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Sanierungsbedarf
Umzug des Autonomen Zentrums soll Stadt Köln eine Million Euro kosten

Lesezeit 6 Minuten
Die ehemaligen RGW-Zentrale in Köln-Kalk.

Die Stadt Köln will das Autonome Zentrum in der ehemaligen RGW-Zentrale in Kalk unterbringen.

Die Stadt Köln will sich den Umzug des AZ von Sülz nach Kalk fast 1,2 Millionen Euro kosten lassen. Doch es gibt Zweifel, ob diese Summe für die Sanierung des neuen Standorts ausreichen wird.

Wie berichtet, soll das Autonome Zentrum (AZ) sein bisheriges Domizil an der Luxemburger Straße 93 verlassen, weil die Stadt hier im Rahmen des Projekts Parkstadt Süd eine Grünfläche anlegen und so den Inneren Grüngürtel verlängern möchte. Als Alternative hat das Liegenschaftsamt dem AZ eine Immobilie im Gewerbehof „In den Reihen 16“ in Köln-Kalk angeboten. Dort sind bislang das Busunternehmen Piccolonia sowie mehrere Firmen und Künstler ansässig.

Vertreter des Autonomen Zentrums, das sich als linkes Politik-, Sozial- und Kultur-Projekt versteht (siehe Infotext unten), hatten am 1. Februar 2024 gemeinsam mit der Stadt und dem Busunternehmen eine Absichtserklärung unterschrieben. Der Umzug sollte ursprünglich bis Ende 2024 erfolgen. Jetzt werden die Pläne konkret.

Nach Rundschau-Informationen hat Liegenschaftsdezernent William Wolfgramm den Ratspolitikern einen Vorschlag unterbreitet, über den der Stadtrat am 14. November in nichtöffentlicher Sitzung entscheiden soll. Demnach stellt die Stadt dem AZ die Immobilie in Erbpacht zur Verfügung. Der Vertrag soll über 80 Jahre laufen, mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils zehn Jahre. Geschlossen wird er mit dem Verein „Kultur in Kalk e. V.“, dem das AZ laut Stadt „untersteht“.

Stadt Köln plant Erbpachtvertrag für neues Autonomes Zentrum

Der jährliche Erbpachtzins soll 0,75 Prozent vom Bodenwert betragen. Dies entspricht den neuen Vorgaben der Stadt für Erbbaurechtsverträge bei soziokultureller Nutzung und gemeinnützigen Zwecken. Den Bodenwert des Objekts hat die Stadt 2022 mit 459.000 Euro beziffert. Laut der Beschlussvorlage, die der Rundschau vorliegt, zahlt „Kultur in Kalk e. V.“ künftig 3442,50 Euro pro Jahr für die Immobilie, das sind 286,88 Euro im Monat.

Bei dem Ensemble aus Betriebs- und Bürogebäuden handelt es sich um die ehemalige Zentrale der Rechtsrheinischen Gas- und Wasserversorgung AG (RGW). Die Bauten stammen größtenteils aus den 50er- und 60er-Jahren. Nach Angaben der Stadt sind die Gebäude in einem so schlechten baulichen Zustand, dass sie bei der Berechnung des Erbbauzinses nicht berücksichtigt wurden.

Nach Aufgabe des Standorts durch die RGW hatte die Stadt das Areal 1996 erworben. Es wurde eine Weile durch die städtische Gebäudewirtschaft genutzt, bis diese 1999 ins neugebaute Stadthaus Deutz umzog. Aktuell wird es laut Stadt diversen Mietern zur Nutzung als Firmen- und Bürositz, als Künstlerateliers sowie für Lagerräume privater und gewerblicher Art „gegen eine geringe Miete überlassen“.

AZ soll Zuschuss für Sanierung der Gebäude in Köln-Kalk erhalten

Nach den Plänen des Liegenschaftsamts soll das 7165 Quadratmeter große Grundstück nun in drei Teile unterteilt werden. 2700 Quadratmeter gehen per Erbpacht an das AZ. 3980 Quadratmeter will die Stadt an den Busunternehmer verkaufen. Die restlichen 485 Quadratmeter, die mit einer Halle und einem Pförtnerhaus bebaut sind, verbleiben in städtischem Eigentum. Sie sollen langfristig an einen Sportverein vermietet werden, der bislang Räume in dem Gebäudeteil gemietet hat, der künftig vom AZ genutzt wird.

Der neue Standort des Autonomen Zentrums in Köln-Kalk.

Damit der Umzug des AZ möglich wird, sind laut Stadt in den Gebäuden, insbesondere im Hauptgebäude, „rudimentäre bauliche Ertüchtigungsmaßnahmen erforderlich“. Vorgesehen sei unter anderem die Erneuerung von Wasser- und Abwasserleitungen sowie der Rückbau und die Erneuerung von Elektroinstallationen. Außerdem seien Brandschutzmaßnahmen erforderlich, darunter der Einbau von Brandschutztüren und die Kennzeichnung von Rettungswegen. Auf die Instandsetzung der defekten Heizungsanlage solle verzichtet werden.

