Die Kölner Autorin Melanie Raabe ist Mauersegler-Botschafterin und total fasziniert von den flinken Vögeln. Auch sie selbst träumte als Kind gerne vom Fliegen.
Das andere GesprächMelanie Raabe, haben Sie sich schon mal vorgestellt, ein Mauersegler zu sein?
Mauersegler verbringen fast ihr ganzes Leben in der Luft.
Ja – ist das nicht toll? Wenn man sein ganzes Leben in der Luft verbringen könnte, das wäre eine schöne Vorstellung. Luft ist viel mehr mein Element als Wasser. Wenn ich auf einem Schiff bin, denke ich, jetzt gehen wir bald unter. Ich habe wohl das Gegenteil von Höhenangst.
Was ist so faszinierend an Mauerseglern?
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Wenn sie einem einmal aufgefallen sind, hört man sie immer. Es sind unglaublich auffällige Tiere. Einmal, weil sie ein ganz besonderes Flugverhalten haben und auch, weil ihr Ruf ganz ungewöhnlich klingt. Heute scheinen sie übrigens sehr ruhig zu sein...
Was ist so besonders an ihrem Ruf?
Er ist ganz speziell, laut und etwas schrill. Immer da, aber trotzdem oft unbemerkt. Wenn man aber einmal darauf geachtet hat, hört man ihn immer wieder. Was ja auch eine Metapher sein könnte, für was auch immer (lacht).
Wann sind sie Ihnen zum ersten Mal aufgefallen?
Als sich bei uns im Dach welche eingenistet haben. Das war noch nicht in Köln. Wir saßen auf dem Balkon, haben gelesen oder gegrillt, und unter uns haben die Mauersegler unablässig aus- und eingeparkt. Das war wirklich spektakulär, weil alles in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit passiert. Manchmal hatten wir das Gefühl, jetzt fliegen sie dich direkt an. Erst im letzten Moment sind sie dann wieder abgedreht. Keine Ahnung wie die das machen, sind ja schließlich keine Fledermäuse.
Für Unterhaltung haben sie jedenfalls gesorgt.
Ja, besonders wenn wir die Kleinen im Nest piepsen hörten. Die waren ganz schön laut.
Seitdem haben Sie Mauersegler begleitet?
Überall wo ich gewohnt habe, waren auch Mauersegler. Leider gibt es immer weniger, der Bestand ist in den letzten Jahrzehnten geschrumpft. Auch wenn sie noch nicht gefährdet sind.
Woran liegt das?
Moderne Bebauung lässt keine Nischen mehr für den Nestbau, alles ist flächig versiegelt. Außerdem haben wir ein massives Insektensterben, von denen sich Mauersegler hauptsächlich ernähren. Und letztlich hat das sicher auch etwas mit dem Klimawandel zu tun. Hitze, Trockenheit, vor allem in Dachstühlen – manchmal springen die Kleinen sogar einfach aus dem Nest hinunter und vergessen dabei, dass sie noch gar nicht fliegen können.
Melanie Raabe ist Mauersegler-Botschafterin
Sie sind Mauersegler-Botschafterin des Naturschutzbundes. Wie kam es dazu?
Der Nabu hatte mich vor einigen Monaten schon gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich habe gesagt, klar – aber dann will ich Botschafterin für Mauersegler werden. Es gibt Botschafter für alle möglichen Tierarten, es geht vor allem darum, ein Bewusstsein für die Tiere zu schaffen – auch, wenn sie nicht direkt gefährdet sind. Für Mauersegler gibt es beim Nabu übrigens eine spezielle Bauanleitung für Nistkästen, die sie akzeptieren. Manchmal nisten sich allerdings auch Blaumeisen darin ein, auch sehr hübsch.
Sie sind sehr aktiv beim Thema Umwelt.
Ich glaube, es war Maria Furtwängler, die mal gesagt hat ,Wenn wir über Klimawandel reden, reden wir darüber, wie wir überleben. Beim Insektensterben reden wir darüber, ob wir überleben.' Das fand ich sehr schlüssig.
Können Sie Mauersegler im Flug erkennen?
Auf jeden Fall. Das sieht immer aus, als würden sie in den Himmel katapultiert. Ganz anders als Schwalben zum Beispiel.
Was verbinden Sie mit Mauerseglern?
