Schwierige Zeiten für Bäcker„Bäckerei Heilinger“ schließt die letzte Filiale Kölns
- Weder die Kinder, noch die Mitarbeiter wollten den Laden übernehmen
- Zahl der Lehrlinge geht zurück
- „Köln ist Hauptstadt der Bäckerei-Discounter“
Köln – Noch 42 Tage, dann soll Schluss sein. Für immer. Ralf und Elke Merscher werden ihre „Bäckerei Heilinger“ in Klettenberg zum Jahresende schließen. Es ist die letzte von einst fünf Filialen. „Niemand wollte den Laden weiterführen“, sagt der Bäcker- und Konditormeister.
Nicht seine beiden Kinder, auch nicht einer seiner Mitarbeiter, dem er die Übernahme angeboten hat. An die Antwort seines Sohnes, der schon mit 14 Jahren in der schulfreien Zeit in der Backstube half, erinnert sich Ralf Merscher noch. „Diesen Knochenjob mit den Arbeitszeiten will ich nicht machen“, habe er damals gesagt.
Das Ende des Familienbetriebs ist symptomatisch für die Krise des Bäckerhandwerks in Köln. Bei der Bäckerinnung sind 56 handwerkliche Bäckereien registriert, vor zehn Jahren waren es noch 180. Auch die Zahl der Lehrlinge geht stetig zurück. Bis zu 800 junge Menschen hatten sich noch in den 1990er Jahren jedes Jahr für eine Ausbildung zum Bäcker entschieden, derzeit sind es rund 300. Bereits 2006 hat die Innung ihre Lehrbackstube in Köln geschlossen, weil sich der Betrieb mangels Auslastung nicht mehr gerechnet hatte.
Zu große Konkurrenz durch Backautomaten und Discounter
Um zwei Uhr in der Nacht knipst Ralf Merscher (52) das Licht in der Backstube an. Die Arbeit für den Samstagsverkauf beginnt schon Freitagabend um 23 Uhr. Auszubildende gehen da gerne mal in die Disco. Kein Wunder also, dass die Merschers ihr Langzeitgedächtnis bemühen müssen, um sich an den letzten Bäckerlehrling in ihrem Betrieb zu erinnern.
„Das ist bestimmt 15 Jahre her“, erzählt Merscher. Wenn er von den „goldenen Zeiten“ spricht, meint er die 1980er Jahre. Damals gab es bei „Heilinger“ vier Lehrlinge. Ende des Jahres habe er drei Tage lang nur Neujahrbrezeln gebacken, um die Nachfrage befriedigen zu können. „Heute ist das in drei Stunden erledigt“, sagt er. Und wenn samstags auf dem Klettenberggürtel der Wochenmarkt aufgebaut wurde, seien in der nahe gelegenen Bäckerei-Filiale bis zu 600 Teilchen verkauft worden. Heute seien es noch 20.
Geändert hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem das Konsumverhalten der Menschen. „Köln ist Hauptstadt der Bäckerei-Discounter“, stellt Alexandra Dienst, Geschäftsführerin der Kölner Bäcker-Innung, fest. Als Aldi-Süd im Jahr 2009 seine Backautomaten aufstellte, zog der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks vor Gericht. Vor dem Duisburger Landgericht war lange und zäh gestritten worden, ob die Automaten als Backofen bezeichnet werden dürfen. Der Streit wurde schließlich im Oktober 2015 mit einem Vergleich beendet. „Mit den Automaten kam für uns ein spürbarer Einbruch“, erinnert sich Ralf Merscher. Nun hat Aldi-Süd begonnen, die Automaten gegen eine neue „Back-Welt“ mit 40 Produkten auszutauschen.
Ehepaar will gemeinsame Zeit wieder genießen und mehr entspannen
Elke Merscher trauert dem Ende des Familienbetriebs, gegründet im Jahr 1956 von ihrem Stiefvater Hans, nur sehr verhalten nach. „Nach 25 Jahren harter und stressiger Arbeit möchte ich nicht mehr selbstständig sein. Die Arbeitswoche hat 50 bis 60 Stunden“, sagt die gelernte Narkoseschwester. Der Einkauf, die Buchhaltung, all das erledigt sie zwischendurch auch noch. Früher habe sie sogar ihre Babys im Laden gestillt, erinnert sie sich. Im Alter von 17 Jahren hatte sie begonnen, in der Bäckerei zu arbeiten. Tagsüber verkauft sie all das, was ihr Mann nachts backt. „Wir haben nur ein Leben“, sagt sie. Und das wollen die Eheleute ab dem kommendem Jahr stärker genießen.
Für Ralf Merscher steht zunächst die Regeneration im Vordergrund. Fünf Bandscheibenvorfälle haben ihm in den vergangenen Jahren zu schaffen gemacht, auch die Handgelenke sind kaputt. „Dann werde ich mir eine Arbeit suchen, die nicht nachts stattfindet“, sagt er. Hin und wieder werde er vielleicht seinem Bruder helfen, der die Vollkornbäckerei Merscher mit Filialen in Klettenberg und Rodenkirchen betreibt. Zuletzt hatten Ralf und Elke Merscher sogar auf ausgiebigen Urlaub verzichtet. Ein paar Tage hatten sie auf dem Campingplatz am Heider Bergsee verbracht. „So konnte ich im Notfall schnell im Laden sein“, begründet der Bäcker die Wahl der Destination. Das soll sich bald ändern.
Ralf und Elke Merscher wollen nun die Stammkunden über die bevorstehende Schließung informieren. Ab dem 1. Januar wird dann ein Schild an der Ladentür hängen. Die Aufschrift soll lauten: „Wir schließen aus gesundheitlichen Gründen“.
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