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Schweizer SprayerMuseum Schnütgen widmet Harald Naegeli eine lebendige Schau

Lesezeit 3 Minuten
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Blick in die Ausstellung mit Werken des Schweizer Künstlers 

Köln – Der kleine Knochenmann schaut um die Häuserecke. Dabei setzt er keine gruselige Grimasse auf. Vielmehr kommt der Tod als schelmischer Fratzenschneider daher, der etwas im Schilde führt. Man fühlt sich beobachtet irgendwie auch nett ertappt. Trotzdem waren die gesprayten Graffiti, die sich nach „illegalen“ Nacht- und Nebelaktionen etwa auf nacktem Beton der Musikhochschule oder den Pfeilern der Zoobrücke fanden, vor über 40 Jahren für viele ein großes Ärgernis.

Flucht vor dem Zuchthaus

Harald Naegeli, der als „Sprayer von Zürich“ Ende der 70er Jahre vor dem Zuchthaus nach Köln flüchtete, brauchte nur Sekunden, um mit der Sprühdose Signifikantes zu hinterlassen. Viel länger dauerte es für die städtischen Bediensteten, die Skelette und Totenköpfe mit dem Putzmittel „Parol-Ex“ von Fassaden, Betonträgern oder Garagentoren wieder abzuwischen. Heute scheint das im Rückblick als Todsünde.

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Harald Naegeli wurde als Sprayer von Zürich bekannt. 

Nur noch drei von mehreren hundert Graffiti des „Kölner Totentanzes“ blieben übrig. Ein Skelett sprayte Naegeli auf das zugemauerte Westportal der Cäcilienkirche. Es wurde als einziges als schützenswert anerkannt. Wer nun die Ausstellung „Harald Naegeli in Köln“ im Museum Schnütgen besucht und aus dem Fenster schaut, sieht es.

Fotografen wie Wilhelm Siepe oder Ulrike Schermuly ist es zu verdanken, dass der „Kölner Totentanz“ zumindest im Bild festgehalten wurden. Im Kirchenraum selbst ist nun ein spannender Wechsel von Naegelis Kreuzigungsszenen, die er unter dem Fahrzeugrauschen der Zoobrücke sprayte, im Kontext mit mittelalterlichen Objekten, kleinen Tänzern aus Elfenbein, Tonfiguren aus einem „Zizenhausener Totentanz“ oder dem „Immerwährenden Kalender“ zu sehen.

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Das Museum Schnütgen präseitiert die Werke von Harald Naegeli 

Die Kuratorinnen Erchen Wang und Kim Mildebrath haben in der Sonderausstellung ein lebendiges Bild des einstigen Gefängnisinsassen und heute gefeierten Gegenwartskünstlers erstellt. Zudem gibt es Leihgaben der Graphiksammlung „Mensch und Tod“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

2018 schenkte Naegeli dem Museum ein Mappenwerk mit Radierungen und 102 Zeichnungen, aus denen eine mitreißende Auswahl getroffen wurde. Zeitlos schweben filigran bearbeitete Blätter auf den Staffeleien, die Elemente aus dem Langzeitprojekt der „Urwolke“ zeigen. Kleine Punkte und Striche setzt Naegeli manchmal über Jahre in ein Gefüge, das etwas von einem Schwarm, schemenhaften Konturen, fast „parapsychologischen“ Botschaften hat.

Mit Knochenflöte

Im Rahmenprogramm zur Schau im Museum Schnütgen gibt es am 25. März, 18 Uhr, eine Podiumsdiskussion. Am 1. April, 19 Uhr, spielt Norbert Rodenkirchen in St. Cäcilien auf der Knochenflöte und am 26. April, 19.30 Uhr, wird der „Der Sprayer von Zürich“ von Nathalie David gezeigt. (jan)

Dagegen kräftig und in grafischem Kontrast geht der Besucher zum Ende des Rundgangs durch die „Apokalypse“. Dort krabbelt es, die Knöchelchen liegen lose und der Schweif eines Vogels erinnert an Gabelzinken.

Neu ist das Thema der Apokalypse nicht. Wie Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen, erinnerte, spielte das Leiden im Mittelalter einen große Rolle. „Es gab die Vorstellung von Naturkatastrophen als Strafe. Sie fielen nicht einfach vom Himmel.“ Naegeli greift in seinen immer auch politischen Bildern die Umweltzerstörung und die Aggressivität des Menschen auf. Der Betonarchitektur zeigte er im „Kölner Totentanz“ mit seinen Graffiti die Nase.

Aber es gibt auch zuversichtliche Blicke auf die Schöpfung. Und der Humor kommt nicht zu kurz. Dann, wenn ein Skelett hinter einem Kasten mit der Aufschrift „Vorsicht Starkstrom“ die Knochen klappern lässt, dass das Brizzeln geradezu bildlich wird. „Wünschte ich die Musik zu hören, nach der sie tanzen. So werde ich still bei seinen Totentänzern“, schreibt Ingrid Bachér im Katalog.

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Die Skelette mögen den anatomischen Proportionen des Menschen entsprechen. Doch deren Korpus erinnert an die Feder einer Radachse, die sich mit Dynamik aufschwingt, mit Extremitäten wie Vogelfüßen - tänzerisch.

Harald Naegeli in Köln – Sprayer und Zeichner, bis 12. Juni, Di bis So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr. Cäcilienstraße 29-33.