Zur Feier des 99. Geburtstags versammeln sich die Anwohner und die Gesangstruppe „Mösche vun d'r Ülepooz“ vor der Veedelskneipe „Haus Thomas“, um Ludwig Sebus zu ehren.
Legendäre Feier in KölnLudwig Sebus feiert seinen 99. Geburstag
Der Verkehr auf der Rochusstraße in Bickendorf kommt kurzzeitig zum Erliegen am Donnerstagabend. Zu groß ist die Menschentraube, die sich vor der Veedelskneipe „Haus Thomas“ versammelt hat und in den Gesang der „Mösche vun d'r Ülepooz“, einer Gesangstruppe der Roten Funken, einstimmt. „Er lebe hoch“ singen sie, und es folgen weitere Geburtstagsständchen. Rote Herzballons hängen am Eingang der Gaststätte, keine 99 zwar, aber das spielt keine Rolle, Kinder und Enkelkinder haben für ihren Vater und Großvater geschmückt. Der steht inmitten der Menschentraube, weißes Hemd, strahlendes Lächeln. Ludwig Sebus feiert seinen 99. Geburtstag.
Ludwig Sebus: Wem im Alter nichts weh tut, der ist längst tot
Weil sich niemand zu fragen traut, stellt sich Ludwig Sebus die entscheidende Frage selbst: „Wie ist es, wenn man 99 Jahre alt ist?“ Die Antwort liefert er selbstverständlich direkt mit: „Man sieht manchmal Menschen im Fernsehen, die strahlen. Aber das ist alles gelogen“, sagt er und lacht. „Wenn einer in meinem Alter nichts hat, ist er vom Arzt falsch behandelt worden“, scherzt er. Mit anderen Worten: Wem in diesem Alter nichts weh tut, der muss längst tot sein. Und dann hat er noch eine Mitteilung „für alle Gäste, die sehr lange bleiben wollen“, die er mit gespielter Betroffenheit vorträgt: „Ich muss euch leider enttäuschen. Das Feuerwerk fällt heute leider aus, es gab keine Genehmigung“, meint er und lacht sein verschmitztes Lachen.
Wenn die Gäste singen, plaudern oder ihre Geschenke überreichen, schwingt bei vielen von ihnen die Gewissheit mit, einen besonderen Menschen zu kennen und mit ihm feiern zu dürfen. Sebus ist schon lange mehr als ein Krätzjensänger, der den Menschen in der Stadt lustige Lieder mit Humor und Tiefgang geschenkt hat. Er ist begehrter Zeitzeuge für die Kriegs- und Nachkriegszeit, er hat Köln in Trümmern erlebt und den Übergang in die Moderne begleitet. Gefragt ist er nicht bloß wegen seines Alters, sondern wegen seiner wachen und kritischen Ansichten, die er noch immer zu äußern vermag.
Denkmal zu Ehren von Ludwig Sebus?
Erst vor wenigen Wochen hat Ludwig Sebus an der Enthüllung des Denkmals für den karnevalistischen Spaßmacher Hans Süper in Sülz teilgenommen und ihm zu Ehren ein Lied gesungen. Dass für ihn selbst irgendwann auch mal ein Denkmal in Köln stehen wird, gilt als sicher, die CDU würde am liebsten sofort einen Bildhauer beauftragen. „Für mich gehört Ludwig Sebus zu Lebzeiten als Ausnahmepersönlichkeit gewürdigt“, findet CDU-Chef Alexander Mandl und regt an, schon jetzt über „ein Denkmal im Herzen Kölns zu entscheiden.“ Ziel sei es, „seinen Einsatz und seine Bedeutung für diese Stadt für alle Folgegenerationen in dankbarer Erinnerung zu halten.“
Immer dann, wenn für das Bündnis „Arsch huh“ wieder die Zeit für große Kundgebungen gegen Rechts gekommen ist, betritt Sebus die Bühne, erzählt von Krieg, Tot, Vertreibung und den Gefahren einer gespaltenen, feindseligen Gesellschaft. Bei solchen Auftritten zieht er die Menschen in seinen Bann, die erst mit andächtiger Stille und dann mit großem Applaus reagieren.
Nun ist ein „kleiner Kreis“ von Gratulantinnen und Gratulanten gekommen, Musiker aus dem Karneval spielen ihm ein Ständchen, Freunde und Wegbegleiter stoßen mit ihm an. Als die Sänger der Roten Funken fertig sind, setzt auf der anderen Straßenseite ein Blasquartett der Rheinischen Musikschule ein, spielt zunächst das Veedelslied und dann „Do bes die Stadt“ und den „Stammbaum“ - die Bläck Fööss-Hymne für den Zusammenhalt in der Stadt. Weil Sebus ein freundlicher Mensch ist, geht er hinüber zu den jungen Musikern, die eine Kooperation mit den Roten Funken pflegen, setzt sich auf einen Stuhl und lauscht dem blechernen Spiel.
Und wieder singen die Menschen mit. Ein Zusammenspiel der Generationen. So hat es Sebus am liebsten.