Wenn am Denkmal gedoktert wirdKunsthistoriker laufen Sturm gegen Gesetzesnovelle
Düsseldorf – Es klappern die Mühlen und mit Filzpantoffeln geht es in den alten Ball- oder Rittersaal, wenn die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) zum Tag des offenen Denkmals einlädt. Zuletzt öffnete sie bundesweit 4000 historische Gebäude, Gärten und archäologische Grabungsstätten.
Aber es gibt auch weniger beschauliche Bilder: Vor dem Düsseldorfer Landtag protestieren Restauratoren und Kunsthistoriker mit Trillerpfeifen: NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) brachte das neue Denkmalschutzgesetz als dritten überarbeiteten Entwurf in den Landtag ein. Der sieht die Abschaffung der sogenannten „Benehmensfindung“, also der Einigung zwischen unteren und oberen Denkmalschutzbehörden vor. Die Fachämter fühlen sich entmachtet.
Warnung vor gravierenden Einschnitten
Zehn Institutionen von der Interessengemeinschaft Bauernhaus bis zur Deutschen Burgenvereinigung warnen vor „gravierenden Einschnitten“ für den Schutz alter Gebäude sowie der Nachkriegszeit. Im besten Fall werde verschlimmbessert, wenn das Fachwissen fehle. Oder es drohe die Abrissbirne. „Die unteren Denkmalbehörden sind extrem heterogen besetzt“, sagt Steffen Skudelny, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. „Umso strukturschwächer eine Region ist, desto weniger reflektiert ist die Sichtweise.“ Beratung sei daher sinnvoll. „Denn der Bauherr hat das Wissen nicht.“
In einer Petition mit über 24 000 Unterschriften warnen Fachverbände und Professoren, darunter der ehemalige NRW-Bauminister Christoph Zöpel, vor einem Schnellschuss mit „irreparablen Folgen“ für die historische Bausubstanz.
Experten warnen: Das kulturelle Erbe ist in Gefahr
Die Fachleute der oberen Denkmalschutzbehörde sollen sich künftig auf Bodendenkmäler konzentrieren, ihr Rat bei Sanierungen im Bestand würde optional.
Hochwasser besser überstanden
Die Denkmalsubstanz im Land sei mit 1,5 Prozent verschwindend gering, sagt Patrizia Brozio, Sprecherin des Verbands der Restauratoren (VDR).
Kriegszerstörung sei der Grund, dass es vergleichsweise wenig historische Gebäude gibt. Hinzu kommen Katastrophen wie das Hochwasser im vergangenen Jahr. Bestärkt fühlen sich die Restauratoren, dass manches krumme Fachwerkhaus nach der Flut eher zu sanieren war als ein Neubau. (jan)
Das kulturelle Erbe, so die Kritiker, sei gefährdet, wenn aus dem über 40 Jahre alten „Schutzgesetz“ nun ein „Nutzgesetz“ werde. Zeitgemäße Schlagworte wie Wohnraumverdichtung und Klimaneutralität machen auch vor der alten Scheune oder der Fabrik nicht halt.
Der Verband der Restauratoren (VDR) NRW warnt davor, dass die Novelle nun durchgewinkt wird, ohne dass die Öffentlichkeit von der Tragweite beschleunigter Genehmigungsverfahren erfährt. Die aber könnten deutliche Änderungen für das Bild historischer Stadtansichten bringen.
Nutzung von Solarenergie und anderen erneuerbaren Energien soll nach Wunsch der Landesregierung in das neue Denkmalschutzgesetz einfließen, Photovoltaikanlagen auf alten Dächern möglich sein. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) frohlockt auf seiner Website bereits über den „kleinen Baustein“ im Abbau der Blockaden für die Solarenergie.
Bauministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe
Als Stellvertreterdiskussion an falscher Stelle bezeichnet Skudelny das. „Es gibt gigantische Entwicklungsflächen für Photovoltaikanlagen. Wenn die erschlossen sind, und der Handlungsdruck so groß wird, dass auch die 1,5 Prozent historischer Bausubstanz in Deutschland konkret mit Anlagen ausgebaut werden müssen, kann man ja auf die Bestandsbauten übergehen.“ Noch seien aber genügend Reserven da, zum Beispiel das Gelände von Kiesseen, die in Bayern zum Beispiel bereits für Solarenergie gut erschlossen seien.
Das Bauministerium NRW wehrt sich gegen den Vorwurf mangelnder Transparenz, denn die Kritik habe man aufgenommen: „Ministerin Scharrenbach hat den Entwurf des Denkmalschutzgesetzes öffentlich vorgestellt. Nun ist also das Parlament am Zuge. Nach der Einbringung erfolgt die Beschäftigung im Fachausschuss – nebst öffentlicher Anhörung. Sofern die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mehrheitlich zustimmen, könnte das Denkmalschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden“, sagt Ministeriumssprecher Robert Vornholt.
Was heißt das in der Praxis?
Die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit werden laut Ministerium nun ausdrücklich als im Abwägungsprozess zu berücksichtigende Aspekte benannt.
Plakative Fälle, dass es beispielsweise eine Behindertentoilette im Keller gibt, zu der aus Gründen des Denkmalschutzes aber kein Aufzug führt, wären dann wohl Geschichte. Aber: „Was nun als Bürokratieabbau gelobt wird, tut dem Denkmalschutz nicht gut“, ist Patrizia Brozio überzeugt. Die Sprecherin des Restauratorenverbands VDR geht davon aus, dass bald vermehrt Bauschäden auftreten, wenn falsch saniert wird. „Styropor, das in einem alten Gebäude zur Dämmung eingesetzt wird, ist nicht nachhaltig, kann schimmeln und sollte für alte Bausubstanz nicht verwendet werden“, sagt sie. „Kurzfristige Gewinnerwartungen“, so der VDR, könnten über den Schutz des Denkmals gestellt werden.
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Auf Nachhaltigkeit versteht sich die Denkmalpflege. „Besser setzt man auf natürliche Rohstoffe“, so Brozio: Platze bei einem alten Lehmhaus der Putz ab, könne man die Krümel wieder einweichen und recyceln.“ „Viele städtebaulich prägende Gebäude sind in den letzten 30 bis 40 Jahren verschwunden“, sagt Skudelny.
In immer mehr Kommunen gebe es Bildbände mit dem Titel „Damals und heute“. Darunter auch die ehemalige Schlosslandschaft im Rhein-Erft-Kreis: Sie wurde Opfer des Tagebaus. Schloss Paffendorf gibt noch einen Eindruck wieder.