AboAbonnieren

Kölner „Insulin-Fall“Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haftstrafe

Lesezeit 3 Minuten
insulin

Die Angeklagte am Freitagmorgen im Gericht kurz vor dem Beginn des Plädoyers.

Köln – Kurz vor dem Ende der Beweisaufnahme wird noch einmal die Leinwand im Saal 112 herunter gelassen. Gezeigt werden Fotos aus dem Haus der Angeklagten. Es sind Bilder eines schmucken Gebäudes in einer schönen Wohngegend in Weiden. Zu sehen sind die Innenräume, das Bad oder der Garten. Die Angeklagte schaut genau hin und beim Foto eines Kinderzimmer zuckt sie kurz zusammen.

Das Haus wird die Angeklagte (42) vermutlich in den nächsten Jahren nicht mehr betreten – ihr droht eine lange Haftstrafe. Die Fotos sollten aus Sicht der Verteidigung deutlich machen, dass die Frau nicht aus dem Haus wegwollte; im Gegensatz zur Ansicht der Staatsanwaltschaft.

Angeklagte stehe nun vor „riesigem Scherbenhaufen“

Dann nach über 50 Verhandlungstagen erhebt sich Oberstaatsanwaltschaft Bastian Blaut und hält sein Plädoyer. Die Staatsanwaltschaft wirft der 42 Jahre alten Angeklagten vor, im Juli 2021 versucht zu haben, ihren Schwiegervater mit einer Überdosis Insulin zu ermorden. Doch der Senior überlebte und ist heute ein schwerer Pflegefall. Die Angeklagte, Ehefrau des älteren Sohnes des mutmaßlichen Opfers, bestreitet den Vorwurf vehement.

Der Ankläger begann mit einer Rückschau seiner Worte zum Prozessauftakt vor 14 Monaten. Damals habe er der Angeklagten inständig geraten ein Geständnis abzulegen; dies hätte sich vermutlich im Strafmaß niedergeschlagen. Nun zahle die Angeklagte einen hohen Preis – „die goldene Brücke wurde nicht genutzt“, betonte Blaut. Die Angeklagte stehe nun vor einem „riesigen Scherbenhaufen“. Doch dann war erstmal Schluss mit den Ausführungen. Gerade hatte sich der Ankläger in seinen Vortrag vertieft, gab es Feueralarm im Gericht und alle Beteiligten mussten heraus.

Staatsanwaltschaft spricht von „hinterlistigem Anschlag“

Nach einer Stunde ging es weiter und Blaut stellte direkt klar, dass die Angeklagte ihren Schwiegervater umbringen wollte. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass die Angeklagte ihrem Schwiegervater in dessen Villa in Junkersdorf „unfassbare Mengen an Insulin“ gespritzt habe. Zuvor soll der Senior mit Medikamenten in einem Kaffee betäubt worden sein. Blaut sprach von einem „hinterlistigen Anschlag“, einem „absoluten Vernichtungswillen“ und einem „eiskalten Plan“. Er forderte eine lebenslange Haftstrafe.

Die Angeklagte sei besonders in den Tagen davor, geradezu „besessen“ gewesen. So habe die Angeklagte sehr häufig im Internet nach der Wirkung verschiedener Arzneimittel und dem perfekten Mord gegoogelt und den Verlauf später wieder gelöscht. Doch Computerexperten konnten den Verlauf wieder herstellen. Den Zustand des Schwiegervater sei nach dem Mordversuch erschreckend. Das Gehirn des Manne sei schwer geschädigt. „Ein selbstbestimmtes Leben ist für ihn nicht mehr möglich“, so Blaut. Der Ankläger beschrieb den 82-Jährigen vor der Tat als einen lebensbejahenden Mann, der für sein Alter sehr fit gewesen sei und weiter Freude an seiner Arbeit in seiner Praxis gehabt habe.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Motiv ist für die Staatsanwaltschaft nicht abschließend geklärt. Blaut geht von möglicherweise finanziellen Interessen aus. Die Angeklagte habe es offensichtlich auf die Villa des Schwiegervaters in bester Lage in Junkersdorf abgesehen. Die 42-Jährige wolle nach Junkers dorf und der Senior solle ins Haus nach Weiden ziehen. Dies habe der Senior mehrfach abgelehnt. „Er wollte seinen Lebensabend in seinem Haus verbringen“, berichtete Blaut. Der Prozess wird mit den Ausführungen der Verteidigung fortgesetzt.