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Karneval in KölnStunksitzung feiert 40-jähriges Jubiläum – so lief die Premiere

Lesezeit 4 Minuten
Das Ensemble der Stunksitzung lässt die „Diktatoren“ der Welt auf besondere Weise über die Bühne eiern.

Das Ensemble der Stunksitzung lässt die „Diktatoren“ der Welt auf besondere Weise über die Bühne eiern.

Die erste Stunksitzung fand 1984 statt. In diesem Jahr haben die Pioniere des alternativen karnevalistischen Sitzungskarnevals Jubiläum. Schon jetzt sind mehr als 65.000 Karten verkauft, es gibt nur noch einige wenige Rest-Tickets.

Dü. Dü. Düt-düt-ti-düt, ti düdü. Erinnert sich noch jemand an die „Bezaubernde Jeannie“? Denjenigen die das tun, geht die Titelmelodie der US-Serie um einen meinungsstarken weiblichen Flaschengeist nach der Premiere der Stunksitzung nicht mehr aus dem Kopf. Wobei Mittwoch im E-Werk eine bezaubernde „Polit-Jeannie“ namens Sahra (Martina Klinke) zum Einsatz kommt, die zwar Vieles mit einem Augenblinzeln und vor der Brust gekreuzten Armen weghexen kann – nur die AfD leider nicht.

Das neue Programm der Stunker wartet mit 23 Sketchen und 19 Musiknummern auf. Und es beginnt mit einer Absichtserklärung. „Dem Gefühl, dass alles den Bach runtergeht, mit all den Krisen, wollen wir etwas Positives entgegensetzen“, sagt Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger. Ein Vorhaben, das den Pionieren des alternativen Frohsinns in dreieinhalb Stunden (mit Pause) bravourös gelingt.

Ein  schottischer Fußballfan nähert sich den Roten Funken an.

Ein schottischer Fußballfan nähert sich den Roten Funken an.

Obwohl der 6. November traumatisch war. Besonders für Wanninger: „Morgens Trump, mittags ein Knöllchen, abends der Ampelcrash. Und nachts hatte ich  noch einen schrecklichen Alptraum. Die Stunksitzung wird nicht stattfinden, alle Reihen leer, nur drei Lappenclowns da…“. In echt brauchen die Kabarettisten mit Sitzungslizenz auch nach 40 Jahren keine Angst vor Schwund zu haben. Es gibt, wie immer, nur noch einige wenige Restkarten.

Programm der Stunker wartet mit 23 Sketchen und 19 Musiknummern auf

Ein Blick in die kostümierte Runde verrät, dass das Gros der Langzeitmatrosen, Teilzeithippies oder Weihnachtsschmuck-Dekorierten mit den Stunkern gereift ist. Die den Zahn der Zeit, der unerbittlich nagt, prompt als Thema aufgreifen. „Wir sind ja jetzt im Alter zwischen ,Gepflegt-Sein’ und „Gepflegt-Werden’“, lästert der Bauer des Stunksitzungs-Dreigestirns Winni Rau. Während Köbes Underground aus dem Moody Blues-Klassiker „Nights in White Satin“ einen wehmütigen Abgesang auf die Musikkassetten machen. Und dabei herrlich das zunehmende Leiern und Eiern des Bandes nachahmen. Kalli (Doro Egelhaaf) und Peter (Tom Simon) versuchen indes, ihre klassische Karnevalsgesellschaft „De löstige Kallendresser“ in die Neuzeit hinein zu katapultieren: „Wir sind auf KitKat unterwegs und haben eine eigene Webseite: www.lustige-dachrinnen-scheißer.de.“

Köbes Underground und Ozan Akhan singt „Heartbreak Hotel“ von Elvis in der originalen, japanischen, spanischen, lappländischen, kölschen und türkischen Version

Köbes Underground und Ozan Akhan singt „Heartbreak Hotel“ von Elvis in der originalen, japanischen, spanischen, lappländischen, kölschen und türkischen Version

