Kölner Standesbeamtin im InterviewAngelika Barg über Anekdoten, Promis und Homo-Ehe

Standesamtschefin Angelika Barg im Turmkeller des Rathauses.
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- Das Kölner Standesamt verliert eine Institution.
- Amtsleiterin Angelika Barg (64) geht im Oktober in Pension.
- Sie hat am 1. Juli 1980 dort angefangen und die Behörde ab 2002 geleitet. Michael Fuchs sprach mit ihr.
Wie war Ihre erste Trauung?
Es war Mai 1981. Ich war ziemlich aufgeregt. Das Paar kam allein, ohne die damals noch vorgeschriebenen Trauzeugen. Die Brautleute wollten niemanden einweihen. Wir haben Kollegen aus dem Standesamt geholt, die als Trauzeugen fungiert haben.
Was war die kurioseste Szene, die Sie erlebt haben?
Einmal hat die Braut bei der entscheidenden Frage tatsächlich „Nein“ gesagt. Sie wollte eigentlich bloß einen Scherz machen. Die junge Frau hatte aber nicht bedacht, dass der amtliche Akt damit in diesem Moment zu Ende war. Ich habe die Akte zugeklappt und die Zeremonie für beendet erklärt. Denn es war ja eindeutig kein einvernehmlicher Wille geäußert worden.
Auweia. Was passierte dann?
Die Braut fing an zu weinen, bei den Verwandten flossen die Tränen, es war ein großes Drama.
Wie ging es weiter?
Ich habe Braut und Bräutigam gesagt, sie sollten einmal rund ums Rathaus spazieren und sich in Ruhe überlegen, ob sie heiraten wollen oder nicht. Und später wiederkommen. Ich habe ihnen dann am selben Tag noch einen zweiten Termin gegeben. Da hat es dann auf Anhieb geklappt. Das Paar war überglücklich und ist mir fast um den Hals gefallen.
Trauungen in Köln
5400 Ehen haben die 80 Mitarbeiter des Kölner Standesamts im vorigen Jahr geschlossen. Für dieses Jahr rechnet Angelika Barg mit rund 5500 Eheschließungen. Weil es in der Stadtverwaltung Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit von Überstundenregelungen gab, waren eine Weile samstags keine Trauungen möglich. Dieses Problem wurde ausgeräumt, nun können Paare auch an Samstagen wieder heiraten. Anmelden muss man die Eheschließung im Standesamt in Haus Neuerburg am Gülichplatz gegenüber vom Rathaus. (fu)
Warum sind Sie Standesbeamtin geworden?
Am 1. August 1977 habe ich bei der Stadt Köln meine Ausbildung für den gehobenen Dienst begonnen, drei Jahre später hat man mir eine Planstelle im Standesamt angeboten. Ich habe zugesagt und es nie bereut. Es passte ja auch zur Familientradition. Mein Vater war Standesbeamter in Grevenbroich.
Wann haben Sie denn selbst geheiratet?
Im Mai 1977, kurz vor dem Beginn meiner Ausbildung.
Was macht eine Standesbeamtin außer Ehen schließen?
Wir stellen Geburtsurkunden für Neugeborene aus, beurkunden Sterbefälle, führen das Personenstandsregister und schreiben das Personenstandsregister fort, etwa bei Namensänderung oder Adoption einer Person. Wir sind auch zuständig für die Beurkundung von Vaterschaftsanerkennungen und stellen Urkunden aus den Registern aus. Es ist ein bunter Strauß an Aufgaben.
Was zeichnet eine gute Standesbeamtin aus?
Sie oder er muss sehr sorgfältig und gewissenhaft sein und den Menschen zugewandt. Bei Trauzeremonien rate ich zu einer gesunden Mischung. Sie sollte humorvoll sein und nicht zu trocken, doch muss man dabei stets auch den Ernst der Angelegenheit im Auge behalten.
Wie viele Menschen haben Sie selbst getraut?
Ich denke, mehr als 6000 Paare. Irgendwann habe ich nicht mehr mitgezählt.
Haben Sie auch mal Prominente vermählt? Wie waren die so bei ihrer Hochzeit?
2011 habe ich Fußballer Lukas Podolski und seine Frau Monika im Turmkeller des historischen Rathauses getraut. Es war eine Zeremonie im engsten Familien- und Freundeskreis. Sie hatten ihren kleinen Sohn Louis dabei. Herr Podolski war sehr liebevoll mit ihm und seiner Frau. Für FC-Kapitän Jonas Hector habe ich die Anmeldung zur Eheschließung durchgeführt. Ich habe auch die WDR-Moderatorin Bettina Böttinger und ihre Lebensgefährtin getraut sowie den Entertainer Oliver Pocher und seine zweite Frau Amira Aly.
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Ist Pocher vor Ihnen so flapsig aufgetreten wie im TV?
Nein, ganz anders, als man ihn aus dem Fernsehen kannte. Sehr freundlich und zuvorkommend.
An welches besondere Erlebnis erinnern Sie sich gern?
Den 11.11.2011. An diesem Tag wollten in Köln natürlich unheimlich viele Menschen heiraten. Wir haben von 7 bis 17 Uhr 136 Paare getraut. Das war ein Marathon und unvergesslich.
Was hat sich in den Jahrzehnten verändert?
2001 wurde die gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingeführt. Ab 1. Oktober 2017 gab es die gleichgeschlechtliche Ehe, und Verpartnerte konnten ihre Lebenspartnertschaftsbegründung in die Ehe umwandeln lassen. Da hatten wir viel zu tun. Digitalisiert wurde das Standesamt übrigens schon 2009, als das elektronische Personenstandsregister eingeführt wurde. Das war eine Revolution.
Wird heute anders geheiratet als früher?
2004 haben wir die Ambiente-Trauungen eingeführt, seitdem können sich Paare nicht nur im Rathaus, sondern zum Beispiel in der Severinstorburg, in der Wolkenburg oder in der Seilbahn trauen lassen. Das wird immer beliebter, aber die Kulisse unseres wunderschönen historischen Rathauses ist weiterhin sehr gefragt. Generell bekommen wir heute vorab mehr Wünsche mitgeteilt, wie ein Paar die Trauung gestalten will. Früher war meist die kirchliche Hochzeit die große Zeremonie und das Standesamt nur der formale Akt. Heute ist das anders, die Kirche hat für viele nicht mehr diese Bedeutung. Sie möchten es auf dem Standesamt besonders festlich haben. Wir versuchen, die Wünsche möglich zu machen. Freitags und samstags haben wir deshalb die Trauzeit von 20 auf 30 Minuten verlängert.
Was ist Ihr Fazit nach 41 Jahren im Beruf?
Die Aufgabe war sehr erfüllend. Ich hatte ein wunderbares Berufsleben. Das kann nicht jeder von sich sagen. Jetzt freue ich mich darauf, mehr Zeit für meine Familie und meine Enkelkinder zu haben.