AboAbonnieren

Weinberg am ChlodwigplatzStadtwinzer zieht eine positive Bilanz der Saison

Lesezeit 4 Minuten

Der Stadtwinzer Thomas Eichert mit seinem Weinberg.

Neustadt-Süd – „Es ist unfassbar!“ Thomas Eichert steht im Weinberg am Chlodwigplatz und kann nicht glauben, was er gerade gesehen hat. „Ich habe 126 Öchsle gemessen. Für einen August ist das sensationell“, jubelt er nach einem Blick durch das Refraktometer. „Das ist Trockenbeerenauslese. Danach kommt nur noch Eiswein.“ Sechs Sorten hat der Stadtwinzer im Schatten der Severinstorburg angepflanzt: Die Weißweine Solaris, Johanniter, Sauvignier gris und die Rotweine Cabernet cortis, Monarch und Accent. Spitzenreiter in der Öchsle-Tabelle ist die Solaris-Traube. Die anderen fünf Sorten haben auch schon über 90 Öchsle. 80 sind das Mindestmostgewicht, um Wein herzustellen.

Eichert ist mit dem Saisonverlauf restlos zufrieden. Im zweiten Jahr hat er den Hügel, die „einzige als landwirtschaftlich nutzbar ausgewiesene Fläche in der Innenstadt“, gepachtet. Einen Euro zahlt er dafür pro Jahr. Eigentlich hat der Stadtwinzer nicht damit gerechnet, schon in diesem Jahr Wein herzustellen. „Am Anfang dachte ich, das dauert drei oder vier Jahre bis zum ersten trinkbaren Tropfen.“ Auch die Hitze im Juli habe den Trauben nicht wirklich etwas anhaben können. „Ich habe Glück gehabt. Keiner meiner Rebstöcke hat zu Zeiten großer Hitze geblüht.“ Gießen musste er fast gar nicht. Und wenn doch, erhielt er das Wasser auf dem kleinen Dienstweg. Dann hängt Cornelia Rademacher-Jülich, Pächterin der Torburg, einfach einen Schlauch aus dem Fenster. Und nicht zuletzt dem erstklassigen Boden sei es geschuldet, dass er in den nächsten Tagen damit beginnen könne, die Trauben zu pressen. Sehr alt sei die Erde, die ehedem zu dem Wall gehörte, auf dem die Stadtmauer stand. Hin und wieder findet man auch eine Scherbe aus römischer Zeit.

Wein in Köln

Der Weinanbau in der Südstadt hat Tradition. Bei einem Bauprojekt am Kartäuserwall entdeckte man einen Weingarten der Kartäusermönche. Auf einer Steintafel konnte man lesen, dass die Kartause 1556 ein Weingut nebst Haus, Stallungen, Kelter und Garten sowie drei Morgen Weingärten für 29 Gulden verpachtet hatte. (ran)

Wildpinkler kein Problem mehr

Offensichtlich hat es der Bodenqualität nicht geschadet, dass der Hügel an den tollen Tagen Session für Session zum Hotspot der Wildpinkler wurde. In diesem Jahr übrigens nicht, wie der Stadtwinzer betont. Sein Verpächter, das Liegenschaftsamt, hatte nach monatelanger Vorbereitung ein hüfthohes Zäunchen vor den Weinberg des Herrn Eichert gezogen. Der glaubt allerdings auch, dass die Narren ihre Geschäfte aus Respekt vor seinem Wein an anderen Orten abwickeln. Und hofft, dass das auch so bleibt. Er hat Verbündete: „Die unauffällige Pinkelrinne hinter einer grauen Metallwand hat sich besonders an dieser Engstelle bewährt. Der Toilettenwagen für die Mädels stand neben dem U-Bahn-Aufzug. Viel besser!“ Aber es gibt auch Anlass für Kritik: „Leider war der Weihnachtsmarkt eine optische und logistische Katastrophe: Der überteuerte, mit Personal bestückte Toilettenwagen wurde wenig genutzt, seine Abwässer wurden über ein offenes Rohr in einen offenen Kanaldeckel geleitet und die rundherum entstehenden Pfützen mit Katzenstreu gebändigt. Die Leute pinkelten daneben auf die mächtigen Stromleitungen.“ Na ja, zumindest nicht zwischen die Weinstöcke.

Dank der guten Bodenqualität ist die Bilanz der Weinbergsaison äußerst zufriedenstellend für den Stadtwinzer Eichert.

Aber Eichert erntet nicht nur Trauben, sondern auch selbst Kritik. „Weinbau schön und gut, aber das mit dem Unkraut haben wir uns anders vorgestellt“, hat er im Liegenschaftsamt gehört. Das „Unkraut“ ist eine Dauerbegrünung aus 200 verschiedenen Pflanzen, die den Boden verbessern und Insekten zum Verweilen einladen. Eichert hat schon 20 Bienen auf einem Quadratmeter gezählt. „Jetzt warte ich nur noch auf Eidechsen.“

Zwei Anwärterinnen auf den Titel der Weinkönigin

Aber der Stadtwinzer hat auch ein Problem. Bisher presst er im eigenen Wohnzimmer. Und da er sich noch um andere Weinstöcke in der Stadt kümmert, braucht er einen Raum zum Keltern. „Perfekt wäre ein Erdgeschossraum in der Südstadt mit Strom- und Wasseranschluss. Eine Garage oder ein Hinterhofgebäude. Idealerweise mit einem kühlen Keller darunter“, sagt Eichert. Und bezahlbar sollte das alles auch noch sein, denn er arbeitet ehrenamtlich. „Ich darf den Wein laut Pachtvertrag nicht verkaufen. Ich darf ihn nur selbst und mit guten Freunden trinken.“ Sein Freundeskreis ist in den vergangenen Monaten nicht kleiner geworden. Cornelia Rademacher-Jülich und Hülya Wolf, Wirtin der Kneipe „Torburg“ gegenüber vom Weinberg, gehören aber schon viel länger dazu.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit denen hat der Stadtwinzer ein ganz anderes „Problem“. Beide konkurrieren nämlich um den Titel der Weinkönigin. Der Winzer hat schon mit dem Namen Schwierigkeiten. „Königin gefällt mir nicht. Der Kölner hat es ja nicht so mit der Monarchie. Mit schwebt da irgendwas Demokratisches vor.“ Aber welche Anwärterin am Ende das Rennen macht, für das es noch keine Regeln gibt, ist völlig offen. Fortsetzung folgt.