Serie „Häuser mit Historie“Was das Disch-Haus an der Brückenstraße so besonders macht
Köln – „Das Disch-Haus gibt der Brücken- und Herzogstraße an ihrem Schnittpunkt ein neues architektonisches Gesicht“, jubelte die Kölnische Zeitung zur Eröffnung Anfang 1930. „Durch die neue Fluchtlinie, die Abrundung der Ecke und die sich dann wieder verengende Straße ist hier eine platzartige Erweiterung entstanden. Die Kirche St. Kolumba kann nun freier atmen.“
War die nüchterne Architektursprache für das immer noch gründerzeitlich geprägte Kölner Stadtbild damals revolutionär, so war wenigstens der Name konservativ. Legendär war nämlich der Vorgängerbau, das renommierte Hotel Disch, das Gäste wie Theodor Fontane und Richard Wagner beherbergt hatte. Trotzdem verkündete der Eigentümer im Juni 1928, dass „das Haus als Hotel den neuzeitlichen Ansprüchen nicht mehr genügt“. Da zudem die Lage als nicht ideal für einen weiteren Beherbergungsbetrieb erachtet wurde, entschied man sich für einen Abriss und Neubau als Büro- und Geschäftshaus.
In einem engeren Wettbewerb unter Kölner Architekten wurde gefordert, 10 000 Quadratmeter Nutzfläche über dem Erdgeschoss zu schaffen. Weitere Anforderungen lauteten: ästhetischer Städtebau, die Schaffung eines Lichthofes und eine optimale Lage des Haupteingangs. Einstimmig kürte das Preisgericht schon im Juli 1928 den Entwurf von Bruno Paul zum Sieger, einen um die Straßenbiegung gewundenen Eisenbetonbau mit vorgehangener weißbrauner Travertinfassade und quergelagerten Fensterbändern, der am 1. Februar 1930 eröffnet wurde. Die vertikale Krümmung wird unterbrochen, um die Eingänge zu markieren – in der Brückenstraße durch einen eingeschossigen Risalit in der ersten Etage, zur Herzogstraße durch einen ab dem dritten Stockwerk an der Fassade durch senkrechte Fensterschlitze markierten Treppenturm mit aufgesetztem Fahnenmast.
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Nobel war auch das Innere. „Die große freitragende, in die Wand eingespannte Treppe steigt kreisförmig an“, erläutert die Kölnische Zeitung. „Die Halle wurde mit Travertinplatten ausgelegt. Für die Wände verwandte man weißes Opakglas.
Architektur-Führer zur Serie
Begleitend zur Serie ist der Architekturführer Köln erschienen. Anselm Weyer erläutert auf 400 Seiten die Baugeschichte der Stadt von der Römerzeit bis zur Gegenwart, markiert neue Entwicklungen, zeigt Widersprüche zwischen Tradition und Modern auf und erzählt, wie in der Serie, lesenswerte Baugeschichte(n).
In keiner anderen deutschen Stadt lassen sich so viele historische Bauphasen in der Stadtgestaltung ablesen. Rundschau-Autor Weyer erläutert anhand historischer Karten die Stadterweiterung von der Gründung zur freien Reichsstadt des Mittelalters über die Erweiterung der Gründerzeit bis zur Gegenwart.
Neben dem Dom und den romanischen Kirchen werden Baudenkmäler der Stadt wie der Gürzenich, Ikonen der Moderne wie die Bastei oder Leuchtturm-Bauten der jüngeren Geschichte wie die Kranbauten im Rheinauhafen ausführlich beschrieben. Viele der Bauten sind (auch) aus der Vogelperspektive zu sehen. (mft)
Anselm Weyer: Architekturführer Köln, Dom-Publishers, 400 Seiten, 650 Abbildungen, 38 Euro.
Die Treppenwände erhielten lichtgelben Anstrich. Der Bau hat noch zwei weitere kleine Treppenhäuser. Ihre obersten Fenster können vom Erdgeschoss aus mechanisch geöffnet werden, um bei Bränden ein Abströmen der Gase zu ermöglichen.“ Nach schnell wechselnden Mietern erwarb 1937 die Stadt Köln die Immobilie, die ab 1938 Büros der städtischen Verwaltung beherbergte.
Ursprünglich wies das Gebäude fünf Geschosse sowie zwei Attikageschosse auf, wobei Bomben während des Zweiten Weltkriegs die oberste Etage zerstörten. Da bei keinen der folgenden Sanierungen das oberste Geschoss rekonstruiert wurde, verfügt das Haus nur noch über ein Dachgeschoss.
Das denkmalgeschützte Disch-Haus, das als Aushängeschild der Neuen Sachlichkeit in Köln gilt, wurde 2005 verkauft und in den Jahren 2007 und 08 von KSP Engel und Zimmermann modernisiert und restauriert. Wo heute der Namenszug des Hauses mittig in der Rundung angebracht ist, befand sich bei Eröffnung der Namenszug des Mieters der Verkaufsräume im Erdgeschoss.
Disch-HausBrückenstraße 19Bruno Paul1930