Für die erforderlichen „Minimalmaßnahmen“ der Sanierung will die Stadt dem AZ nach Rundschau-Informationen einen Baukostenzuschuss in Höhe von 855.000 Euro gewähren. Die Abwicklung des Projekts über einen Architekten als Treuhänder soll sicherstellen, dass die Mittel nicht zweckentfremdet werden. Hinzu kommen Kosten für Architektenleistungen in Höhe von 125.000 Euro. Die Aufteilung des Grundstücks inklusive Abbruch eines Anbaus und Bau einer neuen Zaunanlage schlägt mit weiteren 185.000 Euro zu Buche. Das sind insgesamt 1.165.000 Euro.

Vorgesehen ist, dass Mitglieder des AZ in den Gebäuden Eigenleistungen im Gegenwert von 209.000 Euro erbringen. Unter anderem sollen sie selbst die auszutauschenden Sanitäranlagen demontieren, bei Elektroinstallationen mithelfen, Trockenbauarbeiten durchführen und Ausbesserungen an Wänden vornehmen. Kritiker im Rathaus bezweifeln, dass das vorgesehene Budget für Sanierung und Brandschutzauflagen ausreichen wird. Der Liegenschaftsausschuss hat das Thema erst einmal ohne Votum in die Ratssitzung geschoben.

AZ: Mieter im Gewerbehof sollen die Kündigung erhalten

Laut dem vorliegenden Nutzungskonzept sind in den insgesamt vier Gebäuden künftig unter anderem Räume für Veranstaltungen bis 199 Personen, ein Foyer, ein Café, eine Küche, Sanitärräume, Büros und Lagerräume geplant. Das städtische Rechtsamt hat das geplante Treuhandmodell geprüft und keine Bedenken geäußert.

Im Gewerbehof „In den Reihen 16“ bestehen zurzeit laut Stadt noch 30 Mietverhältnisse. Man habe sie damals, so das Liegenschaftsamt, „unter der Annahme geschlossen, dass es sich lediglich um eine temporäre Nutzung der Liegenschaft handelt, bis sie endgültig umgenutzt wird. Vor diesem Hintergrund beträgt die Kündigungsfrist überwiegend einen Monat zum Ablauf eines Monats.“ Die Mieter seien im September 2022 und im Sommer 2024 über die geplante Nutzung durch das AZ informiert worden. Bevor die Sanierung beginne, „werden die Mietverträge für die benötigten Räumlichkeiten vertrags- und fristgerecht je nach Bedarf gekündigt“. Die Verwaltung helfe Betroffenen, neue Räume zu finden.

AZ in Kalk: Straßensperren und Barrikaden

Mit dem Umzug nach Kalk würde das AZ sozusagen zu seinen Wurzeln zurückkehren. Bis 2013 nutzt es die ehemalige KHD-Kantine in der Wiersbergstraße. Die Autonomen haben den leerstehenden Bau 2010 gewaltsam besetzt. Als die Eigentümerin, die Sparkasse Köln Bonn, das Gebäude 2011 zwangsräumen lassen will, errichten Aktivisten des AZ Straßensperren und Barrikaden. Schließlich gestattet die Sparkasse dem AZ vorerst die Nutzung.

Als 2013 erneut die Zwangsräumung droht, kleben mutmaßliche AZ-Sympathisanten die Haustür des damaligen Oberbürgermeisters Jürgen Roters (SPD) zu und drohen weiteren SPD-Politikern. Schließlich zieht das AZ im August 2013 in das leerstehende ehemalige Haus der städtischen Lebensmittelüberwachung am Eifelwall 7 um. Dort befindet sich heute das neue Stadtarchiv. Die Sparkasse bezahlt den Umzug. Nach dem Auszug des AZ aus der ehemaligen KHD-Kantine finden Bauarbeiter dort selbstgebastelte Waffen, Barrikaden und mit Steinen gefüllte Eimer.

2014 ziehen die Autonomen erneut um: in das leerstehende ehemalige Kanalbauamt der Stadt an der Luxemburger Straße 93. Dort läuft die Nutzungsgenehmigung bereits 2018 aus. Weil die Verhandlungen über einen neuen Standort so lange dauern, verlängert die Stadt sie immer wieder um ein Jahr.


Was passiert im Autonomen Zentrum?

Laut dem Liegenschaftsamt der Stadt Köln versteht sich das AZ „als ein Ort, der von der Beteiligung vieler Menschen lebt. Es ist ein Treffpunkt für organisierte und nicht-organisierte Menschen aus den verschiedensten sozialen, politischen und kulturellen Zusammenhängen und untersteht dem Verein Kultur in Kalk e.V.“

Im ehemaligen Kanalbauamt an der Luxemburger Straße führt das AZ verschiedene Veranstaltungen durch, engagiert sich für Lebensmittelrettung und betreibt einen Umsonstladen, in dem unter anderem gebrauchte Kleidung kostenlos abgegeben wird. Laut seinem Veranstaltungskalender gibt es ein Improvisationstheater, eine „offene Siebdruckwerkstatt“, ein „offenes Kunsttreffen“, ein „anarchistisches Forum“ sowie zahlreiche Partys und Raves.