Es sind gleich drei Problemfelder in Köln, für die der Polizeipräsident Johannes Hermanns dringenden Handlungsbedarf sieht. Allem voran am Ebertplatz.
Kölner Polizeipräsident„Seit einigen Jahren gibt es eine Klientel mit zunehmendem Aggressionspotenzial
Seit rund einem Jahr sind Sie Polizeipräsident – und es war ein turbulentes Jahr. Oder wie ist Ihr Blick auf dieses Jahr?
Ich bin sehr glücklich, wieder in Köln sein zu können und in dieser Behörde arbeiten zu dürfen. Aber ja, auch ich habe das erste Jahr als durchaus anspruchsvoll empfunden. Zu meinem Amtsantritt als Polizeipräsident ging es ja auch gleich mit der Gefährdungslage an unserem Dom los. Aber an den Ereignissen von damals wird auch deutlich, was das Besondere an diesem Polizeipräsidium, an dieser Stadt ist. Als wir im Laufe des 22. Dezembers, einem Freitag, davon erfuhren, es könnte ein Anschlag auf den Dom geplant sein, haben wir zunächst Informationen eingeholt und die Lage bewertet. Sehr schnell wurde uns dabei klar: Wir müssen einen Einsatz hochfahren, wir können keinen mehr unkontrolliert in den Dom lassen. Doch an diesem Freitagabend waren viele Kolleginnen und Kollegen schon auf dem Weg in ihr Weihnachtsfrei. Wir haben zahlreiche Kolleginnen und Kollegen angerufen. Und die waren sofort da! Diese Einsatzbereitschaft ist nicht selbstverständlich, das ist das Besondere an dem Polizeipräsidium Köln. Und ein weiterer Aspekt: Wir hatten große Sorge, dass wir massiv in die Kritik geraten, wenn wir über Tage jeden Gottesdienstbesucher kontrollieren. Doch was ist passiert: Die Kölnerinnen und Kölner haben sich sehr diszipliniert kontrollieren lassen, unsere Einsatzkräfte unterstützt und unseren Kolleginnen und Kollegen große Dankbarkeit entgegengebracht. Das ist Köln.
Doch dieser Dank ist leider nur die eine Seite der Medaille. Wir hören immer mehr von Respektlosigkeit gegenüber der Polizei. Auch in Köln werden ihre Kolleginnen und Kollegen angegangen, verbal und körperlich. Welche Ausmaße nimmt das an?
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Nehmen Sie beispielsweise die jüngste Silvesternacht in Köln. Da wurden Polizisten wie Rettungskräfte mit Feuerwerkskörpern beschossen. Seit einigen Jahren gibt es eine Klientel mit zunehmendem Aggressionspotenzial. Wir haben deshalb wiederkehrend auch verletzte Polizisten. Rational ist das für mich nicht mehr zu erklären. Da hört der Spaß für mich auf. Wir gehen mit aller Konsequenz dagegen vor. Wir identifizieren die Täter und führen sie der Strafverfolgung zu. Unsere Kolleginnen und Kollegen werden in Einsatztrainings auf diese Aggressionen vorbereitet. An den Schulen führen wir Präventionskurse durch.
Was ist das für eine Klientel?
Unsere Kriminalstatistik liefert da klare Befunde: Bei den Gewaltstraftaten sind die Täter in der Regel männlich, jung – 15 bis 25 Jahre alt – und haben ganz oft einen Migrationshintergrund. Es wäre gerade für diese Zielgruppe sehr wichtig, dass wir für Beschäftigung sorgen. Die jungen Männer wissen - salopp gesagt - häufig nicht, wohin mit ihrer Energie. Würden sie beispielsweise über Arbeit oder Sport gebunden, hätte das aus polizeilicher Sicht eine erhebliche Präventionswirkung. Diese jungen Männer bekämen Erfolgserlebnisse, könnten so ganz nebenbei Energie abbauen und kämen viel weniger auf dumme Gedanken.
Sollte es Konsequenzen geben aus den Gewaltereignissen in der jüngsten Silvesternacht?
Wenn mit zunehmender Tendenz gezielt Raketen auf Menschen geschossen werden, muss man sich Gedanken darüber machen, ob der kommerzielle Verkauf von Feuerwerkskörpern an jedermann weiter zulässig sein sollte oder ob man diesen an Zuverlässigkeitsbedingungen knüpfen könnte.
In Köln hat es Böllerverbots- und auch Feuerwerksverbotszonen gegeben. Die reichen nicht?
Die Kriterien für die Böllerverbote waren so kompliziert, dass sie für unsere Einsatzkräfte nur schwer zu kontrollieren waren. Feuerwerksverbote nur in bestimmten Sektoren erschweren Kontrollen ebenfalls.
Also ein bundesweites, einheitliches Feuerwerksverbot?
Darüber oder über eine Begrenzung auf lizensierte Veranstalter sollte nachgedacht werden.
Bei dem Thema Gewalt spielen Messer eine immer größere Rolle.
Es gibt steigende Zahlen. Im Jahr 2022 hatten wir Gewaltdelikte im öffentlichen Raum. Dabei haben 258 Mal Messer eine Rolle gespielt, 2023 waren es 344 und 2024 sind die Zahlen der Messerdelikte weiter angestiegen. Hinzu kommt auch, dass wir gezielter kontrollieren und dabei eben auch mehr Messer finden. Ich sage aber auch ganz klar: Ich kann mich aus meiner langjährigen beruflichen Vergangenheit nicht an Zeiten erinnern, in denen es tagtäglich zu Ereignissen mit Messern kam. Heute ist das für unsere Einsatzkräfte trauriger Alltag.
Helfen die drei Kölner Waffenverbotszonen im Bereich der Zülpicher Straße, der Ringe und am Wiener Platz bei der Eindämmung der Delikte?
