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Theodor Wonja Michael BibliothekRäume von Schwarzer Bibliothek in Köln gekündigt - Verein äußert Rassismus-Vorwürfe

Lesezeit 5 Minuten
Eine Lesung im Raum der Theodor Wonja Michael Bibliothek

Eine Lesung im Raum der Theodor Wonja Michael Bibliothek

Die Bibliothek sucht nun nach einem neuen Zuhause. Der Hausverwalter weist rassistische Motive für die Kündigung von sich und spricht von unsachgemäßer Nutzung.

Die Nachricht verbreitete sich schnell, als die Theodor Wonja Michael Bibliothek vor rund zwei Jahren eröffnete: Die erste Schwarze Bibliothek NRWs mitten in Köln. Sie wurde zu einem Ort der Begegnung zwischen allen Kölnerinnen und Kölnern, Politiker kamen zu Besuch — nicht zuletzt auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Bibliothek war zudem unter den Nominierten des 14. Kölner Kulturpreises. Jetzt könnte die Erfolgsgeschichte abrupt enden.

Nach einer Begehung im Mai ist die Kündigung für die Räumlichkeiten in der Victoriastraße 6-8 nahe dem Hauptbahnhof hereingeflattert, am 1. Oktober müssen die Bibliothek und der Verein, der sie betreibt, raus sein. Mitgründerin Glenda Obermuller beschäftigen gerade zwei Dinge. Erstens: Wo soll das Projekt bei den horrenden Mieten in Köln jetzt hin? Und zweitens: Die Art der Kündigung. Denn die lasse auch auf rassistische Motive schließen. Beide Seiten werfen einander Lügen vor.

Die Bibliothek nimmt einen Raum in dem Mietshaus ein, in den restlichen Räumen befinden sich Büros. Mieter ist der Verein „Sonnenblumen Community Development Group“ (SCDG). Er soll Menschen mit Migrationshintergrund ermutigen, am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilzunehmen. Obermuller und ihr ehrenamtliches Team bieten Beratungen an, manchmal organisieren sie in der Bibliothek Treffen oder Workshops. „Was der Hausverwalter tut, ist legal, aber menschlich nicht in Ordnung“, finden Obermuller und ihr Anwalt. Sie nennt die Kündigung „ungerecht“.

Ich habe das Gefühl, er hat von Anfang an versucht, uns hier rauszubekommen und nach Gründen gesucht.
Glenda Obermuller, Mitgründerin Theodor Wonja Michael Bibliothek

Mit dem Kündigungsschreiben wurde auch eine Abmahnung übergeben. Darin steht: „Sie betreiben im Obergeschoss der Einheit eine öffentliche Bibliothek, für die auch im Internet Werbung betrieben wird und Öffnungszeiten angegeben sind. Abgesehen davon, dass es für eine solche Nutzung strenger, behördlicher Auflagen und Genehmigungen bedarf, die in diesem Fall schon auf Grund der baulichen Voraussetzungen nicht vorliegen dürften, entspricht dies nicht dem vertraglich vereinbarten Mietzweck.“

„Ich habe das Gefühl, er hat von Anfang an versucht, uns hier rauszubekommen und nach Gründen gesucht“, sagt Obermuller dazu. „Die Abmahnung ist nur zwei Tage vor der Kündigung datiert.“ Sie fragt sich, warum es davor nie eine Abmahnung gegeben hat.

Eine Überraschung war die Kündigung für Obermuller dennoch nicht. „Uns wurde schon seit zwei Jahren immer wieder mit der Kündigung gedroht“, sagt sie. Die Bibliothek sei dabei aber nie Thema gewesen. Es ging um Probleme in dem Wohnhaus, wie Ratten, einen Wasserschaden oder Schimmel, die der Verwalter weitestgehend auf die Nutzung durch den Verein bezogen haben soll. Als sie die Probleme bei der Verwaltung beanstanden wollte, habe es jedes Mal sinngemäß geheißen: „Passen Sie auf, sonst sind Sie hier ganz schnell raus.“

Schwarze Bibliothek Köln: Verwalter weist Rassismus von sich

Der Verwalter weist auf Nachfrage der Rundschau rassistische Motive für die Kündigung von sich. Der Verein ziehe die „Rassismuskarte“, weil er mit dem, was er will, nicht weiterkomme. „Fakt ist, es ist ein Büro gemietet worden, was nicht als Büro genutzt wird, sondern als Veranstaltungslocation und Bibliothek, wofür einfach baurechtliche Voraussetzungen nicht gegeben sind“, sagt er.

