so dass wir den oberen Bereich des Platzes vergrößern und den unteren verkleinern können. Wir werden dazu in Kürze eine Planung vorlegen. Dass es so, wie es am Ebertplatz jetzt ist, nicht bleiben kann, sehen mittlerweile hoffentlich alle ein.