Diese Zonen geben uns die Möglichkeit, gezielt Sichtkontrollen durchzuführen. Und dabei finden wir in erheblichem Umfang immer wieder Messer. Aber der Mehrwert dieser Zonen liegt nicht alleine darin, dass wir dort Messer oder Waffen beschlagnahmen. Wir senden als Gesellschaft mit ihnen auch das klare Signal, dass wir diese Art der Messer- und Waffengewaltnicht akzeptieren.
Ein Ort in Köln, der Ihre Kolleginnen und Kollegen unvermindert intensiv beschäftigt, ist der Ebertplatz als ein großer Umschlagsplatz vor allem für Cannabis. Dabei sollte doch die Teillegalisierung von Cannabis dem Schwarzmarkthandel die Grundlage entziehen.
Lassen Sie es mich mal so sagen: Der Ebertplatz ist noch ein deutschlandweit bekanntes Kaufhaus, in dem man Cannabis erwerben kann. Und mein Ziel ist es, dass wir dieses Cannabis-Kaufhaus in die Insolvenz treiben und schließen werden. Das gelingt aber nicht von heute auf morgen, dafür brauchen wir einen längeren Atem. Denn kaum haben wir die Dealer dort vertrieben, kommen sie wieder, sobald wir weg sind. Ziehen wird drei aus dem Verkehr, kommen direkt neue nach. Wir müssen also stetig dafür sorgen, dass wir für die Dealer das Geschäft unattraktiv machen. Das kann durch sichtbare Präsenz und Kontrollen gelingen. Um die Lieferketten jedoch wirksam zu zerschlagen, müssen wir zudem verdeckt ermitteln. Meiner Meinung nach muss der Platz auch perspektivisch dringend umgestaltet werden. So, wie es jetzt ist, mit den zahlreichen Zugängen, den Tunneln, den U-Bahn-Abgängen, fühlen sich die Dealer dort wohl. Die bisherige gesetzliche Regelung zur Teillegalisierung von Cannabiskonsum erleichtert oder reduziert die polizeiliche Arbeit übrigens nicht. Man kann hinsichtlich der Frage der Legalisierung unterschiedlicher Auffassung sein. Aber wenn man den Konsum legalisiert, dann müssten auch die Marktbedingungen für die Produktion und den Vertrieb, auch über „Clubs“ hinaus, geregelt werden. Dies ist leider nicht geschehen. Und auf noch etwas möchte ich hinweisen, wir sehen gerade eine Veränderung am Ebertplatz. Zunehmend nehmen wir dort den Handel und Konsum mit Crack wahr.
Sehen sie mit Crack ein neues, großes Problem auf Köln zukommen?
Unsere Einsatzkräfte, das Gesundheitsamt und die städtischen Ordnungskräfte, wir alle haben die Wahrnehmung, dass der Crack-Konsum deutlich zunimmt. Damit wird ein Problem auf Köln zukommen, das weit mehr als Cannabis zu einer deutlich zunehmenden Verelendung führen wird. Beim Konsum von Crack hält der Rausch nur kurz an. Auf den Kick folgt sofort das nächste Verlangen. Konsum in der Dauerschleife ist die Folge. Die Süchtigen enden so sehr schnell in der Gosse, so wie wir das auch im Umfeld des Neumarkts häufig wahrnehmen.
Im Zusammenhang mit Drogenhandel erleben wir in seit rund einem halben Jahr eine neue Qualität an Schwerstkriminalität unter anderem mit Sprengsätzen und Schüssen in Wohnvierteln. Sie konnten zwar auf diesem Feld erst am Donnerstag wieder Fahndungserfolge vorweisen, dennoch bleibt das beängstigende Gefühl zurück, diese kriminellen Grabenkämpfe sind der neue Standard.
Diese Auseinandersetzungen haben nach unserer Bewertung die normalen Kölnerinnen und Kölner eher nicht betroffen. Bei allen Gefahren die damit einhergehen, handelt es sich in den meisten Fällen um Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Gruppierungen oder innerhalb des Milieus.
Dass nicht mehr passiert ist, war bis jetzt doch reines Glück. Wenn immer weiter auf Wohnhäuser ganze Salven abgeschossen werden, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis Unbeteiligte in die Schusslinie geraten.
Das ist so und dieses Risiko will ich auch nicht klein reden. Und selbstverständlich akzeptieren wir das auch nicht. Immer noch arbeiten rund 80 Kolleginnen und Kollegen in Ermittlungsgruppen, um den Tätern das Handwerk zu legen. Und sie haben Erfolg. Wir holen uns einen nach dem anderen.
Aus allem, was wir bisher besprochen haben, ergibt sich ein immer größer werdendes Arbeitsfeld für die Polizei. Viele Polizistinnen und Polizisten schieben eine gewaltige Bugwelle an Überstunden vor sich her. Können sie das alles noch personell leisten?
Es wäre jetzt ein Leichtes, einfach mehr Leute zu fordern. Doch zur Wahrheit gehört, dass wir seit Jahren unsere Einstellungsquoten deutlich erhöht haben. Diese hohen Einstellungsquoten werden bei den knapper werdenden Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt und bei der Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern jedoch immer schwerer zu realisieren sein. Wichtiger ist daher auch, dass unsere Kolleginnen und Kollegen technische Unterstützung bekommen. Nehmen Sie das Beispiel von sexualisierter Gewalt an Kindern. Auf jedem der konfiszierten Handys aus den Tätergruppen befinden sich Daten und Bilder im Umfang ganzer Bibliotheken, die ausgewertet werden müssen. Es braucht beispielsweise Künstliche Intelligenz, um diese Datenmengen zeitnah vorsortieren und unseren Kollegen die Arbeit erleichtern zu können.