Sommer. Ab März, April beginnt mein ganz persönlicher Mauersegler-Watch. Ich weiß, die ersten müssten bald kommen und freue mich, dass es jetzt Sommer wird, warm und hell. Sobald die ersten Mauersegler da sind, schreibe ich es mir auf. Wenn der erste eintrifft, weiß ich, jetzt kommen bald die anderen.
Mauersegler sind Zugvögel. Sehnen Sie sich auch nach der Ferne?
Mal so, mal so. Während Corona total, und ich bin auch viel unterwegs. Möglichst wenig mit dem Flugzeug, des Klimas wegen. Aber ich liebe es auch, in Köln zu sein. Im Moment bin ich ein wenig reisemüde, die nächsten drei Monate habe ich alle Anfragen blockiert. Ich schreibe viel in meiner Wohnung, in Cafés, genieße die Stadt. Ich kenne inzwischen viele Städte – und Köln ist die freundlichste. Auch wenn auch hier vieles nicht gut läuft.
Trotzdem sind Sie regelmäßig in New York.
Ja, da muss ich einfach regelmäßig hin, war auch dieses Jahr schon dort. Geht leider nur mit dem Flugzeug...
Keine Mauersegler in New York
Was verbindet Sie mit New York?
Es ist ein wahnsinnig kreative Stadt, du hast das Gefühl, du bist im Zentrum der Welt. Und obwohl New York riesig ist, ist es irgendwie auch übersichtlich. Manhattan etwa hast du dir ganz schnell erlaufen. Außerdem brüsten sich die Menschen hier damit, etwas rauer zu sein als im Rest Amerikas – was aber überhaupt nicht stimmt, das sind unglaublich nette Leute. Die Stadt steht wirklich für sich allein.
Aber es gibt dort keine Mauersegler.
Leider, stimmt. Die gibt es nur in Europa, Asien und im Winter in Afrika. Übrigens gibt es dort ganzjährig auch Vogelarten, die unserem Mauersegler sehr ähnlich sind – der Palmensegler etwa, der ganz ähnlich fliegt, sich aber anders verhält als unser Mauersegler.
Mauersegler können wahnsinnig schnell werden, bis zu 200 Kilometer pro Stunde. Entspricht das Ihrem Lebensstil?
Nein, eigentlich gar nicht. Ich überlege lange, bevor ich etwas mache. Schreibe Bücher und keine Tweets, denke lange über Themen nach. Die meisten meiner Freundschaften sind sehr alt, teilweise noch aus Grundschulzeiten.
Haben Sie sich schon vorgestellt, ein Mauersegler zu sein?
Also nicht besonders Social-Media-affin?
Ich mache das, aber ich habe ein sehr zwiespältiges Gefühl damit. Meinen Twitter-Account habe ich schon vor Jahren gelöscht, seitdem ist mein Leben viel besser geworden. Unser „Mental Load“ sollte eigentlich in ganz andere Dinge fließen als in Instagram oder Facebook.
Haben Sie sich schon mal vorgestellt, selbst ein Mauersegler zu sein?
Tatsächlich, manchmal ja. Als Kind hat man ja oft wiederkehrende Träume. Ich habe oft davon geträumt, dass ich fliegen kann. Als Erwachsene klappt das leider nicht mehr so gut. Aber ich glaube, Mauersegler zu sein ist richtig gut. Ich habe allerdings auch schon mal einen abgestürzten gefunden, das war schlimm. Den haben wir in eine Tierklinik gebracht, da ist er dann eingeschläfert worden.
Mögen Sie Falken?
Ja, sehr. Warum?
Weil sie Mauersegler fressen.
Stimmt schon, aber alles frisst schließlich irgendwas. Greifvögel sind einfach toll. Die habe ich früher schon zusammen mit meinem Großvater auf dem Dorf beobachtet.
Zieht es Sie selbst in die Luft?
Fallschirmspringen würde ich schon gerne mal, Bungee bin ich auch schon gesprungen. Aber Basejump zum Beispiel wäre nichts für mich, da kann dann doch zu viel schiefgehen.
Und Segelfliegen?
Habe ich noch gar nicht richtig drüber nachgedacht. Aber das ist eine schöne Vorstellung. Ich kenne sogar jemanden, der das macht – sollte ich vielleicht mal anrufen... Aber jetzt geht es ganz bodenständig zunächst mal zurück an den Schreibtisch.