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Meist Täter aus NordafrikaWas tun gegen die Halsketten-Räuber in Köln?

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Polizeieinsatz nach einem Halsketten-Raub am Theodor-Heuss-Park Anfang Juli.

Polizeieinsatz nach einem Halsketten-Raub am Theodor-Heuss-Park Anfang Juli.

Eine Serie von Überfällen erschüttert Köln. Tatverdächtige sind laut Polizei meist Jugendliche aus Nordafrika. Die Stadt hat wenig Handhabe.

Die jüngste Serie von Raubüberfällen, bei denen Menschen am helllichten Tag auf offener Straße ihre Halsketten entrissen wurden, verunsichert viele Kölner. Seit Juni häufen sich die Taten. Laut Polizei sind die Tatverdächtigen meist junge Männer und Jugendliche aus den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien. Manche sind noch Kinder, also jünger als 14 Jahre. Fragen und Antworten.

Wie viele unbegleitete Minderjährige aus Nordafrika halten sich derzeit in Köln auf?

Die Stadt bringe derzeit rund 600 unbegleitete Minderjährige aus dem Ausland unter, erklärte die Verwaltung auf Anfrage. Davon würden 34 Jugendliche nordafrikanischer Herkunft vom Jugendamt betreut.

Wo sind diese Jugendlichen untergebracht?

„Die Mehrheit der Minderjährigen mit nordafrikanischer Herkunft ist derzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Der genaue Standort unterliegt der Verschwiegenheit im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzes“, sagte eine Stadtsprecherin. Es ist ein offenes Geheimnis, dass einige Tatverdächtigen in einer Jugendherberge in der Allerheiligenstraße am Hauptbahnhof wohnen. Von dort aus sind es zu Fuß nur Minuten zu den Brennpunkten Ebertplatz und Eigelstein, aber auch zum Dom, wo die Diebstähle und Überfälle verübt wurden.

Wieso halten sich die Minderjährigen alleine in Köln auf?

Die Jugendlichen würden ihr Heimatland oft aufgrund von prekären familiären Situationen verlassen und in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Europa fliehen, sagt Barbara Frank, stellvertretende Leiterin des Jugendamts. „Vernachlässigung, Gewalterfahrungen und mangelnde gesundheitliche und materielle Versorgung prägten ihre Kindheit.“ Die meisten hätten bereits als Kinder arbeiten und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen müssen. Manche hätten ihre Familien aufgegeben, „um zusammen mit anderen Jugendlichen auf der Straße zu leben“. Bedingt durch die jahrelange Not hätten sie „als eine Art Überlebensstrategie auffällige, teils delinquente Verhaltensweisen entwickelt“, so Frank. „Sie zeigen eine hohe Mobilität, können kaum Bindungen aufbauen und suchen immer wieder neue Orte auf. Sozialpädagogische niedrigschwellige Angebote könnten längerfristig die Lebenssituation dieser Jugendlichen positiv beeinflussen.“

Wie viele der Minderjährigen werden in Köln straffällig?

Die große Mehrheit der 600 unbegleiteten Jugendlichen lebe „völlig unauffällig in unseren Einrichtungen und nimmt das Betreuungsangebot gut wahr“, betont Frank. Sie räumt jedoch ein: Von den 34 Minderjährigen aus Nordafrika seien 23 durch Straftaten aufgefallen.

Was passiert, wenn die Täter jünger als 14 Jahre sind?

„Wenn eine Straftat wie Diebstahl von einem strafunmündigen Kind unter 14 Jahren begangen wurde, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, das Verfahren einzustellen. Dann gibt es keine andere rechtliche Handhabe“, erläutert Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. In solchen Fällen werde aber das Jugendamt informiert. Wenn die Polizei berechtigte Zweifel an der Altersangabe eines angeblich minderjährigen Tatverdächtigen habe, werde dies in der Akte dokumentiert, so Bremer. „Dann kann die Staatsanwaltschaft ein Gutachten zur Altersfeststellung bei einem Sachverständigen in Auftrag geben.“

Warum ist das Alter bei Strafverfahren mit jüngeren Tatverdächtigen entscheidend?

„Gegen Heranwachsende im Alter von 18 bis 20 Jahren können mildere Sanktionen nach dem Jugendgerichtsgesetz verhängt werden, während für Beschuldigte ab 21 Jahren ausnahmslos das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung gelangt“, erklärt Bremer. Für Beschuldigte im Alter von 14 bis 17 Jahren gelte hingegen das Jugendstrafrecht. Personen unter 14 Jahren seien in Deutschland strafunmündig.

Welche Konsequenzen zieht die Stadt nach den Taten?

Bei Verdacht auf Straftaten kooperiere man eng mit der Polizei – auf operativer und strategischer Ebene und möglichst zeitnah nach den Vorfällen, so das Jugendamt. Mit den Trägern, die die Jugendlichen betreuen, spreche das Amt „die tagesaktuell notwendigen pädagogischen Interventionen ab“. Jugendlichen, die aus der Haft entlassen wurden, stünden „weiterhin täglich die pädagogischen Angebote offen, sofern sie konstruktiv teilnehmen und sich adäquat gegenüber den übrigen engagierten, motivierten und schutzbedürftigen Bewohnern verhalten. Alkohol, Drogen und Gegenstände, die das Wohl der Jugendlichen gefährden, werden in den Einrichtungen nicht geduldet.“

Können minderjährige Straftäter abgeschoben werden?

Hier gibt es hohe Hürden. Eine Rückführung ist nur möglich, wenn Reisedokumente vorliegen und keine Bleiberechte und keine Rückkehrhindernisse, etwa aus gesundheitlichen Gründen, bestehen. Zudem müssen Minderjährige ihren Erziehungsberechtigten oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden können. Es komme also maßgeblich auf die Mitwirkung des Betroffenen und des Herkunftsstaats an, so die Stadt.

Gibt es Überlegungen, die Jugendlichen anderswo unterzubringen?

„Wünschenswert wäre eine weniger urbane Unterbringung in kleineren Wohneinheiten“, sagt Barbara Frank. Die Stadt arbeite kontinuierlich an Lösungen und sei auf der Suche nach geeigneten Immobilien für die Kinder- und Jugendhilfe.