Wie schon bei „Arsch-huh“ 1992 folgten viele Kölner dem Gefühl, dass es Zeit ist. Zeit, etwas zu tun. Und dieses Gefühl war damals wie heute ansteckend.
Kommentar zur Demo gegen rechtsDas Zeichen, das Köln ausgesandt hat, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen
Die Menschen in Köln haben schon immer ein gutes Gespür für Stimmungen gehabt. Das gilt für den viel besungenen Frohsinn, dem man sich in auch diesen krisenhaften Tagen hingibt. Das gilt aber auch für Dinge, die aus den Fugen geraten. Die Menschen spüren, wenn etwas kippt, wenn etwas unter die Räder zu drohen kommt. Erst recht, wenn es die Demokratie ist.
Weil sie gespürt haben, dass das friedliche Zusammenleben in diesem Land gefährdet ist, haben sich Tausende im Kölner Zentrum der AfD und ihren teils rechtsextremen Anhängern entgegengestellt. Die Demonstration in dieser Woche trug viel von dem in sich, was 1992 auf dem Chlodwigplatz in der Kölner Südstadt geschah. Auch damals, bei der längst historischen „Arsch-huh“-Kundgebung gegen Fremdenfeindlichkeit, gingen viel mehr Menschen auf die Straße als erwartet. Auch damals folgten viele dem Gefühl, dass es Zeit ist. Zeit, etwas zu tun. Und dieses Gefühl war damals wie heute ansteckend.
Das Zeichen, das Köln ausgesandt hat, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn es stimmt, was Vizekanzler Robert Habeck sagt: Den Rechtsautokraten geht es im Kern um einen Angriff auf das Wesen der Republik. Die Extremisten auf der rechten Seite arbeiten sich an der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates ab, sie stellen die Grundregeln des Gemeinwesens infrage und wittern in Migration eine permanente Gefahr. Das alles soll staatszersetzend wirken. Das Gift kann wirken, sobald dieses Thesen Zulauf finden und niemand die Gegenrede antritt. Wie weit es schon gekommen ist, belegen die Recherchen zum Geheimtreffen in Potsdam, bei dem offenbar menschenverachtende und staatsgefährdende Thesen diskutiert wurden.
„So ist Köln“ hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker nach der Demonstration gesagt. Sie ist zu Recht stolz auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Denn das Signal ist: Diese Demokratie ist wehrhaft. Die Bürgerinnen und Bürger wollen keinen anderen Staat. Nicht jeder Redebeitrag hätte gehalten werden müssen, nicht jeder war der Sache dienlich. Die Protestierenden haben teils durch Pfiffe gezeigt, dass sie nicht wegen extremer Gegenpositionen gekommen sind, sondern um die Mitte der Gesellschaft zu stärken. Das ist passiert, und für diese Haltung kann das Land noch viel mehr Rückhalt gebrauchen. Nicht nur in Köln, nicht nur heute.