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Kölner Serie „Spurensuche“Auch Köln lag Sarah Bernhardt zu Füßen

Lesezeit 5 Minuten
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Sie sollte einst zur berühmtesten Schauspielerin der „Belle Époque“ werden: Sarah Berhardt auf einer Fotografie von 1882. 

  1. Wo hat Napoleon genächtigt? Wo stieg Max Schmeling in den Ring?
  2. In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor, Orte ohne Gedenktafeln.
  3. Anselm Weyer widmet sich diesmal der unvergleichlichen Sarah Bernhardt.

Köln – Kronprinz Wilhelm von Preußen gab sich neben Prinz Eitel Friedrich sowie Prinz und Prinzessin zu Schaumburg-Lippe im November 1902 in Köln die Ehre. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen besuchte er das Alte Stadt-Theater in der Glockengasse. Anlass war ein Gastspiel der berühmtesten Schauspielerin der Belle Époque, der von Skandalen begleiteten Diva Sarah Bernhardt, berühmt für ihren pathetischen Stil. „Sarah Bernhardt entlockt der französischen Sprache die feinsten Klangschönheiten, formt bewusst jeden Ton, wie man es sonst nur bei Gesangvirtuosen gewohnt ist, ob sie nun den leisesten auch deutlich dem Ohre vermittelt oder in stürmisch dahingleitender Wortkaskade jeder Silbe ihr volles Recht gibt“, schwärmte die Kölnische Zeitung über ihren Auftritt am Rhein.

Sarah Bernhardt war die Tochter einer Kurtisane aus Paris

Zur Welt gekommen war Bernhardt 1844 als Tochter einer bekannten Pariser Kurtisane. Und auch sie war zwischenzeitlich Kurtisane. Vater ihres einzigen Sohnes Maurice, den sie mit 20 Jahren bekam, war der belgische Prince de Ligne. Generell war Bernhardt nicht für übermäßiges Schamgefühl berühmt. Bernhardt soll es zu verdanken gewesen sein, dass der zuvor als lästerlich verschriene Lippenstift salonfähig wurde. Sie hielt sich exzentrische Haustiere, schlief gerne in einem Sarg und bestand darauf, in jedem Stück die Hauptrolle zu spielen – selbst wenn dies Männerrollen wie Hamlet waren, den sie 1900 auch in einem Stummfilm verkörperte.

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Erst 20 Jahre später, damals schon längst ein Weltstar, gastierte sie in Köln. „Zehn Jahre zu spät“, konstatierte damals die Kölnische Zeitung. 

Erste Erfolge als Schauspielerin hatte Sarah Bernhardt ab 1866 am Théâtre de l’Odéon in Paris gefeiert. Dies unterbrach 1870 der deutschfranzösische Krieg. Deutsche Truppen rückten auf die französische Hauptstadt vor. Sarah Bernhardts Mutter nahm ihren Enkel und floh, während die Schauspielerin selbst zurückblieb und im umfunktionierten Theater Verwundete versorgte.

Schließlich bekam sie Nachricht, dass sich ihre Verwandten ausgerechnet in Homburg, also im verhassten Deutschland in Sicherheit gebracht hatten. Hierher beschloss Sarah Bernhardt nachzureisen. Der Bahnverkehr war aber nicht unerheblich vom Krieg tangiert. Nach einer wahren Odyssee gelangte sie über Straßburg nach Köln. Hier erlebte sie, wie Bernhardt in ihrer Autobiografie erzählt, „eine bittere Enttäuschung“, wobei derlei bis heute vorkommen soll. „Der Zug war gerade in den Bahnhof eingefahren, als ein Bahnbeamter, der schnell an den Waggons vorbeiging, etwas auf Deutsch rief, was ich nicht verstand. Alle schienen es eilig zu haben. Männer und Frauen drängten sich gegenseitig ohne jede Höflichkeit. Ich sprach einen anderen Beamten an und zeigte ihm unsere Tickets. Er nahm sehr zuvorkommend meine Tasche und eilte der Menge nach. Wir folgten, aber ich verstand die Aufregung nicht, bis der Mann meine Tasche in ein Abteil warf und mir bedeutete, so schnell wie möglich einzusteigen.“

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Ihre Auftritte sorgten unter anderem im Alten Stadt-Theater an der Glockengasse für reichlich Furore. 