„Zu diesem ‚Theater‘ kamen immer wieder diese Vorwürfe hinzu. Da ist das Fass übergelaufen und wir haben dem Ganzen mit einer Kündigung ein Ende gemacht.“ Man sorge sich außerdem um die Sicherheit der Gäste des Vereins. „Es ist ein eher enges Wohnhaus ohne Fluchtwege. Zuletzt waren dort wieder rund 30 Leute drin. Der Aufschrei wäre groß, wenn dort was passieren würde.“

Dass es auch Hilfsaktionen für geflüchtete Schwarze Studierende aus der Ukraine gab, fand der Verwalter grundsätzlich „löblich“. Doch dass im Rahmen der Aktion Nahrung im Keller gelagert wurde, habe zu Rattenbefall geführt. Und die Kündigungsdrohungen? Einmalig habe er eine solche Androhung ausgesprochen, räumt der Verwalter ein. Das sei aber im Affekt passiert.

Einige Fraktionen sagen Unterstützung zu

Der Verein fügt sich notgedrungen der Kündigung. Das Verhältnis zum Verwalter sei schlichtweg zerrüttet, sagt Obermuller. Sie sei nun auf der schwierigen Suche nach Alternativen. „Ich mache mir jetzt große Sorgen um die Zukunft der Bibliothek. Wir haben hier rund 1700 Euro warm bezahlt. So etwas finden wir nicht nochmals.“ Sie hat sich bereits mit einem Brief an Henriette Reker gewandt, in dem sie die Stadt um die Bereitstellung von Räumlichkeiten und langfristige Förderung der Bibliothek bittet.

Aus der Politik stellen sich Unterstützer hinter Obermullers Projekt: „Die Bibliothek ist sehr wichtig für die Schwarze Community und für Köln. Ihr Erhalt ist von großer Bedeutung für die gelebte Vielfalt in unserer Stadt“, sagt Brigitta von Bülow, Bürgermeisterin und Kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Kölner Rat. „Dieser Ort des Empowerments (Selbstermächtigung) und des würdigen Gedenkens an Theodor Wonja Michael muss erhalten bleiben. Die Aufbruchsstimmung und die große Energie, die seit der Eröffnung von der Bibliothek ausgeht, darf jetzt nicht verloren gehen. Die Stadt sollte deshalb unbedingt bei der Suche nach neuen Räumen unterstützen.“

So sieht das auch Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Ratsfraktion: „Als erste schwarze Bibliothek in NRW hat die Theodor Wonja Michael Bibliothek eine besondere Bedeutung für Köln und die Community. Wir hoffen auf den Fortbestand dieses Begegnungs- und Lernortes, der vom Kölner Kulturrat bereits für den Kulturpreis nominiert wurde. Entsprechende Bestrebungen der Stadt werden wir unterstützen“, so der Liberale. Anfragen an die SPD und CDU zu der Auseinandersetzung blieben am Dienstag unbeantwortet.

Das Dezernat für Kunst und Kultur habe gestern erst von der Kündigung erfahren, teilte Benjamin Thele, Leiter der Stabsstelle Kulturraummanagement mit. „Wir nehmen aber gerne Kontakt zu dem Verein auf, um zu prüfen, wie wir vielleicht unterstützen können.“


Die Theodor Wonja Michael Bibliothek

N'joula Baryoh (v.l.), Glenda Obermuller und Lamin Kargbo gründeten die Bibliothek.

N'joula Baryoh (v.l.), Glenda Obermuller und Lamin Kargbo gründeten die Bibliothek.

2022 eröffnete die ehrenamtliche Theodor Wonja Michael Bibliothek in Köln. Sie ist die erste Schwarze Bibliothek in NRW. Gegründet wurde sie von Glenda Obermuller (Mitte), N'Joula Baryoh und Lamin Kargbo. Namensgeber ist der Zeitzeuge, Journalist und Schauspieler Theodor Wonja Michael (1925-2019).

Das Büchersortiment umfasst rund 6000 Exemplare. Darunter Literatur von Schwarzen Autorinnen und Autoren und denen, die Schwarze Lebensrealitäten abbilden. Der Auslöser für die Gründung war der gewaltsame Tod des Schwarzen George Floyd 2020 in Minneapolis durch einen weißen Polizisten. Betreiber der Bibliothek ist der Verein „Sonnenblumen Community Development Group“ von Obermuller.

Zahlreiche Projekte und Initiativen fanden in den Kreisen der Bibliothek ihren Anfang. Darunter die Initiative „N-Wort Stoppen“, die zur Ächtung des N-Wortes in Köln führte und das Proud-Event. Außerdem hat die Bibliothek mit der TH Köln und der Universität zu Köln kooperiert.