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Rückblick auf Dienstag in Köln35.000 Menschen setzen bei Großdemo ein deutliches Zeichen

Lesezeit 4 Minuten
Für eine wehrhafte Demokratie.

Für eine wehrhafte Demokratie.

Nach der Demonstration am Dienstagabend ist eine weitere Großdemonstration gegen Rechtsextremismus in Vorbereitung.

Köln hat ein starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. 35 000 Menschen sind am Dienstagabend auf die Straße gegangen und haben für Demokratie und gegen Rechts demonstriert. Dass Köln sich gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit positionieren kann, haben die Kölnerinnen und Kölner in der Vergangenheit schon oft bewiesen. Doch diese Kundgebung sucht ihresgleichen. In Größe und Spontanität ist sie nur vergleichbar mit der Arsch-huh-Demo von 1992.

Sah es anfangs so aus, als würden weit weniger Menschen als die 7000 angemeldeten Demonstranten zusammengekommen, waren es schließlich mehrere Zehntausend, die zum Heumarkt strömten. Das hatten weder Anmelder noch Polizei in dieser Dimension erwartet.     Der Andrang sorgte dafür, dass die KVB den Betrieb am Heumarkt aus Sicherheitsgründen einstellte. Zu viele Menschen waren unterwegs; zeitweise auch auf den Gleisen.

Route und Ziel wurden geändert

Auch auf der Augustinerstraße am Heumarkt standen die Menschen. Die Folge: Die Deutzer Brücke wurde in Richtung Innenstadt komplett gesperrt. Gegen 20.30 Uhr zog die Polizei die Notbremse und twitterte: „Bitte kommen Sie nicht mehr auf den Heumarkt.“ Das starke Zeichen gegen Rechts hatte auch kleine Schattenseiten. Der Heumarkt war so voll, dass sich manche Besucher unwohl fühlten. Laut Polizei gab es diverse Anrufe von Demo-Teilnehnern, denen es zu eng war. Um die Menschenmassen zu entzerren, entschied die Polizei, dass die Spitze des Demozuges früher in Richtung Neumarkt loszieht. Die Route war kurzfristig geändert worden. Statt über Cäcilienstraße und Neumarkt zum Roncalliplatz ging es über den Neumarkt zur Deutzer Werft. Viele Teilnehmer waren auch gar nicht mehr zum Neumarkt mitgelaufen, sondern direkt auf die Brücke abgebogen. Die ersten Teilnehmer waren bereits in Deutz angekommen, als der Heumarkt noch gut gefüllt war.

Und es ging auch ohne Stammbaum und „Stadt met K“: Ausschließlich Redebeiträge gab es von der kleinen, improvisierten Bühne am Reiterstandbild und in der Deutzer Werft. In den hinteren Reihen kaum bis gar nicht zu verstehen, spielte dies für die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten aber auch keine Rolle: Dasein, Gesicht zeigen, darum ging es den meisten an diesem Abend.

Improvisierte Pappschilder mit Parolen wie „AfD ist so 1933“, „Nazis essen heimlich Döner“ oder Forderungen nach einem AfD-Verbot waren überall zu sehen. Während des Zuges wurde immer wieder lautstark „Ganz Köln hasst die AfD“ skandiert. Der weitaus größte Teil der Redebeiträge   von „Köln gegen Rechts“, dem Integrationsnetzwerk „Start with a friend“, der Seebrücke und anderen   wurde von den Demoteilnehmern geteilt und gefeiert.

Unter anderem die Ansprache von Bahar Aslan war mit Spannung erwartet worden. Die Lehrbeauftragte an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung hatte sich in einem   Post auf „X“ höchst kritisch mit rechtem Gedankengut innerhalb der Sicherheitsbehörden befasst und war daraufhin von ihrem Posten abberufen worden. Inzwischen hat das Oberverwaltungsgericht allerdings geurteilt, dass die Freistellung unrechtmäßig erfolgte.

Viele Demonstrierende hatten Schilder mitgebracht

Viele Demonstrierende hatten Schilder mitgebracht

Sie erinnerte an den NSU-Terror auf der Mülheimer Keupstraße (ein Nagelbomben-Anschlag des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“, der zunächst der türkischen Community selbst zugeschrieben worden war). 22 Menschen vorwiegend mit türkischem Migrationshintergrund waren bei dem Anschlag 2004 zum Teil schwer verletzt worden. Sie erntete großen Applaus für ihren Beitrag.

Den Unmut vieler Anwesender zog sich ein vermummter Redner der „Migrantifa“ zu, der nicht nur den deutschen Sicherheitsbehörden, sondern dem ganzen Staat ausbeuterisches bis hin zu rassistischem Gedankengut vorwarf. Auch die Vermutung einer iranisch-stämmigen Rednerin, westliche Geheimdienste hätten das Mullah-Regime im Iran installiert, führte eher zu Irritationen denn zu Applaus.

Insgesamt war es aber ein friedlicher und beeindruckender Protest, nicht nur gegen das Treffen von Mitgliedern der Identitärer Bewegung, der AfD und der sogenannten „Werteunion“, sondern auch gegen einen Rechtsruck der Gesellschaft insgesamt.

Mittlerweile wurden Beschimpfungen und Drohungen gegen einzelne Rednerinnen und Redner bekannt. Man werde sich aber weiterhin für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen, antwortete etwa Aslan auf „X“.


Weiterer Protest in Köln

Am Donnerstag treffen sich die Organisatorinnen und Organisatoren vom „Bündnis gegen Rechts“ für den Protest am Sonntag, 21. Januar, auf dem Alter Markt. Mit der Polizei soll das weitere Vorgehen beraten werden.

Dabei spielen die Platzwahl und der Zugweg der Demonstration eine entscheidende Rolle. Das Bündnis „Köln stellt sich quer“, das zur Demo gegen die AfD und den Rechtsruck in der Gesellschaft aufruft, rechnet laut Sprecherin Brigitta von Bülow mit einer ähnlich hohen Teilnehmerzahl wie am Dienstag.

Im Gegensatz zur Spontan-Demo am vergangenen Dienstag werden am Sonntag um 12 Uhr auf dem Alter Markt – nach bisheriger Planung – auch bekannte Kölner Bands und Künstler aus dem „Arsch-Huh“-Umfeld auftreten. So wurden bisher bereits Cat Ballou, Kasalla und Brings angekündigt, auch der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler wird auf der Bühne erwartet. Bislang ist die Demo auf zwei Stunden angesetzt, auch darüber ist das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen. (two)