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Nach Ausschreitungen in BerlinWie sich der Nahost-Krieg auf den Kölner Schulalltag auswirkt

Lesezeit 5 Minuten
Ein Schulgebäude.

Die Lauder-Morijah-Schule in Ehrenfeld.

Durch den Terror der Hamas in Israel hat sich die Welt in den NRW-Herbstferien verändert. Ein Stimmungsbild am ersten Schultag.

Was tun, wenn es offenen Antisemitismus an der Schule gibt? Wie mit den verstörenden Bildern aus Israel und dem Gazastreifen umgehen? Können Ausschreitungen wie in Berlin, wo es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Schülern und einem Lehrer kam, auch in Köln stattfinden? Für Lehrkräfte war der erste Schultag nach den Herbstferien eine Herausforderung.

„Mir war es wichtig, ein Bekenntnis zum gewaltfreien Zusammensein zu machen“, sagt Rolf Grisard, Schulleiter der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Chorweiler. Deshalb hatte er sich entschlossen, am Morgen eine Durchsage zu machen. Am letzten Ferientag hatte er seine kurze Ansprache ins Kollegium geschickt und Zustimmung erfahren. „Wir behalten unser Ziel im Auge, dass wir friedlich miteinander umgehen“, teilte er über die Lautsprecher den rund 1600 Schülerinnen und Schülern, von denen viele muslimisch sind, mit. „Als Lehrerinnen und Lehrer sind wir ansprechbar für eure Fragen und helfen euch dabei, euch über die Geschichte von und die Situation in Israel und Palästina zu informieren“, sagte Grisard und fügte hinzu: „Wir machen unser Beileid deutlich für alle Opfer des Terroranschlags und auch die vielen Opfer, die folgen - in Israel, in Palästina und leider auch vielen anderen Ländern in der Welt.“ Danach rief er zu einer Minute des Schweigens und Sich-Sammelns auf.

„Die Rückmeldungen aus dem Kollegium waren durchweg positiv“, sagt Grisard. In vielen Klassen hätte es eine fruchtbare Diskussion gegeben. Gemeinsam habe man im Kollegium überlegt, was man machen wolle, falls ein Schüler eine Palästina-Flagge mitbrächte. „Klar ist, dass wir keine Verbotspolitik wollen, sondern eine Gesprächspolitik“, macht Grisard deutlich.

Unter den Schülern kaum Thema

So offensiv wie an der Chorweiler Gesamtschule gingen nach Rundschau-Recherchen kaum Schulleitungen in Köln auf den Terror in Israel ein. „Der Nahost-Konflikt war in der Schülerschaft kein Thema. Aber die Schülerinnen und Schüler wissen, dass sie immer auf uns zukommen können“, sagt Andrea Knossalla, Schulleiterin an der Gemeinschaftshauptschule Bilderstöckchen. Das Material zum Nahost-Konflikt, das NRW-Schulministerin Dorothee Feller zusammen mit einem Brief am Donnerstag an alle Schulleitungen des Landes schickte, findet Knossalla gut.

„Wir haben uns schon während der Herbstferien im Chat unter den Lehrkräften ausgestauscht“, erklärt Susanne Gehlen, Direktorin des Genoveva-Gymnasiums. Geschichtslehrer Felix Bjerke, der auch schon eine Antirassismus-Fortbildung für das Kollegium organisierte, versorgte die Kolleginnen und Kollegen mit Hintergrundinformationen. „Wir wollten wissen, was Fallstricke sein können. Wir sind da gut hinein gestartet“, urteilt Gehlen. Bei Bedarf möchte sie zusammen mit der Schülervertretung etwas organisieren. „Dann wird das auch besser von allen mitgetragen“, findet sie.

Konflikte eher in Sozialen Medien

„Die Kollegen sind sensibilisiert“, sagt Oliver Baum, Direktor des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums in Nippes. Er hat das Material aus Düsseldorf weitergeleitet ans Kollegium. „In der Schülerschaft war der Nahost-Konflikt allerdings kein offensichtliches Thema heute“, bestätigt Baum den Eindruck, den viele Kölner Lehrkräfte am ersten Schultag nach den Herbstferien gewonnen haben.

„Dass Konflikte auf dem Schulhof ausgetragen werden, hatten wir bisher selten“, sagt ein stellvertretender Schulleiter. Seiner Erfahrung nach verlagern sie sich oft in WhatsApp-Gruppen. In den Klassen-Chats habe es in der Vergangenheit immer wieder Gewalt verherrlichende oder antisemitische Posts gegeben. „Wenn wir davon durch einen Screenshot Kenntnis erlangt haben, haben wir die Polizei eingeschaltet“, sagt er.

Sorge an jüdischer Grundschule

Konkrete Sorge haben indes die Eltern der Kinder, die auf die Lauder-Morijah-Grundschule in Ehrenfeld gehen. Auf der Grundschule, die die einzige jüdische Schule in Köln ist, werden rund 70 Kinder unterrichtet. Am Montag fand wegen eines Projekttags noch kein Unterricht statt. „Wir hatten viele Anrufe von besorgten Eltern, die Übergriffe fürchten“, sagt eine Mitarbeiterin. Die Ereignisse in Israel würden auf jeden Fall auch im Unterricht thematisiert werden.

Unterrichtsthema an Realschule

„Eine Situation an unserer Schule schaffen, in der die Kinder und Jugendlichen über alles sprechen können, was sie bewegt – bei all den schrecklichen Bildern, die sie in diesen Tagen sehen.“ Das hatte sich Susanne Braun, Schulleiterin der Peter-Ustinov-Realschule in Nippes vorgenommen. Und auch, Konflikte zwischen den Schülerinnen und Schülern gar nicht erst aufkommen lassen, „denn wir haben Kinder, die jüdische, muslimischen oder christlichen Religionsgemeinschaften angehören. Oder auch gar keiner“.

In einer Mail informierte sie alle Eltern am Ende der Herbstferien darüber, wie die Schulgemeinschaft mit dem Themenfeld umgehen wird. An Elternschaft und Kollegium leitete sie auch die Mail- des Landes NRW, die zahlreiche Links zum Thema enthält, weiter. „Etwa den zur ZDF-Sendung Logo, die sich vor allem an die Jüngeren richtet.“ Zugleich forderte sie alle Eltern auf, darauf zu achten, dass ihre Kinder keine Symbole mit in die Schule bringen, um die Solidarität mit einer der Konfliktparteien zu bekunden.

„Am ersten Schultag, haben wir dann erstmal geschaut, welche Fragen und Ängste unsere Kinder und Jugendlichen haben. Etwa, ob der Krieg jetzt auch zu uns kommt, wo er doch schon in der Ukraine und in Israel stattfindet“, schildert Braun. „Und den Schülerinnen und Schülern vermittelt, dass wir als Schulgemeinschaft tiefes Mitgefühl mit allen Opfern von Gewalt haben und mit ihnen solidarisch sind.“

In den kommenden Tagen werde das Thema im Politik, Geschichts- und Erdkundeunterricht in allen Stufen angesprochen werden. Thematisiert werde etwa, was den Kindern im Internet begegnet sei, auch an manipulativen Inhalten, so Susanne Braun. „Und natürlich, wie wir unsere Schule, an der ja auch ukrainische und russische Kinder gut zusammen lernen, auch weiterhin als einen Ort erhalten können, an dem wir friedlich zusammenleben.“