Eigentlich wollte die Stadt Köln das E-Scooter-Chaos mit einer Ausschreibung in den Griff bekommen. Dazu wird es nun doch nicht kommen. Die Stadt setzt auf ein anderes Verfahren.
Doch keine AusschreibungWie die Stadt Köln das E-Scooter-Chaos in den Griff bekommen will
Die bunten E-Scooter der Leih-Anbieter sind für manch einen Kölner mittlerweile zu einer willkommenen Ergänzung im städtischen Mobilitäts-Mix geworden. Für viele sind die Roller dagegen weiterhin ein Dorn im Auge. Mal stehen oder liegen sie mitten auf dem Gehweg, oft sogar im Rhein. Immer wieder kommt es zu Unfällen mit den kleinen Flitzern. Dass der Markt reguliert werden muss, da sind sich Städte und Anbieter schon lange einig. Keine leichte Aufgabe, das ist ebenso klar.
In Paris verschwinden die Roller nach einer Bürgerbefragung (siehe Infotext) nun vollständig. In Köln sollte eine Ausschreibung für Ordnung sorgen, das kündigte die Stadt erstmals im März 2022 an. Damit hätte die Verwaltung einen oder mehrere Anbieter auswählen können, die die Vorgaben der Stadt erfüllen. Dazu kommt es zunächst einmal nicht. Stattdessen setzt die Stadt nun auf ein Interessensbekundungsverfahren.
Warum nun doch keine Ausschreibung?
Als Grund nennt die Stadt die „weiterhin hohe Dynamik auf dem E-Scooter-Markt“. Es sei nicht abzusehen, wie sich der Markt verhalte. Eine Ausschreibung sei zudem ein „umfangreiches und personal- sowie zeitintensives“ Verfahren.
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Wie läuft das neue Verfahren ab?
Die Stadt definiert im Laufe dieses Jahres einen Zeitraum, in dem die Anbieter – aktuell sind vier in Köln aktiv – ihr Interesse bekunden können, für 2024 eine neue Sondernutzungsgenehmigung zu beantragen. In Gesprächen mit den Anbietern wird die Stadt vorab ihre Vorgaben vorstellen, die die Verleih-Firmen für eine Genehmigung erfüllen müssen. Dadurch könne laut Stadt ein „wertvoller Erfahrungsaustausch“ stattfinden. Was allerdings nicht bedeutet, dass die Vorgaben der Stadt verhandelbar sind. Die ersten Gespräche sollen noch im ersten Halbjahr dieses Jahres stattfinden. Teil der bislang gültigen Genehmigungen sind unter anderem Auflagen zur Einhaltung von Verbots- und Abstellzonen.
Was könnte sich konkret ändern?
Die Stadt erarbeitet aktuell die Vorgaben, die die Anbieter für eine Genehmigung erfüllen müssen. Dabei hat sie die Möglichkeit, eine Gesamtmenge an Fahrzeugen festzulegen. Möglich ist dabei auch, Mengen für einzelne Stadtbereiche festzulegen. „So kann bereits vor der Erteilung der Sondernutzung die konkrete Menge definiert werden, welche beantragt werden kann“, teilt die Stadt mit.
Wie beurteilen die Anbieter die Pläne?
Ungewöhnlich ist der Weg der Stadt nicht. Interessensbekundungsverfahren zum Thema E-Scooter gab es auch in anderen Städten bereits. Auch die Firma Tier war beteiligt. „Grundsätzlich glauben wir, dass ein Auswahlverfahren die bessere Lösung ist, weil dadurch die Anzahl der Anbieter vor Ort reduziert werden kann“, erklärt Tier-Sprecher Patrick Grundmann. Seien mehrere Anbieter mit eher kleineren Flotten zugelassen, würden sich diese vor allem auf die lukrativeren Innenstadtbereiche konzentrieren.
„Ein Interessenbekundungsverfahren sollte immer mit einem Auswahlverfahren gekoppelt werden“, ergänzt Grundmann. „Das könnte so aussehen, dass eine Stadt zunächst das Interessenbekundungsverfahren durchführt und dann diejenigen Anbieter, die ihr Interesse bekundet haben, zu einem Auswahlverfahren einlädt.“ Ob es dazu kommt, steht aktuell noch nicht fest. „Das weitere Verfahren über 2024 hinaus hängt von den weiteren gewonnen Erfahrungen sowie von der Marktsituation ab“, sagt eine Stadtsprecherin.
Das Unternehmen Lime sieht im Weg der Stadt durchaus Vorteile. „Interessensbekundungsverfahren fördern die Zusammenarbeit zwischen einer Stadt und den Anbietern“, sagt Lime-Sprecherin Anna Montasser. „Durch den Dialog und die Zusammenarbeit können Herausforderungen kollaborativ gelöst werden.“
Weder eine Ausschreibung noch ein Interessensbekundungsverfahren sind aus Sicht der Anbieter die alleinige Lösung aller Herausforderungen. „Es braucht ein proaktives Mobilitätskonzept der Stadt“, sagt Tier-Sprecher Grundmann. Heißt unter anderem: mehr Radwege und mehr Parkflächen für die Roller. Auch Lime fordert: Die erhobenen Gebühren (siehe Infotext) müssen in die Infrastruktur fließen.
Gebühren, Rückzüge und Klage – Verbot rechtlich nicht möglich
12 500 E-Scooter haben die verschiedenen Anbieter der Leih-Roller für 2023 beantragt. 2022 waren es noch 14 500, 2021 noch 17 500. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Anbieter von sechs auf vier verringert.
Einer der Gründe für den Rückzug: Im März 2022 teilte die Stadt mit, in Zukunft für jeden aufgestellten Leih-Roller eine standortabhängige Gebühr zwischen 85 und 130 Euro pro Jahr zu erheben. Bei den Anbietern sorgte das für einen Aufschrei. Die Gebühren seien „willkürlich“ und „unverhältnismäßig“ und daher rechtswidrig, hieß es.
Zum einen, weil die Gebühr für Leih-Räder oder Leih-Lastenräder nur zehn Euro beträgt. Auf der anderen Seite verwiesen die Anbieter auch auf andere Städte, in denen die Gebühren deutlich geringer sind. „Damit möchte die Stadt die E-Scooter aus Köln verdrängen“, vermutete das Unternehmen Tier. Im Juli zog sich aufgrund der Gebühren zunächst das niederländische Unternehmen Dott aus Köln zurück, im Oktober zog das US-Unternehmen Bird nach.
Die vier verbliebenen Firmen Voi, Bolt, Tier und Lime klagten im Januar vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das wiederum bewertete die Gebühren als zulässig. Nun wollen die Anbieter vor das Oberverwaltungsgericht in Münster ziehen. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
E-Scooter in Köln: Verbot rechtlich nicht möglich
Nach einer Bürgerbefragung in Paris werden E-Scooter in der französischen Hauptstadt ab dem 1. September verboten. Auch wenn die Kölner Stadtverwaltung dringend nach einer Lösung für das Chaos auf den Straßen sucht – zu einem solch drastischen Schritt wird es wohl nicht kommen. Eine solche Umfrage sei nicht zielführend, da für ein Verbot die Rechtsgrundlage fehle, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz des Landes NRW regelt unter anderem, dass kommunale Satzungen das E-Scooter-Angebot nicht verhindern dürfen.