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Erinnern und handelnKölner Gedenkfeier mahnt zum Kampf gegen aufkeimenden Antisemitismus

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Felix Schotland, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, und Bürgermeister Andreas Wolter (rechts) begrüßen eine Frau bei der Gedenkfeier in der Synagoge.

Felix Schotland, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, und Bürgermeister Andreas Wolter (rechts) bei der Gedenkfeier in der Synagoge.

Eine Gedenkfeier für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft anlässlich des 86. Jahrestages der Reichspogromnacht veranstaltete die Synagogen-Gemeinde Köln und die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

„Wir müssen die Jungen zu geschichts- und verantwortungsbewussten Menschen großziehen“, forderte Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, am Freitag in der Kölner Synagoge. Allein Bildung helfe gegen Rassismus jeder Art, betonte er. Doch bei all den Bemühungen und Projekten der vergangenen Jahre müsse angesichts des wachsenden Antisemitismus die Frage sein: „Was haben wir falsch gemacht?“ 

Die Synagogen-Gemeinde Köln und die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hatten zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft anlässlich des 86. Jahrestages der Reichspogromnacht geladen. Die Feier mit anschließender Kranzniederlegung und Kaddisch-Gebet in der Gedenkhalle stand unter dem Motto „Erinnern heißt handeln: Für ein besseres Morgen“.

Forderung nach Zivilcourage

Für dieses bessere Morgen sehe er zum einen das Elternhaus in der Pflicht, sagte Lehrer: „Vorurteile werden an den Nachwuchs tradiert.“ Zum anderen machte er aber auch ein großes Problem in der „schwachen Demokratie aktuell in unserem Land“ aus. Der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien führe zu mehr Zuspruch bei den extremen Rändern. Die Enttäuschung in der jüdischen Gemeinschaft sei groß angesichts der fehlenden Zeichen der Mehrheitsgesellschaft, betonte Lehrer in seiner Ansprache und fragte: „Fehlt es unserer Gesellschaft an Zivilcourage?“

Das, was aktuell passiere, erinnere viele Gemeindemitglieder an das Geschehen in den 1930er-Jahren. Lehrer verwies allein auf zwei Ereignisse vom Donnerstag: die gewaltsamen Ausschreitungen nach dem Fußballspiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv zwischen pro-palästinensischen Demonstranten und israelischen Fans sowie die Schmierereien mit roter Farbe und „Free Palastine“-Parolen am Kölner Rathaus im Vorfeld der Verleihung des europäischen Handwerkspreises an den israelischen Botschafter Ron Prosor. „Es herrscht eine Wahnsinns-Unruhe, eine Unsicherheit, viele haben Angst, manche reagieren panisch“, berichtete Lehrer über das aktuelle Empfinden in der jüdischen Gemeinschaft. „Wir müssen etwas tun“, forderte er eindringlich, damit „nicht weitere Generationen an die Rattenfänger“ verloren gingen. Wenn die demokratischen Parteien gewählt würden, wäre das ein Zeichen für die jüdische Gemeinde, die zur Flucht bereitgestellten Koffer wieder auf die Speicher zu bringen.

Schüler-Projekt zur NS-Zeit

Neben diversen musikalischen Beiträgen, unter anderem von Gemeindekantor Mordechai Tauber, gab es auch Ansprachen von Professor Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, und Bürgermeister Andreas Wolter. Stellvertretend für Oberbürgermeisterin Henriette Reker versprach Wolter entschlossene Unterstützung: „Jüdisches Leben soll in Köln frei, sicher und sichtbar gedeihen können.“

Die junge Generation war ebenfalls vertreten. Schüler und Schülerinnen des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums hatten sich mit der NS-Zeit und deren Bedeutung für ihr heutiges Leben auseinandergesetzt. So erforschten sie unter anderem die Biographien Kölner jüdischer Familien - häufig beginnend mit wirtschaftlichem Boykott und endend in Deportation, Ermordung oder Selbstmord, wie auch bei Familie Katz, von der die Neuntklässlerin Lilli Kovacs berichtete. Sie sei erschrocken gewesen, als sie vom Leiden der Familie gelesen habe, und schlussfolgerte: „Ich fühle mich momentan in Deutschland sicher. Ich hoffe, das bleibt so.“