Die AWB reihen sich ein in eine lange Reihe von irrtümlichen Kunstbeseitigern. Es traf den Schweizer Harald Naegeli.
„Tragisches Versehen“Kölner AWB entfernen versehentlich Graffiti-Kunstwerk
Die Stadt spricht von einem „tragischen Versehen“, Spötter werden sagen: Endlich haben die AWB mal sauber gearbeitet. Durch ein Missverständnis ist das denkmalgeschützte gesprayte „Totentanz“-Skelett von Harald Naegeli (84) bis zur Unkenntlichkeit beschädigt worden. Der zunächst als anonymer „Sprayer von Zürich“ bekannte Künstler hatte das etwa lebensgroße Skelett zuerst 1980 illegal auf das zugemauerte Westportal der Museumskirche St. Cäcilien gesprayt und es dann, nachdem es längst als Kunstwerk anerkannt war, 1989 auf Bitten des Museums Schnütgen wegen einer ersten Beschädigung noch einmal erneuert. Nun ist die Arbeit weitgehend aus dem Mauerwerk getilgt. Dies teilte die Stadt am Donnerstag mit. Vor zwei Jahren war die Figur Ausgangspunkt einer Harald Naegeli gewidmeten Sonderausstellung des Museums gewesen.
Die Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt Köln (AWB) reihen sich damit ein in eine Reihe von unfreiwilligen Kunstbeseitigern. Am meisten Ruhm dürfte der Hausmeister eingesammelt haben, der in Düsseldorf eine Fettecke von Joseph Beuys wegschrubbte (siehe Anhang) Die Mitarbeiter der AWB waren bei ihrem Reinigungseinsatz an St Cäcilien offenbar hochmotiviert: Sie sollten vor wenigen Tagen – in Abstimmung mit dem Museum und der Denkmalpflege – ein neueres, nicht erwünschtes Graffiti entfernen. Derart beschwingt von der Aufgabe, sahen sie sich nach weiteren vermeintlichen Beschmierungen um und stießen auf das Skelett von Herrn Naegeli. „In diesem Zusammenhang wurden versehentlich leider auch große Teile des Naegeli-Skeletts entfernt“, teilt die Stadt mit. Glücklicherweise seien der Kopf und die Hände der Figur noch erhalten sowie zumindest auch Spuren der als Strichzeichnung angelegten Sprayzeichnung.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Diese Frage dürften sich die AWB-Trupps häufiger stellen. Graffiti-Weltstar Banksy ist schließlich auch auf der Straße groß geworden. Hätte nicht auch manch schnell entfernter Farbverlauf die Kunstwelt begeistern können? „Wir müssen uns in der Tat überlegen, wie wir besser unterscheiden können zwischen Kunst im öffentlichen Raum und Verunstaltung“, sagt Cordula Beckmann, Sprecherin der AWB. Street Art werde immer wichtiger und zähle vielerorts zum inzwischen akzeptierten Stadtbild. „Wir bekommen so viel Kritik ab“, sagt sie schmunzelnd, „da machen wir einmal saubere Arbeit, ist es auch nicht richtig.“
Der 1939 geborene Harald Naegeli ist als „Sprayer von Zürich“ bekannt geworden und wurde teilweise strafrechtlich wegen seiner Kunst verfolgt. Er kam 1979 nach Köln und setzte seine Arbeit hier fort: Er sprühte Kunstwerke in nächtlichen Streifzügen an (Un)-Orte in der Stadt. Bis 1981 verewigte er zahllose Skelette und Totenschädel, die bereits 1982 größtenteils vernichtet waren und heute vor allem in historischen Fotografien dokumentiert sind. Durch die vom Kölnischen Kunstverein unter der Leitung von Wulf Herzogenrath 1982 veranstaltete Graffiti-Ausstellung „Eine andere Malerei“, unter anderem mit einer Fotodokumentation der Skelette vom „Zürcher Sprayer“ erhielten diese als Gesamtheit legendäre Berühmtheit als „Kölner Totentanz“.
Naegeli sei es aus gesundheitlichen Gründen leider nicht möglich, die Sprayfigur selbst wiederherzustellen oder zu erneuern, heißt es weiter in der Mitteilung der Stadt. Aber er habe bereits sein Einverständnis dazu gegeben, dass Museum und Denkmalpflege eine Restaurierung der beschädigten Figur veranlassen. Wie dies am besten gelingen könnte und wie das Werk danach vor Beschädigungen besser geschützt werden kann, werde geprüft.
Kunstzerstörungen: Berühmte Fälle
1996 entfernte der Hausmeister der Kunstakademie in Düsseldorf die Fettecke von Joseph Beuys, rund sechs Monate nach dem Tod des Künstlers. Beuys hatte in der Ecke seines Ateliers „Raum 3 “zwei Meter unterhalb der Decke fünf Kilogramm Butter angebracht. Die Plastik war als ständiges Demonstrationsobjekt gedacht. Dass der Hausmeister das Kunstwerk nicht erkannte, kostete das Land später 40.000 Euro. Die Überreste uns Spuren der Fettecke brachten es im Prozess als „staatlich zerstörte Fettecke“ zu Ruhm.
Ein weiteres Kunstwerk von Beuys wurde 1973 entsorgt: eine mit Mullbinden und Heftpflaster versehene Badewanne in Schloss Morsbroich in Leverkusen. Zwei Genossinnen entdeckten bei einem launigen SPD-Parteifest die Badewanne und dachten sich: „Das alte Ding können wir sauber machen.“ Man wollte sie zum Spülen der Gläser nutzen
In gewisser Weise hat sich die irrtümliche Beseitigung von Kunst längst zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Wie eine Hommage an den Hausmeister wirkt das Vorgehen einer Putzfrau, die im Dortmunder Museum Ostwall für Ordnung zu sorgen glaubte. Doch der Kalkfleck, den sie 2011 aus einem Gummitrog schrubbte, war Teil einer Installation von Martin Kippenberger. Geschätzter Wert des Werkes: 800 000 Euro. Es war versichert.
In diese Reihe gesellte sich auch eine Putzfrau, die in der Mannheimer Philippuskirche klar Schiff machte. Die Reinigungskraft schmiss Teile der Installation „Behausung 6/2016", die aus goldfarbenen Rettungsfolien bestand und die Flüchtlingskrise thematisierte, in einen Mülleimer. Künstlerin Romana Menze-Kuhn zeigte sich zunächst schockiert. Als sie merkte, dass sich das Werk nicht wiederherstelle ließ, habe sie die vom Boden abgerissenen Folien mit der Mülltonne, in die sie geworfen wurden, ganz einfach in ihr Werk integriert. (mft)