Das gelingt Bernhardt Reisegesellschaft jedoch nicht. „Bevor ich mir dessen bewusst war, war der Zug verschwunden“, erzählt sie. „Meine Tasche war im Waggon mitgefahren, und mein Koffer befand sich in einem Gepäckwagen, der von dem eintreffenden Zug abgehängt und an dem abfahrenden Schnellzug befestigt worden war. Ich begann vor Wut zu weinen.“ Dies erregte das Mitleid eines Bahnbeamten, der sie zum Bahnhofsvorsteher brachte, der Französisch sprach. „Ich sank in seinen großen Ledersessel und erzählte ihm nervös schluchzend mein Missgeschick. Er bestellte sofort telegrafisch meine Tasche und meinen Koffer zur Obhut des Stationsvorstehers an der ersten Station.“ Der nächste Zug jedoch ging erst am kommenden Morgen.

Sarah Bernhardt war im ihr unbekannten Köln gestrandet

Bernhardt war somit in einer Stadt gestrandet, in der sie niemanden kannte. Doch auch das regelte der Bahnhofsvorsteher. „Eine halbe Stunde später kam seine Kutsche, und er brachte uns zum Hôtel du Nord, nachdem er einen langen Umweg gefahren war, um uns die Stadt zu zeigen. Aber damals bewunderte ich nichts, was den Deutschen gehörte.“ Am nächsten Morgen schlenderte sie vom Frankenplatz 4–8 zu Fuß zum Bahnhof, machte es sich in ihrem Abteil bequem und fand in einer der Ecken einen Strauß Vergissmeinnicht und eine Schachtel Pralinen vom Bahnhofsvorsteher. Die weitere Reise bis nach Homburg, wo sie ihre Mutter und ihren Sohn wohlbehalten wiedertraf, verlief dann ohne Zwischenfall.

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Bernhardt in der Titelrolle das Lorenzaccio auf einem Plakat von Alphonse Mucha (1896). 

1872 nimmt Bernhardts Karriere Fahrt auf. Sie tritt weltweit auf: Einem Abstecher nach England folgt Anfang der 1880er Jahre eine Tour durch Amerika. Sie bringt es sogar bis nach Australien. 1899 machte sich Bernhardt selbstständig und verwandelte das Pariser Théâtre des Nations ins Théâtre Sarah Bernhardt. Mit diesem gastierte sie schließlich auch in Köln – obwohl die glühende Patriotin den Deutschen wenig Sympathie entgegenbrachte und sich lange geweigert hatte, dort zu spielen. 1902 trat sie im Alten Stadt-Theater auf, am Freitag, 7. November, als Fedora, einen Tag später in ihrer Paraderolle als Kameliendame von Alexandre Dumas.

Kölnische Zeitung äußerte sich kritisch zum Auftritt

Vom ersten Abend zeigten sich die Rezensenten nicht gerade überwältigt. „Sarah Bernhardt kommt um ein Jahrzehnt zu spät nach Deutschland“, urteilt die Kölnische Zeitung. „Es ist eine ganz natürliche Erscheinung, dass eine Frau von 58 Jahren nicht mehr in der Lage ist, jugendliche Leidenschaft mit der vollen Glaubwürdigkeit des innerlich Miterlebten darzustellen.“ Gnädiger fiel die Besprechung der Kameliendame aus, bei der Bernhardt „auch in der äußeren Erscheinung die Jugend vorzutäuschen“ vermochte: „Wie sie zierlich plauderte und scherzend tändelte, wie sie der zärtlichen Verliebtheit und dann tiefern Neigungen Ausdruck gab, das war in der Tat eine fortlaufende Kette von Meisterstücken liebenswürdigster Wirkung.“ Viermal wurde Bernhardt nach dem Vorhang von stürmischen Bravorufen zurückgeholt.

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Am 2. Juni 1905 kehrte Sarah Bernhardt abermals in die Glockengasse zurück, diesmal mit L'Aiglon. Später im selben Jahr, bei einem Gastspiel in Rio de Janeiro, verletzte sich Bernhardt bei einer Aufführung von Tosca am Knie. Diese Verletzung heilte nie mehr aus, weshalb ihr Bein schließlich amputiert werden musste.

Trotzdem stand sie bis zu ihrem Tod auf der Bühne – zuweilen mit Holzprothese. Die Ikone der französischen Schauspielkunst starb im Jahr 1923 mit 79 Jahren an Nierenversagen und liegt auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris begraben.

Anselm Weyer ist promovierter Germanist, schreibt Architekturführer und beschäftigt sich vielfältig mit der Kölner Stadtgeschichte.