Die Berufung nach Köln empfindet Professor Ansgar Thiel als „große Ehre“. Der Sportsoziologe wünscht sich einen größeren gesellschaftlichen Stellenwert von Sport und Bewegung.
„Rolle des Sports stärken“Das ist Kölns neuer Rektor an der Sporthochschule
Der Tag von Professor Ansgar Thiel beginnt jeden Morgen früh um sechs Uhr. 35 Minuten Laufen und Workout mit Liegestütz stehen auf seinem Programm, bevor er zur Arbeit fährt. Nicht mit dem Auto, sondern mit dem Rad. Bei jedem Wetter. Das hält der Sport- und Gesundheitssoziologe an seinem jetzigen Wohnort in Tübingen so - und das wird auch in Köln an seiner neuen Wirkungsstätte so bleiben.
„Das Auto haben wir als Familie bereits 2004 abgeschafft, auch aus ökologischen Gründen“, sagt der designierte neue Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln, derzeit noch Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität in Tübingen.
Ansgar Thiel führt ein bewegtes Leben. Er war schon als Kind am liebsten in Aktion und ein Teamplayer. „Sport gehörte immer wie selbstverständlich dazu“, sagt der 60-Jährige, der sich in Jeans und Shirt wohler fühlt als im Anzug. Da lag die Studienwahl nahe. Nach dem Studium der Sportwissenschaft, Psychologie und Psychogerontologie in Tübingen und Erlangen schlossen sich Promotion und Habilitation in Bielefeld an, eine Sportsoziologie-Professur an der Universität Chemnitz und ab 2004 die Rückkehr an die Universität Tübingen - nun als Professor für Sportwissenschaft mit Fokus auf den Sozial- und Gesundheitswissenschaften.
Untersuchungen zu Sport im Alter
Dabei findet der Wissenschaftler besonders die fächerübergreifenden Zusammenhänge spannend und geht der Frage nach: Welche bio-, psycho- und soziologischen Effekte hat Sport? „Die Effekte sind groß!“, sagt er mit leicht schwäbischem Unterton. Das belegen zahlreiche seiner Studien und Forschungsprojekte etwa zu sozialen Bedingungen und Effekten von körperlicher Aktivität, wie zum Beispiel zum gesellschaftlichen Nutzen des Sports in einer alternden Gesellschaft, zur Inklusion von Menschen mit Handicaps oder zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
Ein Beispiel hat der Vater mit drei Kindern gleich parat: „Als ich ein Forschungssemester in Barcelona verbrachte, spielte mein Sohn in einer Fußballmannschaft mit Flüchtlingskindern. Das sportliche Miteinander stärkte nicht nur das Selbstbewusstsein der Beteiligten, sondern der Sport half auch dabei, sprachliche Barrieren abzubauen, über den Sport wurden soziale Netzwerke geknüpft und die Identifikation mit der Gruppe, dem Club und der Stadt wurde gefördert. Und alle hatten Spaß!“ Auch dem Spitzensportbereich und der Frage nach der Gesundheit von Top-Athleten widmete sich Thiel.
Der akademische Karriereweg führt ihn nun aus Baden-Württemberg an die Spitze der Spoho ins Rheinland, das er ebenfalls schätzt. „Ich mag Tübingen sehr, aber ich kenne Köln ganz gut und habe auch private Kontakte. Meine Frau hat hier eine Zeitlang gewohnt“, erzählt der gebürtige Laupheimer. Da sein Sohn (16) nächstes Jahr Abitur macht, wird Thiel voraussichtlich ein Jahr pendeln. Danach sei ein Umzug mit seiner Frau, einer PR-Journalistin, in die Domstadt geplant. Die beiden Töchter (21, 23) studieren in Tübingen und Aachen Medizin und Zahnmedizin.
„Die Sporthochschule Köln ist in den fächerübergreifenden, wissenschaftlichen und sportpraktischen Disziplinen sehr gut aufgestellt“, freut sich Thiel auf die neue Wirkungsstätte. „Es ist eine Ehre für mich, eine der weltweit angesehensten sportwissenschaftlichen Einrichtungen zu leiten.“ Dass Sport und Bewegung eine extrem wichtige Bedeutung für unsere Gesellschaft haben, müsste allerdings noch stärker Beachtung in der Politik und Öffentlichkeit finden, ist er überzeugt. „Besonders die alternde Gesellschaft wird uns noch vor große Probleme stellen“, prognostiziert der Experte. Es muss alles dafür getan werden, dass Menschen möglichst lange geistig und körperlich fit und mobil bleiben. Sport helfe nicht nur dabei, chronisch degenerativen Erkrankungen vorzubeugen, das soziale Miteinander motiviere auch, mobil zu bleiben. „Hier sind auch die Menschen selbst gefordert, etwas für die Gesundheit zu tun.“
Aktivität wirkt „wie eine Art Multipill“, meint der Experte, sie müsse allen zugänglich gemacht werden. Von der Schule bis zur Stadtplanung seien noch bessere Möglichkeiten der Teilhabe gefragt. „Wichtig finde ich, die Erkenntnisse aus der Forschung noch mehr in die Praxis umzusetzen.“ Im Team mit den Prorektoraten der Spoho möchte der designierte Rektor künftige Handlungsschwerpunkte ausloten und Forschungsgruppen noch stärker interdisziplinär zusammenführen.
Ein sportliches Programm. Wenn Zeit bleibt, guckt Thiel im Fernsehen ab und zu Basketball, American Football, Fußball. Oder er hört Musik. Meistens ist er mit Family und Freunden in Action, fährt Fahrrad, wandert - und spielt sonntags gerne Boule.