„Leben auf der Straße ist gefährlich“Zeugensuche nach Brandanschlag auf Obdachlosen
Köln – Niemand hat Kerzen angezündet oder Blumen niedergelegt. Es ist ein unwürdiger Ort, an dem ein obdachloser Mann (44) aus Polen irgendwann am frühen Samstagmorgen schwerste Verbrennungen erlitt. In dem Toilettenhäuschen am Severinswall erinnert nur ein brauner Brandfleck auf dem Fußboden an den Anschlag, den die Staatsanwaltschaft als versuchtes Tötungsdelikt eingestuft hat. „Das Opfer schwebt nach wie vor in Lebensgefahr und ist nicht ansprechbar“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
In der Szene sorgt der Fall bei einigen Obdachlosen für Aufsehen. „Wenn man so eine Geschichte hört, bekommt man es mit der Angst zu tun“, erzählt die 32-jährige Nicole, die ihren richtigen Namen nicht nennen will. Sie lebt meist auf der Straße und hat über die Zeitung von dem möglichen Brandanschlag auf den 44-jährigen Obdachlosen am Severinswall erfahren. „Ich schlafe nicht in der Innenstadt, das ist viel zu gefährlich. Mein Schlafplatz ist außerhalb der Stadt“, sagt sie.
Keine Meldungen in der Beratungsstelle
Im benachbarten Vringstreff, einer Anlaufstelle für wohnungslose Menschen, sei man nicht direkt betroffen von der Geschichte, so die Geschäftsführerin Jutta Eggeling. „In unserer Beratungsstelle hat sich dazu bisher noch keiner gemeldet.“ Ein älterer Mann, der zum Mittagessen im Treff vorbeigekommen ist, äußert sich spontan, aber kurz angebunden, zu dem Fall: „Ich mache mir darüber keinen Kopp. Darf man auch nicht. Das ist dann Schicksal.“
Winterhilfen für Obdachlose
Die Stadt und freie Wohlfahrtsorganisationen bieten Menschen, die ohne eigene Wohnung leben verschiedene Hilfen für die kalte Jahreszeit an:
- Notunterkunft in der Vorgebirgstraße für Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten, die kein Einkommen oder Ansprüche auf Sozialleistungen haben.
- Ehrenamtler sowie Mitarbeiter von Stadt und freier Wohlfahrtspflege unternehmen so genannte „Kältegänge“, um obdachlose Menschen über Notschlafstellen zu informieren.
- Passanten können Obdachlosen helfen über eine Winterhilfe-Hotline (0221/474 555 45) oder über den Notruf 112, wenn sie in einer akuten Notlage sind.
- Das Tierheim in Zollstock bietet zehn Übernachtungsmöglichkeiten für Hunde von Wohnungslosen an. Voranmeldung unter Tel.: 0221/381 858 .Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Kommunen bereits Anfang Dezember rund 340 000 Euro für Wintersoforthilfen für Obdachlose zur Verfügung gestellt. Der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Köln bekommt davon rund 6000 Euro. Sie sollen für Schlafsäcke, Winterbekleidung oder Taschenlampen für Menschen, die auf der Straße leben, verwendet werden. (dhi)
Das Opfer gehörte zur Szene der Starktrinker, nach der Einlieferung in eine Spezialklinik für schwere Brandverletzungen wurde ein erheblicher Alkoholpegel bei dem Mann festgestellt. Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren ist, soll der 44-Jährige vor mehr als drei Monaten am Hauptbahnhof einst Morddrohungen erhalten haben. Wie ernst dies zu nehmen ist, lasse sich schwer einschätzen. Die Polizei sucht dringend Zeugen, denn bislang stehe nur fest, dass der oder die Täter das Schlaflager des Obdachlosen zwischen Mitternacht und acht Uhr morgens angezündet hat.
Neue Notschlafplätze im ehemaligen Flüchtlingswohnheim
Der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Köln kümmert sich mit einer Reihe von Projekten und Angeboten um Obdach- und Wohnungslose im Stadtgebiet. Insbesondere mit Schlafunterkünften sollen die Menschen von der „Platte“ geholt werden. Dazu wurden zum Beispiel Anfang Dezember 60 neue Notschlafplätze im ehemaligen Flüchtlingswohnheim in Merheim eingerichtet.
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„Das Leben auf der Straße ist gefährlich“, so Rainer Best, Leiter der Notbetreuungen des SKM Köln. Er kenne Übergriffe, wie möglicherweise am Samstag am Severinswall geschehen, schon seit 30 Jahren. Für Schlagzeilen hatte zum Beispiel der tödliche Brandanschlag eines wohnungslosen Paares auf einen 29-jährigen Obdachlosen unter der Hohenzollernbrücke im November 2016 gesorgt.
„Wir versuchen durch unsere Streetworker und in unseren Beratungsangeboten auf die betroffenen Menschen einzuwirken, dass sie nachts die Notschlafplätze nutzen, um sicher vor Übergriffen und Erfrierungen zu sein“, so Best. Die bekannten Schlafstellen in jeder Nacht aufzusuchen und die Menschen zu bewegen, in die Unterkünfte zu gehen, sei jedoch personell nicht machbar – man sei da auf die Hinweise der Bürger angewiesen (s. Kasten).