Auch die „Work-Life-Balance“ hat nun Einzug in den konservativen Karneval gehalten: mit Tanzmariechen im Home Office, Dreigestirn in Gleitzeit und einem arg dezimierten Reitercorps: „Die anderen sind beim Ponystreicheln!“ Selbst Landwirte wie der Bauer, die davon träumen, jemand „den Rinderwunsch zu erfüllen“, müssen neue Wege gehen: „Ich paarhufe jetzt!“ Und was macht die FDP? „Macht die weiter, als wäre nix gewesen?“, fragt Wanninger. Mitnichten. Christian Lindner (Christian Rzepka), Christian Dürr (Günther Ottemeier) und Wolfgang Kubicki (Didi Jünemann) sind jetzt „BCL“ (Bündnis Christian Lindner) und bekennen selbstbewusst: „Wir haben die Ampel geschreddert, weil wir Ampeln scheiße finden.“ Vor nachvollziehbarem Hintergrund: „Wir fahren immer auf der Überholspur – außer bei der Flüchtlingspolitik.“

„Schottische Tätärätä Army“ hält Einzug ins E-Werk

Tolle Musiknummern: „1 A Frikadellen“ von den Köbessen (die den Song gleich noch mal spielen müssen), Ozan Akhans „Heartbreak Hotel“ in diversen landessprachlichen Versionen und Anne Rixmanns Chanson „Wär ich ein Kölsch“: „Was für ein Kölsch wär isch? Ein Küppers oder Peters? Das wäre fürschterlisch!“ Bitterböse: der Sketch „Bundeswehr“, wo es darum geht, Rekruten im E-Werk anzuwerben: „Senioren werden sehr gern genommen. Bewegliche Ziele sind doch viel besser als Pappkameraden.“

Banal: „Karneval der Diktatoren“, wo Donald Trump, Xi Jinping und Wladimir Putin sich mit ihren fußballgroßen und -harten Hoden prügeln müssen, weil sie ja alle keine Weicheier sind. Bewegend: Biggi Wanninger als Trude Herr, die in Engelsgestalt zurück auf die Erde kehrt. Mit Schnodderschnauze und klarem Blick: „Ich glaube, die Minsche bruche keine Laktose mehr, um intolerant zu sein.“

Zum großen Finale hält die „Schottische Tätärätä Army“ Einzug ins E-Werk. Fastelovendsbewegte Fußballfans, die in Köln geblieben sind und nun Kontakt zu einem „Rude Funke“ und zu Henriette Reker suchen. Beim gemeinsamen Stippeföttche-Tanz und dem Schotten-Song (Kasallas „Alle Jläser Huh“) macht sich die Erkenntnis breit: „In schweren Zeiten ist Abschotten scheiße.“ Das sieht das jubelnde Publikum genauso. Stunksitzung ist angewandte Demokratie.


Fakten & Termine

Die erste Stunksitzung fand 1984 statt. Aufgrund von Corona haben die Pioniere des alternativen karnevalistischen Sitzungskarnevals aber erst jetzt ihre 40. Sitzung. Mitbegründer Jürgen Becker war viele Jahre Präsident, seit 1999 steht Biggi Wanninger an der Spitze des Elferrats. Einige Ensemblemitglieder sind von Anfang an dabei, wie, im aktuellen Programm, Doris Dietzold, Doro Egelhaaf, Didi Jünemann, Martina Klinke, Günther Ottemeier und Winni Rau. Hausband ist seit 1988 Köbes Underground. Die Stunker freuen sich über ein kostümiertes Publikum, es herrscht aber kein Kostümzwang.

Bis Karnevalsdienstag, 4. März 2025, werden in der Session 24/25 insgesamt 55 Sitzungen gespielt. Termine: Mi. bis Fr. jeweils 19.30 Uhr, Sa. und So. 18 Uhr. Mo. und Di. spielfrei (außer am 30.12.2024, am 25.02.2025 und am 4.3.2025). Sonntags-Frühstückssitzungen: 19.1. und 16.2., 11 Uhr.

Preise (inklusive Gebühren.): wochentags 31 bis 64 Euro, Fr. bis So: 32 bis 69 Euro. Ermäßigte Tickets: 15 bis 20 Euro (an allen Spieltagen).

Bis jetzt sind mehr als 65.000 Karten verkauft, es gibt nur noch einige wenige Rest-Tickets. Buchung unter Tel. 0221 28 01 und www.koelnticket.de

Tipp: Kartenbörse auf www.stunksitzung.de

Der WDR zeigt die Stunksitzung am 27.2.2025, 22.15 Uhr. (sus)